Metz, Bernhard, Rechtsethische Prinzipien des nachehelichen Unterhalts. Eine Kritik an der nachwirkenden ehelichen Solidarität. Lang, Frankfurt am Main 2005. 258 S. Besprochen von Arne Duncker.

 

Die vorliegende Arbeit zum Unterhaltsrecht soll - wie Metz schon im Titel betont - nicht auf eine bloße „Darstellung“ oder ergebnisoffene „Analyse“ des nachehelichen Unterhaltsrechts beschränkt bleiben, sondern eine „Kritik“ der nachwirkenden ehelichen Solidarität aus rechtsethischer Sicht beinhalten. Bereits in seiner Einleitung (S. 16) äußert Metz die Erwartung, „dass die aktuellen Vorschriften zum nachehelichen Unterhaltsrecht mit den zugrunde liegenden rechtsethischen Prinzipien nicht in Einklang zu bringen“ seien. Dem entspricht der im letzten Satz der Arbeit geäußerte „dringende Appell“ an den Gesetzgeber, „nicht nur das geltende Recht des nachehelichen Unterhalts auf einen rechtsethisch gerechtfertigten Rahmen zurückzuführen, sondern darüber hinaus auf eine Behebung der Gleichberechtigungsmissstände in anderen gesellschaftlichen Bereichen hinzuwirken“ (S. 240).

 

Insgesamt umfasst die Untersuchung Kapitel zur rechtshistorischen Betrachtung des nachehelichen Unterhaltsrechts (S. 19-70), zur Entwicklung des geltenden deutschen Rechts seit 1976 (S. 71-101), zur Rechtsvergleichung im europäischen Rahmen und unter ergänzender Berücksichtigung der USA und Kanadas (S. 103-115), zur „sozialtatsächlichen Situation“ im Unterhaltsrecht (S. 117-163) sowie zur rechtsethischen Rechtfertigung des nachehelichen Unterhalts (S. 165-236).

 

Die vorliegende rechtshistorische Rezension der Arbeit soll im Wesentlichen auf deren rechtshistorische Abschnitte (insbesondere S. 19-70) und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen Bezug nehmen.

 

Metz beginnt mit einer kurzen Darstellung der deutschen Rechtslage vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (S. 19-29). Hier wäre es wünschenswert gewesen, den inhaltlich weiterführenden, aber sehr kurzen Abschnitt über die „rechtliche Ausgestaltung des Unterhaltsrechts“ (einerseits Scheidungsstrafen nach dem in Deutschland leicht überwiegenden Recht, andererseits Bedarfsunterhalt nach französisch/badischem und sächsischem Recht, S. 22f.) zu vertiefen. Die anschließende soziologische Betrachtung über Industrialisierung und Familienrecht (S. 24-29) erfolgt unter starkem Bezug auf die Sekundärliteratur der 1970er Jahre. Aus diesem Grunde ist sie (mit fragwürdiger Argumentation zur „Unschädlichkeit“ dieser Beschränkung, S. 24) auf die Bezüge zum preußischen Allgemeinen Landrecht zentriert, kann nicht die regional unterschiedlichen juristischen Lösungsansätze berücksichtigen und löst sich auch kaum von den Vorgaben der Sekundärliteratur, um eigene Thesen zu entwickeln. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass mit der grundlegenden Fragestellung der Arbeit nach einer rechtsethisch angemessenen Gestaltung des nachehelichen Unterhalts ein für die rechtshistorische Forschung neuer Blickwinkel erschlossen wird, die Arbeit insoweit durchaus wertvoll und innovativ ist, und das Thema in einer nur am Rande rechtshistorischen Untersuchung sicherlich nicht voll ausgeschöpft werden kann.

 

Im weiteren Verlauf folgt eine Untersuchung zum Unterhaltsrecht des BGB von 1896 (S. 29-44), wobei die Hintergründe zum Ehebild sowie der Stellung der Geschlechter im BGB unter Bezug auf die Motive und die ältere Sekundärliteratur erläutert werden (S. 29-32). Hier ist wiederum der Abschnitt zur „rechtlichen Ausgestaltung des Unterhaltsrechts“ (S. 32-38) zentral. Der Gesetzgeber folgte grundsätzlich dem auf Bedürftigkeit abstellenden Modell des französischen und sächsischen Rechts. Hierzu argumentierten die Motive zum BGB nicht nur mit der „Billigkeit gegen den unschuldigen Ehegatten“, sondern explizit auch mit dem „öffentliche[n] Interesse, Scheidungen tunlichst zu vermeiden und im Falle der Scheidung eine Vermehrung der öffentlichen Armenlast nach Möglichkeit zu vermeiden“ (vgl. S. 32f.). Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen gem. §§ 1578, 1579 BGB (1896) gehörten a) das alleinige Verschulden des Verpflichteten, b) die Bedürftigkeit des Berechtigten (wobei im Falle eines bedürftigen Mannes deutlich strengere Kriterien galten als im Falle einer bedürftigen Frau), c) die Leistungsfähigkeit. Rechtsfolge war die Gewährung standesgemäßen Unterhalts in Form einer Geldrente. Ergänzend werden kurz die Reformbemühungen zur Zeit der Weimarer Republik sowie die Judikatur des Reichsgerichts angesprochen (S. 41-43).

 

Hierauf folgt eine Darstellung zum Unterhaltsrecht des Ehegesetzes von 1938 (S. 44-57) sowie des vom alliierten Kontrollrat veranlassten Ehegesetzes von 1946 (S. 57-66). Das EheG 1938 habe nur teilweise auf nationalsozialistischem Gedankengut aufgebaut, in anderen Punkten aber an Reformbemühungen der Weimarer Zeit angeknüpft (S. 49). Aufgrund einer spezifisch bevölkerungspolitischen Indienststellung des neuen Eherechts wurde die Scheidung kinderloser oder zerrütteter Ehen erleichtert. Mit §§ 66-80 EheG 1938 erhielt das nacheheliche Unterhaltsrecht erstmals ein eigenes Kapitel. Statt „standesgemäßem Unterhalt“ war der „nach den Lebensverhältnissen angemessene Unterhalt“ zu leisten. Gem. § 66 EheG wurde die Arbeitspflicht der geschiedenen Ehefrau ausgeweitet, wobei im Schrifttum Streit über das Ausmaß dieser Ausweitung bestand (S. 56f.). Die Verknüpfung von Unterhaltsanspruch und Verschulden wurde leicht abgemildert, aber grundsätzlich beibehalten (S. 50 f.). In der zeitgenössischen Diskussion wurde die Gefahr erkannt, eine zu sehr erleichterte Scheidung wirke sich wirtschaftlich zu Lasten der Frauen aus. Der Konservatismus eines Teiles der Richterschaft (S. 55) aber habe diesem Effekt entgegengewirkt.

 

Im EheG 1946 erfuhr das Unterhaltsrecht nur wenig Änderungen. § 58 EheG 1946 löste § 66 EheG 1938 ab, trotz einer leicht veränderten Formulierung des Gesetzes ging die herrschende Meinung weiterhin davon aus, die geschiedene Ehefrau (Anspruch nach § 58 I) treffe eine auf zumutbare Tätigkeiten begrenzte Erwerbsobliegenheit. Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehemanns (§ 58 II) beschränkte sich auf einen Notunterhalt. Unter der Einwirkung von Art. 3 II GG wurde aus Gründen der Gleichberechtigung diese Ungleichbehandlung unhaltbar (vgl. Schilderung der Lösungsansätze auf S. 60-62).

 

In der Zusammenfassung zum rechtshistorischen Teil (S. 66-70) wird das Eherecht im Kontext der sozialgeschichtlichen Entwicklung interpretiert. Hierbei wird ein enger Zusammenhang zwischen zunehmender Frauenerwerbstätigkeit und fortschreitender Gleichberechtigung der Geschlechter postuliert. Zugleich sei ein stetiger Anstieg der Scheidungszahlen feststellbar. Obwohl man im BGB von 1896 die „Scheidungsstrafen“ aufgegeben habe (welche, wie sich anmerken lässt, eine durchaus ähnliche Funktion erfüllten wie der 1957 eingeführte Zugewinnausgleich im heutigen Recht), sei der Unterhalt mit dem Schuldspruch im Scheidungsurteil verknüpft geblieben, auch noch im EheG von 1946.

 

Im weiteren Verlauf der Arbeit werden gelegentlich rechtshistorische Ergebnisse wieder aufgegriffen, namentlich in der Untersuchung unterschiedlicher Konzepte zur „rechtsethischen Rechtfertigung des nachehelichen Unterhalts“ (vgl. S. 168f. zur Auswertung der BGB-Motive). Insgesamt dient die rechtshistorische Darstellung in der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen einer sozialhistorischen Beweisführung, wonach trotz einer lange festgeschriebenen rechtlichen Geschlechtsrollenverteilung sowohl der Grad der Gleichberechtigung von Frauen als auch der Frauenerwerbstätigkeit kontinuierlich angestiegen seien (S. 237f.) und im Übrigen außer dem Vertrauensschutzprinzip alle weiteren Rechtfertigungsansätze nicht geeignet seien, nacheheliche Unterhaltsansprüche überzeugend zu begründen. In der Eherechtsreform von 1976 habe man sich rechtspolitisch so sehr auf die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation geschiedener Frauen konzentriert, dass das deutsche Unterhaltsrecht unverhältnismäßig ausgeufert sei und auf einen rechtsethisch gerechtfertigten Rahmen zurückgeführt werden müsse (S. 239f.).

 

Leider ist das Fehlen eines Personen- und Sachregisters sowie eines Abkürzungsverzeichnisses zu bemängeln.

 

Eine Beurteilung der Arbeit aus rechtshistorischer Sicht kann und soll sich nicht auf die zulässige, aber umstrittene Hauptthese des Autors erstrecken, sondern allein auf seine rechtsgeschichtlichen Ergebnisse beschränken. Der rechtshistorische Teil ist - insbesondere hinsichtlich der Entwicklungen vor 1938 - mit Ausnahme des recht gut dargestellten Zusammenhangs von Scheidungsgründen und Unterhalt weitgehend deskriptiv, hinsichtlich der Sekundärliteratur übernimmt er die Ergebnisse der älteren Sozialwissenschaft und bildet hinsichtlich des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wenig eigenständige Positionen. Die sozialwissenschaftliche Orientierung ist zumindest zum Teil methodisch bedingt, da Rechtsentwicklung hier als Teil der Sozialgeschichte dargestellt wird. Fruchtbar für zukünftige rechtshistorische Forschungen ist freilich, dass Metz Fragen an das Unterhaltsrecht stellt, welche die weitere Untersuchung lohnen: aus welcher Motivation und welchem „rechtsethischen“ Grund regelte der historische Gesetzgeber das nacheheliche Unterhaltsrecht in der jeweils vorfindbaren Form? Werden durch die jeweilige Gestaltung typischerweise eher die Frauen oder die Männer begünstigt, und wie sähe eine beiden Geschlechtern gerechte Gestaltung aus? Welche weiteren Motive der Gesetzgeber spielen eine Rolle, wie z. B. die Bevölkerungspolitik im PrALR von 1794 und EheG 1938 oder die Schonung öffentlicher Sozialkassen wie in den BGB-Motiven? Eine Untersuchung namentlich der im 19. Jahrhundert vertretenen Konzepte - Scheidungsstrafen bzw. Bedarfsunterhalt - anhand dieser Fragen erscheint lohnend und könnte - evtl. ausgehend von Buengner (Zur Theorie und Praxis der Alimentationspflicht mit Berücksichtigung particulärer Rechte, 1879) in Angriff genommen werden.

 

Hannover                                                                                                         Arne Duncker