Schwarz, Jörg, Das europäische Mittelalter I. Grundstrukturen - Völkerwanderung - Frankenreich, Das europäische Mittelalter II. Herrschaftsbildungen und Reiche 900-1500 (= Grundkurs Geschichte). Kohlhammer, Stuttgart 2006. 136, 236 S., 9 , 17 Kart., 14, 22 Abb. Besprochen von Alois Gerlich.
In der sogenannten guten alten Zeit hatte man für eine Nachsuche über Personen, Daten und Fakten den Ploetz zur Hand. Er gerät derzeit außer Kurs, weil er angeblich oft Begriffe bringe, die nicht mehr als inhaltlich bekannt vorausgesetzt werden könnten. Michael Erbe spricht zudem mit Recht von Studienanfängern, die nur ein rudimentäres Wissen über die älteren Epochen haben. An diese richtet sich der von ihm herausgegebene Grundkurs, aber auch an die vor dem Abschlussexamen Stehenden. Er weist auch auf den geflissentlich importierten Bachelor of Arts, der derzeit von den um die Bildungspolitik Besorgten gehegt wird. Da ist eine Einführung neuer Art notwendig. Es war, um dies vorweg zu sagen, eine gute Fügung, für die beiden Mittealterteile Jörg Schwarz zu gewinnen, der mehrjährige Erfahrungen gesammelt hat.
Jörg Schwarz führt die Benutzer des Werkes im ersten Teil in nach Kapiteln geordneten Themenbereiche ein, skizziert Grundstrukturen, schildert die Völkerwanderung in sorgsamen Umrissen der großen ethnischen Einheiten und widmet einen Abschnitt dem Frankenreich von den Merowingern bis zum Zerfall 911. Im zweiten Teil größeren Umfangs schildert er das römisch-deutsche Reich von 919 bis 1493, England von den Angelsachsen bis zum Vorabend des Hundertjährigen Krieges, um fortzufahren mit der Hinwendung zur Geschichte Frankreichs vom Westfrankenreich bis zum Ende des Krieges 1453. Eigenes Gewicht hat die Behandlung Burgunds. Dann folgen die Königreiche Ostmitteleuropas, die Herrschaftsgebilde der Normannen und ein Abschnitt über Italien, die Umschau wird fortgesetzt mit Skandinavien, den Kreuzfahrerstaaten, Byzanz und Russland.
In der Gesamtwürdigung sind hervorzuheben: die klaren Definitionen von Sachverhalten, die verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Interpretationen von Dokumenten besonderen Ranges, die Auswahl wichtiger Stellen in erzählenden Quellen und aus der Kanonistik wie gelegentlich auch der Philosophie. Den besonderen Reiz dieser beiden Teile bietet die Gegenüberstellung des Textes mit Quellen und Abbildungen. Die Karten benennen Landschaften und Städte ohne sich in einer Überzahl zu verlieren. Stammbäume sind optisch einfach gehalten, weil auf in dynastischen Konstellationen nebensächliche Angehörige verzichtet wird. Da bleibt zum Ende der Wunsch, das Werk möge dazu beitragen, dass das Mittelalter wieder in der Gesellschaft bekannter und bewusster werde als eine der großen Epochen unserer Geschichte, mehr als dies Medien, historische Schauspiele mit angeblich authentischer Kostümierung und ähnliche Veranstaltungen können, so wohlgemeint sie auch sein mögen.
Wiesbaden Alois
Gerlich