Liebs, Detlef, Vor den Richtern Roms. Berühmte Prozesse der Antike. Beck, München 2007. 253 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Wer juristische Tagesnachrichten verfolgt, kann rasch feststellen, dass am häufigsten Verfahren und ihre Entscheidungen das Interesse der Menschen erregen. Naturgemäß übertreffen sie in ihrer Zahl die Normen. Das Sollen ist trotz zunehmender Verrechtlichung des menschlichen Lebens praktisch kleiner als die unüberschaubare bunte Welt des menschlichen Seins, auf welches das Sollen Anwendung findet.
Unter den zahllosen Prozessen der Menschen untereinander haben einzelne schon immer hervorgeragt. Deswegen hat es nicht nur seit Beginn der Schriftlichkeit Aufzeichnungen über Normen und Geschäfte, sondern auch über Rechtsstreitigkeiten gegeben, unter denen die Schilderungen berühmter Prozesse besondere Aufmerksamkeit gefunden haben. So haben etwa Leonhard Burckhardt und Jürgen von Ungern-Sternberg Große Prozesse im antiken Athen zusammengestellt, hat Marie Sagenschneider 50 Klassiker-Prozesse von der Antike bis heute beschrieben, hat sich George A. Löning mit Totschlag aus Kiel und anderen Rechtsfällen aus dreieinhalb Jahrhunderten befasst oder hat Bernhard Diestelkamp denkwürdige Prozesse vor dem Reichskammergericht behandelt, von zahlreichen speziellen Untersuchungen von Hexenprozessen und anderen Streitverfahren ganz abgesehen.
Detlev Liebs hat seiner Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg zum 550. Jahrestag ihrer Gründung am 21. September 2007 eine Sammlung gewidmet, die aus einer eigenen Vorlesung über bahnbrechende Prozesse im römischen Reich hervorgegangen ist. Die Auswahl erfolgte unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung für die Rechtsentwicklung in der römischen Antike und darüber hinaus. Das Ergebnis hat er nunmehr unter dem Umschlagbild des Ecce homo Antonio Ciseris (1880) der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.
Insgesamt sind 16 Prozesse erfasst, die mit der Tötung der einen gefallenen Feind betrauernden Schwester der Horatier in der römischen Frühzeit zwischen 670 vor Christi Geburt und dem 5. Jahrhundert beginnen und mit der Hinrichtung von Ketzern vor Kaiser Maximus 386 n. Christi Geburt enden. Im Mittelpunkt steht unter der Überschrift Vorsorglich gekreuzigt der Prozess Jesu vom 7. April 30 n. Chr. An diesen und allen anderen ausgewählten Beispielen zeigt Detlef Liebs einem breiteren Publikum vorbildlich den Beitrag der Gerichtspraxis zur Fortbildung des römischen Rechts und darüber hinaus, so dass ein lebendiges Bild des Rechts in Rom entsteht, dessen Vorstellungen und Lösungen noch die heutige Gegenwart bereichern.
Innsbruck Gerhard Köbler