Minzenmay, Stefanie, Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17.
und 18. Jahrhunderts. Mauke, Hamburg 2003. XXXVI, 198 S. Besprochen von Gerhard
Köbler.
Die kleinformatig gedruckte schmale Arbeit ist die von Heinz Holzhauer angeregte, im Wintersemester 2002/2003 in Münster angenommene Dissertation der Verfasserin. Sie behandelt eine interessante Thematik. Der Titel betrifft aber eigentlich nur den zweiten Teil der dreiteiligen Untersuchung.
Die Verfasserin beginnt nach einer kurzen Einleitung, in der sie ohne Nachweis darauf hinweist, dass der Begriff der Geschäftsfähigkeit erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Gesetz in die Rechtssprache eingeführt wurde, mit dem nach ihrer Überzeugung gleichwohl in die zeitlich früher liegende Naturrechtsepoche projizierbaren Begriff bzw. Institut der Geschäftsfähigkeit de lege lata. Hier wendet sie sich dann als erstes doch den sprachhistorischen Aspekten zu, wobei sie unter Berufung auf einen Aufsatz Alfred Pernices von 1880 in Erinnerung rufen will, dass das Substantiv Geschäft letztlich über die Übersetzung und den Begriffsinhalt des in den lateinischen, systematischen Abhandlungen verwandten Wortes actus in den deutschen juristischen Sprachgebrauch gelangt sei. Der von ihr zitierte Kluge ordnet die Entstehung von Geschäft genauer dem 12. Jahrhundert zu. Unter Berufung auf Ogris und das Handwörterbuch zur Rechtsgeschichte weist die Verfasserin dann für die Entstehung des Wortes Geschäftsfähigkeit auf das preußische Gesetz über die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger vom 12. Juli 1875 hin.
Danach stellt sie die Gesetzessystematik des Bürgerlichen Gesetzbuches dar. Sie weist die Tatbestände der Geschäftsunfähigkeit aus und erklärt die rechtstechnischen Funktionen der Geschäftsfähigkeit. Am Ende geht sie kurz auf die intentionalen Aspekte der Geschäftsfähigkeitsregelung ein.
Der zweite Teil befasst sich mit den Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts. Zutreffend beginnt sie damit, dass das Naturrecht den Rechtsstoff unter Anwendung der Grundsätze des mos geometricus zu systematisieren versucht habe und dass dabei insbesondere allgemeine Lehren angestrebt worden seien. In diesem Zusammenhang behandelt sie die Lehre vom Rechtsgeschäft als wirklich allgemeine Lehre des Zivilrechts und die Lehre von der Willenserklärung bei Grotius, Pufendorf, Wolff, Darjes und Nettelbladt.
Nach ihren Erkenntnissen hat Hugo Grotius den Gebrauch der Vernunft als Voraussetzung eines verbindlichen Versprechens herausgearbeitet. Nettelbladt und andere haben die Geschäftsfähigkeit unter die Vorschriften über Willenserklärungen zugeordnet (!). Beides basiere auf der naturrechtlichen Erkenntnis, dass es sich bei der Geschäftsfähigkeit um eine allein in der Person des Rechtssubjekts begründete Eigenschaft handele, welche zwingend erforderlich sei, um das rechtswirksame Vorliegen eines Versprechens bzw. einer Willenserklärung bejahen zu können, was mit Pufendorf, Wolff, Darjes, Hoepfner, Jakob, Zeiller, Bauer und Droste-Hülshoff belegt wird.
Auf dieser Grundlage wendet die Verfasserin sich anschließend der Geschäftsfähigkeit in den naturrechtlichen Kodifikationen zu. Die bedeutenden Gesetzeswerke des ausgehenden 18. bzw. beginnenden 19. Jahrhunderts seien eine Symbiose aus Vernunftrecht, Zweckmäßigkeitserwägungen, Landesbrauch bzw. Landesrecht und gemeinem, römischem Recht gewesen. Aufgrund der erheblichen naturrechtlichen Prägungen der Kodifikationoen würden Allgemeines Landrecht von 1794, Code Napoléon von 1804 und Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1811 ausgewählt.
Nach dem Allgemeinen Landrecht gehörte zu den Erfordernissen rechtsgültiger Willenserklärungen das Vermögen, mit Vernunft und Überlegung zu handeln, das zu den persönlichen Fähigkeiten gerechnet wurde. Der Code civil setzt in Art. 1108 für die Gültigkeit eines schuldrechtlichen Vertrags die capacité de contracter voraus. Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch wurde die Problematik hauptsächlich bei der väterlichen Gewalt (§ 152) geordnet.
Eine Zusammenfassung fehlt. Das Quellenverzeichnis ist auf das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Allgemeine Landrecht nach der Ausgabe Hans Hattenhauers von 1970, den Code Napoléon in der Übersetzung durch Daniels, das preußische Gesetz über Geschäftsfähigkeit und die (älteren) Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch beschränkt. Vielleicht wäre bei klarerem Durchblick die wichtige Frage doch noch besser zu bearbeiten und auch einsichtiger darzustellen gewesen.
Innsbruck Gerhard
Köbler