Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer Tagung, die am 2. und 3. Juni 2005 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf stattfand. Das thematische Spektrum der Beiträge von Johannes Laudage, Knut Görich, Theo Kölzer, Werner Rösener, Jens Ullrich, Alheydis Plassmann, Barbara Haupt, Yvonne Leiverkus, Jan Ulrich Keupp, Gerhard Lubich und Thomas Zotz umfasst das gesamte Spektrum höfischer Kultur und des Rittertums in der Stauferzeit. Der Leser erfährt hier das Wesentliche über das höfische Leben in der Stauferzeit, über die Ausrüstung staufischer Ritter oder über Barbarossa als Feldherr. Für einen Rechtshistoriker, der sich unter dem Aspekt der Entstehung öffentlichen Strafrechts mit der Stauferzeit befasst hat, sind insbesondere zwei Beiträge, nämlich Die Ehre des Reichs (Knut Görich) und Rittertum und Rationalismus. Friedrich Barbarossa als Feldherr (Johannes Laudage) von Interesse. Beide zeigen nicht nur die Voraussetzungen für ein geordnetes höfisches Leben und die Konfliktbewältigung auf, sondern bieten auch dem Rechtshistoriker interessante Ansatzpunkte für das Verständnis rechtlich relevanten Handelns in der Stauferzeit.
Der Schwerpunkt von Görichs Beitrag liegt auf dem Begriff honor, den Görich mit Ehre deutet. Er knüpft damit nicht nur an seine Monographie Die Ehre Friedrich Barbarossas (Düsseldorf 2001) an, sondern hebt sich – im Einklang mit der gleichlautenden Interpretation durch Dieter von der Nahmer –von anderen Deutungen ab, die honor beispielsweise mit Recht gleichgestellt haben (S. 39ff.). Es ist allerdings nicht unproblematisch, das Verhalten Friedrich Barbarossas nur auf den Begriff Ehre zu fokussieren. Die Gefahr liegt nahe, dass monokausale Erklärungsansätze gesucht werden. Dass die Diskussion unter Historikern seit den neunziger Jahren um der Frage der Ehre kreist, ist – wie Görich selbst einräumt (S. 49f.) – ein Beispiel gegenwartsabhängiger Konjunkturen historischer Fragestellungen (vor denen auch die Rechtsgeschichte nicht gefeit ist). Allerdings lassen sich die von Görich herangezogenen Quellen wie beispielsweise die Gesta Frederici Ottos von Freising und Rahewins durchaus so verstehen, dass die Ehre des Reiches ein zentrales Element im Verhalten Friedrich Barbarossas darstellte. Görich legt zudem anhand von neun Themenkomplexen dar, dass sich mit diesem Ansatz das komplexe politische Handeln Barbarossas verständlich machen lässt (S. 50ff.). Einer dieser Themenkomplexe ist Ehre und Recht (S. 57ff.). Hier hebt Görich völlig zutreffend hervor, dass sich in der rechtshistorischen Forschung das Verständnis des Rechts im 12. Jahrhundert in den letzten Jahren deutlich gewandelt hat. Die moderne Rechtswirklichkeit wird nicht mehr auf das 12. Jahrhundert projiziert, vielmehr wird die Rechtswirklichkeit des 12. Jahrhunderts erkundet. Nun ist das gewiss kein Verdienst der Schwerpunktlegung auf den Begriff Ehre durch die Historiker, vielmehr hat sich die rechtshistorische Forschung unabhängig davon von der Modernisierung mittelalterlicher Rechtswirklichkeit abgewendet, wie dies beispielsweise in dem von der DFG geförderten interdisziplinären Projekt „Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts“ zum Ausdruck kam. Allerdings ist einzuräumen, dass das neue rechtshistorische Verständnis von der Rechtswirklichkeit des 12. Jahrhunderts sehr gut mit der honor-Diskussion vereinbaren lässt. Die Ehre ist sicherlich einer der ganz wesentlichen Faktoren, die bei Gerichtsverhandlungen und der Durchsetzung von Recht im höfischen Raum eine grundlegende Rolle gespielt haben. Ob es sich um den ausschlaggebenden Faktor handelt, muss die weitere Forschung erweisen.
Laudage geht es in seinem Beitrag Rittertum und Rationalismus – Friedrich Barbarossa als Feldherr weniger um rechtliche Aspekte von Barbarossas Handeln als darum, im Verhalten des Kaisers das Bemühen nachzuweisen, Organisation, Planung, Disziplin und Normierung durchzusetzen. Allerdings ist Laudages Beitrag auch für die rechtshistorische Forschung ertragreich, denn anhand von Beispielen aus den ersten beiden Italienfeldzügen Barbarossas erläutert Laudage das Bemühen des Stauferkaisers um Organisation und Disziplin. Beides spielte nicht nur eine Rolle im Umgang mit Mailand und seinen Verbündeten, den Hauptgegnern des Kaisers, sondern auch für das kaiserliche Heer. Wer sich mit der disziplinarischen Strenge und der klar gegliederten Organisation der römischen Legionen in der frühen Kaiserzeit befasst hat, dem wird aus Laudages Beitrag ersichtlich, vor welchen Schwierigkeiten Friedrich Barbarossa im 12. Jahrhundert stand. Das Heer Barbarossas – im Vergleich zu den römischen Legionen ein bunter Haufen - spiegelte die gesellschaftlichen Zustände im Heiligen Römischen Reich wieder, hier wie dort galt es, Regeln zur Lösung von Konflikten bereit zu halten. Als das kaiserliche Heer sich 1158 am Beginn des zweiten Italienzuges in Roncaglia traf, erließ Barbarossa eine Heeresordnung, deren Ziel es war, für die Disziplin in dem nicht gerade homogenen Heereszug zu sorgen (S. 300). Von dieser Heeresordnung berichtete Rahewin in der Gesta Frederici. Da Rahewin nicht nur den Begriff treuga verwendete, sondern auch darauf hinwies, dass die anwesenden Bischöfe versprachen, die violatores pacis zu bestrafen, handelte es sich bei dieser Heeresordnung, wie Elmar Wadle nachgewiesen hat, um einen Heeresfrieden.[1] Dieser Heeresfrieden war Teil der mittelalterlichen Friedensbewegung, in der vor allem Barbarossa sehr aktiv war. Im Unterschied zu den Reichlandfrieden entsprang der Heeresfrieden aber aus der besonderen Situation, in der sich der Kaiser mit seinem Heer während des Feldzuges gegen Mailand befand, zugleich ist er ein Beleg für die Vielschichtigkeit mittelalterlicher Gesellschaften, die sich kaum oder überhaupt nicht unter moderne Begrifflichkeiten fassen lassen. Insoweit knüpft Laudage an den Beitrag Görichs an. Die zeitgenössischen Quellen jedenfalls – hier insbesondere die Gesta Frederici – stellen eindrucksvoll dar, dass es Friedrich Barbarossa auf seinem zweiten Italienzug gelang, mit seinem bunt zusammengewürfelten Heer eindrucksvolle Siege gegen Mailand und seine Verbündeten zu erringen. Laudage stellt fest, dass dem Kaiser eine militärische Okkupation der besetzten Städte und ihres Umlandes nicht möglich war und der Besiegte nach Abzug des Kaisers sein Umland wieder in Besitz nehmen konnte (S. 298). Auch um diese erneute Inbesitznahme zu erschweren, ließ Barbarossa das Umland Mailands verwüsten, nachdem die Mailänder einen ersten Frieden vom September 1158 gebrochen hatten.[2]
Insgesamt stellt der Band Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit eine auch für den Rechtshistoriker gewinnbringende Lektüre dar.
Berlin Klaus Richter