Schennach, Martin P., Jagdrecht, Wilderei und ,gute Policey’. Normen und ihre Durchsetzung im frühneuzeitlichen Tirol (= Studien zu Policey und Policeywissenschaft). Klostermann, Frankfurt am Main 2007. VII, 341 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Verfasser dieser Innsbrucker Dissertation ist den Lesern
dieser Zeitschrift bereits bekannt. Zuletzt hat er Härter, Karl, Policey
und Strafjustiz in Kurmainz. Gesetzgebung, Normdurchsetzung und Sozialkontrolle
im frühneuzeitlichen Territorialstaat auf eigenen Wunsch und sehr engagiert
besprochen. Nun ist die aus einer ursprünglichen akademischen
Qualifikationsarbeit hervorgegangene Untersuchung in den von Michael Stolleis
und Karl Härter herausgegebenen Studien mit Unterstützung des
Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Wien veröffentlicht.
Die Arbeit selbst gliedert sich in eine Einführung, drei Sachabschnitte und
Schlussbetrachtungen. Beigefügt ist eine Edition achter Quellentexte. Ein
umfangreiches Literaturverzeichnis weist die verwertete Literatur nach.
Zu Recht betont der Verfasser eingangs, dass die Geschichte der
frühneuzeitlichen Gesetzgebung in Österreich bisher ungenügend erforscht ist,
was auch für Tirol gilt. Danach beschreibt er den regionalen und überregionalen
Forschungsstand. Nach ausführlicher Erörterung entscheidet er sich für die
Zuordnung der Jagdgesetzgebung zum Bereich der guten Policey.
Bei der anschließend gestellten Frage wem gebührt die Jagd weist er auf die
Stellung zwischen landesfürstlichem Regalitätsanspruch und bäuerlichem
Gewohnheitsrecht hin. Dementsprechend ist die Rechtslage im Ergebnis ziemlich
komplex. Beispielsweise wurde im Jahr 1700 die rege Jagd der bäuerlichen
Bevölkerung regelmäßig mit dem Hinweis auf das vermeintliche alte Recht
legitimiert.
Von hier aus geht der Verfasser auf die Jagd- und Wildereigesetzgebung als
den normativen Rahmen über und versucht dabei als erstes eine Klärung des
frühneuzeitlichen Gesetzesbegriffs, weil man die Bezeichnung Gesetz im 16.
Jahrhundert weitgehend vergeblich suchen werde. Im Ergebnis schließt er sich
Josef Pauser an, nach dem Schriftlichkeit, autoritative Satzung und
generell-abstrakter Charakter entscheidend sind. Als Materien dieser nicht
leicht erkennbar systematisch aufgelisteten Gesetzgebung erfasst er
Hundehaltung, Zaunerrichtung und Wilderei einschließlich des Büchsentragens des
gemeinen Mannes.
Danach vertieft er die Wilderei zwischen Verbrechen und Strafe. Dabei
untersucht er Zuständigkeiten (Forstmeister, Regierung, Landesfürst, Gerichte,
lokale Obrigkeiten), das Verfahren und die Strafen, wobei er einleuchtend
darauf hinweist, dass sich zwar die Strafdrohungen für Wildbretschützen im
Verlauf des 16. Jahrhunderts erkennbar verschärften, dass die tatsächlich
verhängten Strafen aber annähernd gleich blieben. Verhängt wurden bei Ersttätern
Gefängnisstrafen von Tagen bis Wochen und Geldstrafen zwischen zehn und zwanzig
Gulden.
In seiner Schlussbetrachtung bejaht er Herrschaft als differenzierten
dynamischen Kommunikationsprozess in den Bereichen Jagdrecht und Wilderei mit
Einschränkungen. Darum habe sich die Regierung von vornherein auf das
Herbeiführen einer gütlichen Einigung verlegt, ohne dass dieses Bemühen im 16.
Jahrhundert von substanziellen Erfolgen gekrönt gewesen sei. Eine endgültige
Verifikation seiner These, wonach die Konzeption von Herrschaft als
Kommunikationsprozess im jagdrechtlichen Bereich auf Grenzen stoße, könne
allerdings erst nach Heranziehung einer Untersuchung einer anderen
Verwaltungsmaterie geliefert werden, wie sie noch ausstehe.
Innsbruck Gerhard Köbler