Strafe, Disziplin und Besserung. Österreichische Zucht- und Arbeitshäuser von 1750-1850, hg. v. Ammerer, Gerhard/Weiß, Alfred. Lang, Bern 2006. 287 S. Besprochen von Eva Lacour.

 

Dieser Sammelband enthält neben sieben Aufsätzen eine interessante Auswahl an Quellentexten zu Gefängnissen in Österreich, nämlich Wien, Innsbruck, Graz, Klagenfurt, Salzburg und Linz, so die „Ansprache des Zuchthausgeistlichen Philipp Jakob Münnich an die Insassen des niederösterreichischen Zucht- und Arbeitshauses 1815“ (S. 245-248). Im 18. Jahrhundert wurden dort wie in anderen europäischen Ländern Zucht- und Arbeitshäuser errichtet, um dem „schädlichen Müßiggang“ Einhalt zu gebieten (S. 215).

 

Einführend zeichnet Gerhard Ammerer einen Abriss der Entwicklung des Strafsystems und des Gefängnisdiskurses in Österreich von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und schildert anschaulich, wie sich die Zucht- und Arbeitshäuser für Bettler und Vagierende durch die zunehmende Aufnahme von Kriminellen immer mehr zu Strafhäusern wandelten. Erst durch das Strafgesetz von 1803 wurde eine vollständige Trennung von Zuchthaus und Gefängnis realisiert. Einige farbige Bildtafeln aus dem Jahr 1781 führen dem Leser das grausame Leben in den Anstalten des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wie es mit dem „Allgemeinen Gesetz über Verbrechen und deren Bestrafung“ von 1787 unter Joseph II. verwirklicht wurde, vor Augen. Mit diesem Gesetz fand die erste strafrechtliche Reformphase mit einem „differenzierten Katalog von öffentlichen Strafen ihren Höhepunkt“, dessen Bestand war jedoch nur von kurzer Dauer (S. 37). Leopold II. beseitigte nach seiner Regierungsübernahme „rasch die größten Härten des Josephinischen Strafgesetzes“. Er hob 1790 die Strafe des Schiffziehens, bei der in den sechs Jahren ihrer Existenz 721 von 1100 Sträflingen ihr Leben verloren, ebenso auf wie die Anschmiedung in Eisen, das Brandmarken und die öffentliche Züchtigung mit Schlägen. Mit der Gefängnisreformbewegung, die Österreich erst im 19. Jahrhundert ergriff, gelangte dann der Besserungs- und schließlich Resozialisierungsgedanke in den Vordergrund.

 

In den folgenden Aufsätzen wird jeweils eines der oben genannten Zuchthäuser ausführlich geschildert und in Abbildungen und Plänen dargestellt. Die Wiener Anstalt wurde 1671 gegründet und war damit die älteste in Österreich; als zweite folgte 1725 das Innsbrucker Zucht-, Arbeits- und Strafhaus. Die älteste Anstalt der Habsburger Monarchie insgesamt wurde 1668 in Breslau verwirklicht.

 

Martin Scheutz untersucht das Wiener Zucht- und Arbeits-, später Strafhaus, um 1800. Dieses war eine Disziplinaranstalt und sollte zugleich Wirtschaftsbetrieb sein – ein ökonomisch nicht zu realisierendes Ziel. Eine Tabelle der Einnahmen und Ausgaben der Jahre 1805 bis 1810 weist, trotz allen Drucks auf die Insassen zur Erfüllung ihres Arbeitspensums, ein Defizit von zuletzt 40.000 Gulden und damit die Idee „einer sich durch die Arbeitsleistung der Häftlinge selbst tragenden Institution“ (S. 76) als Fiktion aus. Diese Problematik zeigt sich auch bei anderen Arbeitshäusern. Im 1724 gegründeten Grazer Arbeitshaus verschaffte man für die sowohl freiwillig als auch zwangsweise Einsitzenden Arbeit, in dem man deren Leistungen an einen Verleger verpachtete. Doch musste man im Jahr 1798 feststellen, dass die daraus resultierenden Einkünfte nicht die Verpflegungskosten und anderen Auslagen für die Insassen deckten. „Es entstand die paradoxe Situation, dass jede in das Zwangsarbeitshaus aufgenommene Person dessen Verlust vergrößerte, anstatt umgekehrt!“ (Elke Hammer-Luza, S. 141). Das Grazer Zuchthaus wurde, wie vergleichbare Häuser andernorts, aus verschiedenen Einnahmen finanziert, z. B. dem „Musikimposto“, einer Gebühr für die Veranstaltung von Tanzmusik, sowie Kaffeehaus-, Billard- und Ballgeldern. Die Einnahmen aus der Arbeit der Insassen machten demgegenüber lediglich 5% der Gesamteinnahmen aus.

 

Den Alltag im Salzburger Korrektionshaus schildern Helmut Beneder und Alfred Stefan Weiß ausführlich. Beschäftigung fanden die Insassen dort beim Strumpf- und Sockenstricken, in den anderen Arbeitshäusern überwiegend durch Spinnen oder außerhalb durch verschiedene Tätigkeiten, z. B. Straßenkehren. Die Ernährung war in allen Anstalten einfach – eine warme Mahlzeit täglich aus Suppe, Brei, Hülsenfrüchten, Knödeln – und vor allem kaum ausreichend, entsprach aber etwa dem, was angesichts der schlechten Ernährungslage bis zum 19. Jahrhundert den städtischen Unterschichten zur Verfügung stand. Nahrungsentzug wurde als Strafmittel eingesetzt. Immer wieder wird von Missständen berichtet. So waren 1775 im Grazer Arbeitshaus 85% der Insassen krank: „Aus der einstigen Vorzeigeanstalt der österreichischen Erblande war ein überfülltes, schlecht versorgtes Straflager geworden.“ (s. 134) Die gesundheitlichen Verhältnisse im Zuchthaus waren ungenügend: 1785 wurde anlässlich einer Visitation befunden, dass „alle Arrestanten, deren die meisten ganz gesund und kräftig in dem Schlossberg eingetroffen, sehr schwach und von ungesunder Farb“ seien (S. 161). 1792 waren 14% krank und weitere 14% galten als „marod“. Auch in den übrigen Anstalten waren die sanitären Verhältnisse schlecht und die Behandlung oft so brutal, dass daraus gesundheitliche Langzeitschäden bei den Betroffenen folgten. Das 1777 gegründete und 1811 ins Schloss übersiedelte Linzer Zucht- und Strafhaus wird – allerdings erst nach diesem Umzug – von Besuchern als Besserungsanstalt, „durch welche es gelingen kann, den Verirrten zu seiner Pflicht zurück zu führen“ positiv beurteilt (Alfred Stefan Weiß, S. 225). Der Besucher Joseph August Schultes fährt 1818 fort: „Die übrigen ähnlichen Anstalten, die ich bisher hier und da kennen lernte, würde ich in meiner Sprache, statt Correctionshäuser oder Besserungsanstalten, Depravationshäuser oder Verschlechterungs-Anstalten nennen.“ Immerhin mussten in den meisten Anstalten auch Kinder arbeiten.

 

Insgesamt blieb das Ideal der Zeit bezüglich solcher Zwangsarbeits- und Strafhäuser „ein nicht realisierbarer Traum“ (S. 237).

 

Anschau                                                                                                         Eva Lacour