Wieser,
Eberhard,
Reisen in die Vergangenheit. Schiffenberg, Münzenberg, Arnsburg und die Zeit
vom Investiturstreit bis zum ersten Weltkrieg. Gardez! Verlag, Remscheid 2006.
211 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Seit
Hermann Conrings grundlegender Untersuchung über den Ursprung des deutschen
Rechts hat sich an den deutschen Universitäten allmählich das besondere Fach
der Rechtsgeschichte entwickelt. Durch die historische Rechtsschule gewann
diese Disziplin sogar beachtliches Gewicht. Schließlich führte nach Friedrich
Carl von Savigny nur die geschichtliche Betrachtungsweise zur wahren
Erkenntnis.
Seitdem
haben viele Rechtslehrer ihre Laufbahn mit einer rechtsgeschichtlichen
Untersuchung begonnen, aber nach ihrer Berufung auf einen rechtshistorischen
Lehrstuhl sich von der Geschichte abgewandt. Staatsrecht, Verwaltungsrecht,
Strafrecht, Handelsrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht oder Erbrecht gewährten
manches, was die Geschichte nicht zu bieten vermochte. Nur gelegentlich führte
umgekehrt in schweren Zeiten der Weg von der Gegenwart in die Vergangenheit
zurück.
Umso
bemerkenswerter sind Eberhard Wiesers besinnliche Reisen in die Vergangenheit.
Nach Studien in München, Bonn, Würzburg und Wien wurde Eberhard Wieser vor
allem als sorgfältiger Zivilprozessualist und kritischer Zivilist bekannt.
Schon dort stellte er aber seine Individualität, Kreativität und Originalität
nachdrücklich unter Beweis.
Diesen
glücklichen Fähigkeiten entsprechen 19 persönliche Reisen in die deutsche
Geschichte. Sie gehen von der unmittelbaren Umgebung des in Gießen heimisch
gewordenen Verfassers aus. Der in seinem täglichen Blickfeld liegende
Schiffenberg ziert sogar, wenn auch leider nur in dem seine wahre Schönheit
verbergenden Schwarz-Weiß, die Vorderseite des schmalen Bandes.
Mit
dem Schiffenberg beginnt auch die erste Reise, die bis zum Investiturstreit
zurückreicht. Mit ziemlich gleichen Schritten werden die folgenden tausend
Jahre bis in das zwanzigste Jahrhundert durchmessen. Schiffenberg, Münzenberg
und Arnsburg werden in klaren und kurzen Sätzen geschickt mit Italien, England,
Frankreich, Spanien, Polen, Russland, dem osmanischen Reich und sogar den
Vereinigten Staaten von Amerika verbunden.
Alle
wichtigen Gegebenheiten der deutschen Rechtsgeschichte werden auf diesen Reisen
an unterschiedlichen Stellen dem interessierten Leser leicht verständlich
präsentiert. Stets endet die beschauliche Fahrt in bedeutender Literatur
zwischen Annolied, Stifter, Schiller, Eco, Boccaccio, Chaucer, Zweig, Thomas
Mann, Kleist, Cervantes, Molière, Goethe, Tolstoi und Heinrich Mann (dessen
Untertan sich nur seiner Familie gegenüber relativ anständig verhält). Auf
diese Weise ist ein buntes, durch Fotos des Verfassers veranschaulichtes und
durch ein sachverständig gewähltes Literaturverzeichnis abgerundetes Bild des
vergangenen deutschen Rechts entstanden, das wie eine blühende Wiese im
Sommerlicht Eberhard Wiesers liebenswerte Persönlichkeit in gelungener Weise
widerspiegelt.
Innsbruck Gerhard
Köbler