Schlottau, Ralf, Deutsche Kolonialrechtspflege (= Rechtshistorische Reihe 349). Lang, Frankfurt am Main 2007. 466 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Jörn Eckert betreute, von Hans Hattenhauer und Werner Schubert begutachtete Dissertation des Verfassers. Sie stellt Artikel 6 der Menschenrechtserklärung vom 26. August 1789 voran. Zudem fühlt sie sich von Goethes „denn indem wir die Irrtümer unserer Vorfahren einsehen lernen, so hat uns die Zeit schon wieder neue Irrtümer erzeugt, die uns unbemerkt umstricken“, bestens vertreten.

 

Ihr geht es darum, mit der deutschen Kolonialrechtspflege einen Aspekt des in den ehemaligen deutschen Schutzgebieten seit 1884 geltenden Rechts zu untersuchen. Neben dem Strafrecht geht es dabei vor allem um Zusammenhänge der Gerichtsverfassung und des Strafverfahrensrechts. Dieses bisher nicht erschöpfend bearbeitete Thema soll rechtshistorisch aufgearbeitet und aus heutigem Verständnis heraus neu bewertet werden.

 

Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Zunächst beschreibt der Verfasser die deutschen Schutzgebiete (Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea und Südsee-Inselgebiet, Samoa, Kiautschou) und auf einigen Seiten das dort geltende Recht der afrikanischen Eingeborenen, der Südseevölker und das chinesische Recht. Sehr ausführlich behandelt er dann die deutsche Kolonialrechtspflege mit ihrem theoretischen Fundament, dem Dualismus zwischen Recht der Weißen und der ihnen Gleichgestellten bzw. der Eingeborenen und der ihnen Gleichgestellten, den Rechtsetzungsbefugnissen, der Gerichtsbarkeit, dem Strafrecht und dem Strafprozessrecht sowie der Ungleichbehandlung, einigen Justizskandalen und dem Verhältnis zwischen Reichsstrafrecht und Kolonialstrafrecht, um danach kurz auf Kolonialschuld und Kolonialschuldlüge bzw. das Kolonialrecht Englands, Frankreichs und der Niederlande einzugehen.

 

Im Ergebnis sieht er die dreißig Jahre währende deutsche Kolonialexpansion gekennzeichnet durch unbestrittene Leistungen einerseits und deutliche Untaten andererseits im Rahmen eines diskriminierenden Sonderrechts der indigenen Bevölkerung. Überzeugend ordnet er das deutsche Kolonialstrafrecht als ausgeübte Strafmacht ein, in deren Händen die Zahl der verhängten Todesurteile die Zahl der im Reich vollzogenen Todesurteile regelmäßig deutlich überstieg und die Prügelstrafe zu neuer Blüte erwuchs, obgleich auch hier zeitlich und persönlich Unterschiede feststellbar sind. Zu Recht weist er besonders darauf hin, dass das verspätete deutsche Kolonialreich – bewusst oder unbewusst – wesentliche Grundlagen seines Kolonialrechts von erfahreneren Kolonialmächten übernahm.

 

Insgesamt nimmt das rechtsstaatlich-soziale Strafrecht des zweiten deutschen Kaiserreichs die Schutzgebiete erkennbar aus. Ein umfangreicher Anhang mit Zeittafel, Kartenteil, Verzeichnis der leitenden Kolonialbeamten, Rechtsquellen und Kriminalstatistiken rundet das gelungene Werk ab. Sein Quellen- und Literaturverzeichnis ermöglicht darüber hinaus die eigenständige Vertiefung der zumindest örtlich etwas abgelegeneren Fragen.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler