Piekenbrock, Andreas, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung.
Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf
(= Jus Privatum 102). Mohr (Siebeck), Tübingen 2006. XLVI, 567 S. Besprochen
von Gerhard Köbler.
„Meine
Zeit steht in deinen Händen“ stellt der 1967 geborene, 1998 mit einer
Untersuchung über den italienischen Zivilprozess im europäischen Umfeld
hervorgetretene und danach als Rechtsanwalt tätige Verfasser seiner von Rolf
Stürner betreuten, berufsbegleitend gewonnenen Habilitationsschrift voraus.
Zwar verfolgt er die Bibel kaum über die Einführung hinaus, doch stellt er
naturgemäß auf die grundlegende Gegebenheit ab, dass das Sein des Menschen in
der Zeit verläuft. Daraus haben Menschen seit langem die Folgerung gezogen,
dass die Rechte des Einzelnen durch den Ablauf von Zeit zwar nicht logisch
verändert werden müssen, aber doch vernünftigerweise praktisch verändert werden
können, was in Deutschland im Wesentlichen durch die Verjährung von Ansprüchen,
die Befristung von Rechten, die Ersitzung von Rechten und die Verwirkung von
Rechten geschieht.
Dem
Verfasser geht es nicht in erster Linie um eine geschichtliche Arbeit über
diese zivilrechtlichen Denkfiguren. Sein Ziel ist vorwiegend
rechtstheoretischer Art bzw. nach Ausweis des Untertitels rechtsvergleichend.
Auf dem Weg zu neuen Erkenntnissen will er aber von einem gesicherten
geschichtlichen Fundament ausgehen, weswegen er ausführlich die
dogmengeschichtlichen Wurzeln der ihn interessierenden Einrichtungen behandelt.
Gegliedert
ist die Untersuchung in eine Einleitung und drei Teile mit abschließender
Zusammenfassung. Davon enthält die Einleitung eine besondere
Begriffsbestimmung. In ihr wird zunächst der Rechtsbegriff erklärt und die
Beschränkung der Untersuchung auf subjektive Rechte erläutert, danach der
maßgebliche Zeitbegriff vorgestellt und schließlich die Kausalität des
Zeitablaufs für die Rechtsänderung dargetan, woran sich ein Überblick über
Ziel, Methode und Gang der Rechtsgeschichte anschließt, in dem der Verfasser
auch zu Ziel und Umfang der Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung besonders
Stellung bezieht.
Im
ersten Teil untersucht der Verfasser die empirischen Grundlagen. Hierfür legt
er die dogmengeschichtlichen Wurzeln der usucapio,
der longi temporis praescriptio, der actiones temporales und der aus der vetustas erwachsenden praescriptio immemorialis im römischen
Recht frei und verfolgt kurz Verjährung und Verschweigung sowie spätere
markante Entwicklungen. Gesondert wird die Entstehung der verhältnismäßig
jungen Verwirkung erörtert.
Neben
diese dogmengeschichtliche Wurzeln stellt der Verfasser sonstige
Teilrechtsgebiete. Bei diesen berücksichtigt er nacheinander Prozessrecht,
Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Abgabenrecht, Sozialrecht und
Staatshaftungsrecht. Den Beschluss bildet das allgemeine Verwaltungsrecht.
Im
zweiten Teil wendet er sich der Analyse zu. Sein Ziel ist eine neue
Systematisierung. Deswegen klärt er den Begriff der Änderung von Rechten, legt
die maßgeblichen Interessen offen und bildet dann für Befristung, Verjährung,
Verschweigung und Verwirkung auf der Grundlage des bisherigen Sprachgebrauchs
eine neue Terminologie.
In
der Durchführung befasst er sich im Einzelnen mit den Rechtsfolgen, wobei er
auch kollisionsrechtliche Aspekte einbezieht. Seine Ergebnisse fasst er auf
rund zehn Seiten zusammen. Den 24 Seiten des eingangs gebotenen
Abkürzungsverzeichnisses stellt die eingehende Untersuchung, welche die
begründete Notwendigkeit einer stringenten interessengeleiteten
Neusystematisierung durch behutsame Fortentwicklung erreichen will, am Ende ein
umfängliches Literaturverzeichnis, ein beeindruckendes Entscheidungsregister
sowie ein Sach- und Personenregister gegenüber.
Innsbruck Gerhard
Köbler