Weyhe, Ferdinand von, A. E. Wassermann. Eine
rechtshistorische Fallstudie zur „Arisierung“ zweier Privatbanken (= Rechtshistorische
Reihe 343). Lang, Frankfurt am Main 2007. 187 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Henning Kahmann aus der Kanzlei von
Trott zu Solz & Lammek angeregte und geförderte, von Hans-Jürgen Becker
betreute Regensburger Dissertation des Verfasssers, die sich auf teils nicht
allgemein freigegebenes Quellenmaterial stützen kann. Sie gliedert sich in eine
Einleitung, in welcher der Verfasser die Begriffe Privatbankier und Arisierung
klärt und zum Forschungsstand, zur Quellenlage und zum Gang seiner Untersuchung
Stellung bezieht, und vier chronologisch geordnete Abschnitte. Sie beginnen im
Wesentlichen 1933 und enden grundsätzlich 1938.
Am Anfang steht die Ausgangslage bis zum Jahre 1933, für die der
Verfasser schildert, wie die Privatbanken von den Aktienbanken überflügelt
wurden und ihr Anteil an der Bilanzsumme aller Kreditinstitute zwischen 1929
und 1936 von 5,6 Prozent auf 2,3 Prozent sank, wobei vielleicht auf die Zeit
vor 1933 beschränkte Angaben aussagekräftiger und eindeutiger hätten sein
können. Hatte er noch für 1923 ein deutliches, sekundär zitiertes Übergewicht
der jüdischen Privatbanken über die nichtjüdischen Privatbanken feststellen
können, so bildeten 1930 die 485 jüdischen Privatbanken nur noch 45 Prozent
aller Privatbanken. 1935 entfielen noch 57 Prozent der Bilanzsumme der Privatbankiers
auf jüdische Häuser.
Von hier aus wendet er sich den Bankiers Wassermann zu, die
vielleicht 1738 (?) oder 1782/1785 ein Bankhaus in Wallerstein bei Oetttingen
gründeten und 1840 nach Bamberg übersiedelten, 1889 eine Zweigniederlassung in
Berlin eröffneten und 1910 ohne Konvertierung in den Adelsstand Bayerns erhoben
wurden. Vielleicht 1926 wurden beide Niederlassungen getrennt. 1933 hatten die beiden
Bankhäuser A. E. Wassermann fünf Eigentümer der jüdischen Familie Wassermann
mit hervorragender Stellung an der Börse, in Aufsichtsräten und in der
organisierten Wirtschaft, wobei der Verfasser detailliert Albert, Julius,
Michael, Oscar, Max, Sigmund und Georg sowie Joseph Hambuechen biographisch
beschreibt.
Sehr sorgfältig dokumentiert der Verfasser danach die
allmähliche Verdrängung über die allgemeine Entwicklung, die Gleichschaltung,
den Verlust der Unternehmensbeteiligungen, den Verlust von
Aufsichtsratsmandaten, die Konsortialbeteiligungen sowie die persönliche
Verfolgung. Auch wenn er dabei nicht feststellen konnte, dass die Mitglieder
des Bankhauses mit Gefahr für Leib oder leben bedroht wurden, kann er doch
zeigen, dass mit unterschiedlichen Mitteln die persönliche Diffamierung und die
geschäftliche Einschränkung versucht wurde. 1937 nahm das Bankhaus Wassermann
in Berlin zwei arische Gesellschafter auf, ohne dass alle jüdischen Inhaber die
Bank verlassen hätten.
1938 wurden die Bankhäuser allerdings arisiert, wobei die
Initiative von den Mitgliedern der Familie Wassermann ausging. In keinem der
Fälle wurde Gewalt angewandt noch mit Gewalt gedroht. Ein Ausgleich für den
goodwill unterblieb, wobei aber im Frühjahr 1938 ein Verkauf einer jüdischen
Bank zu besseren Bedeingungen kaum möglich war.
Für das Bankhaus Wassermann in Bamberg wurde nach 1945 ein
Wiedergutmachungsverfahren angestrengt, bei dem sich der Arisierer zur Zahlung
von 350000 DM an die ehemaligen Gesellschafter beziehungsweise ihre Erben
verpflichtete. Für das Bankhaus in Berlin wurde bisher kein
Wiedergutmachungsverfahren begonnen. Insofern besteht das vom Verfasser
anschaulich und sorgfältig dargelegte Unrecht unverändert fort.
Im Anhang führt der Verfasser seine Quellen auf. Sie belegen
den von ihm geschilderten Vorgang in beeindruckender Weise. Vielleicht führt
seine Fallstudie zu weiterer Aufarbeitung gleichartiger Verhältnisse und Geschehnisse
während des dritten Reiches in vergleichbaren Einzelstudien.
Innsbruck Gerhard
Köbler