Polgar, Katalin, Das Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands (1820-1879) und seine Richterpersönlichkeiten. Lang, Frankfurt am Main 2006. 332 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Jörn Eckert angeregte und nach dessen Tod von Rudolf Meyer-Pritzl betreute Dissertation der von 2003 bis 2005 als Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsche und europäische Rechtsgeschichte, bürgerliches Recht und Handelsrecht der Universität Kiel tätigen Verfasserin. Sie sieht mit Karl August Förster, dass, was gewesen, nicht wiederkehrt. Da aber, wenn es leuchtend niederging, es lange noch zurückleuchtet, will sie überprüfen, wie leuchtend das Oberappellationsgericht für die freien Städte Lübeck, Hamburg, Bremen und Frankfurt am Main in der Hansestadt Lübeck war und wie leuchtend es niederging.

 

Gegliedert ist die Arbeit in sechs Teile. Dahinter steht im Wesentlichen die ohne Weiteres einsichtige chronologische Ordnung. Sie zerfällt in die Teile Gründung und weitere Entwicklung. Das Leuchten beim Auflösen erscheint dabei eher ziemlich untergeordnet.

 

Zu Recht weist die Verfasserin besonders darauf hin, dass die Entstehungsgeschichte des Gerichts schon mehrfach bearbeitet wurde. Deswegen erfolgt die Darstellung der Gründung unter Bezugnahme vor allem auf die vorliegende Literatur. Daneben werden aber auch bisher nicht bearbeitete Quellen berücksichtigt.

 

Der Gründungsgeschichte folgt die Darlegung der Gerichtsverfassung, wobei die Verfasserin zutreffend mit den Auswirkungen auf die bisherigen Gerichtsverfassungen der Hansestädte beginnt. Dem schließt sie die Besetzung (Präsident, Räte, Sekretär, Kanzlisten, Prokuratoren), (örtliche und sachliche) Zuständigkeit und das Verfahren des Oberappellationsgerichts an. Besonders behandelt sie dabei das Oberappellationsgericht als Austrägalgericht nach den Artikeln 18 bis 24 der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes und als Kompromissgericht.

 

Eher kurz muss die weitere Entwicklung des Gerichts untersucht werden, weil eigentlich nur zwei äußere Vorgänge zu berücksichtigen sind. Zum einen ändert Lübeck gegen Ende des deutschen Bundes seine Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, sein Strafgesetzbuch und seine Gerichtsverfassung. Zum anderen scheidet Frankfurt am Main 1866 nach seinem politischen Ende als selbständige Einheit aus dem Gerichtsverbund notwendigerweise aus.

 

Dagegen führt die Bildung des deutschen Reiches unter Otto von Bismarck zu keiner unmittelbaren Veränderung. Vielmehr bleibt die uneinheitliche Gerichtsverfassung des Reichs bis zu den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 bestehen. Erst mit ihnen endet dann auch die Tätigkeit des Oberappellationsgerichts.

 

Außerhalb dieser chronologischen Ordnung steht das besondere Kapitel über die Richter und den Mitbegründer des Gerichts und deren Bedeutung. Er betrifft Johann Smidt (1773-1857), die Präsidenten Georg Arnold Heise (1820-1850), Carl Georg von Wächter (1851-1852), Johann Friedrich Kierulff (1853-1879) sowie die Räte Johann Friedrich Hach, Burkhard Wilhelm Pfeiffer, Gottfried Samuel Müller, Friedrich Cropp, Arnold Lüder, Albrecht Schweppe, Carl Gruner, Christian Overbeck, Georg du Roi, Ignatz Goll, Georg Oppenheimer, Ernst Laspeyres, Ludwig Wiederhold, Gottlob Wunderlich und 10 weitere Räte mit den unterschiedlichsten Beweggründen.

 

Insgesamt sieht die Verfasserin die Geschichte des Oberappellationsgerichts als eine Erfolgsgeschichte an. Nicht zuletzt war es doch eine Art von gemeinsamer deutscher Einrichtung im Deutschen Bund, die zeigen konnte, dass eine deutsche Einheit nicht in jeder Hinsicht grundsätzlich ausgeschlossen war. Dementsprechend wurden seine Entscheidungen und Stellungnahmen auch im allgemeineren Rahmen durchaus beachtet, sein Wirken anerkannt und sein Ende jedenfalls in den betroffenen Städten ungeachtet der Vorteile einer modern organisierten gesamtdeutschen Gerichtsbarkeit durchaus bedauert.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler