Lehmann, Jens, Die Ehefrau und ihr Vermögen. Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung zum Ehegüterrecht um 1900. Böhlau, Köln 2006. XXII, 336 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die vorliegende Dissertation Jens Lehmanns ist im Rahmen eines DFG-Projekts an der Universität Hannover über Reformforderungen zum Familienrecht und zur Rechtsstellung der Frau um 1900 entstanden. Das Hauptaugenmerk des Werkes liegt auf den zahlreichen Reformforderungen und Stellungnahmen zum Ehegüterrecht, wobei die Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung einen besonderen Platz einnehmen. Schwerpunktmäßig sollte geklärt werden, „welchen Stellenwert die wirtschaftliche Absicherung der Frau beim Umgang mit den verschiedenen Vorschlägen hatte und inwieweit dieser Aspekt überhaupt in das Bewusstsein der Kritiker gelangt ist“ (S. 5), wobei auch die Thematik der Hausfrauenentlohnung mit berücksichtigt wird. Lehmann stellt zunächst die in Deutschland vor dem Inkrafttreten des BGB geltenden Güterrechte dar (S. 7ff.). Nach einem knappen Abschnitt über den Entstehungsprozess des BGB (S. 56ff.) erläutert Lehmann das gesetzliche und vertragliche Güterrecht des BGB, ohne dabei auf die Entstehung der Normen näher einzugehen. Dies ist auch gerechtfertigt, da sich das Güterrecht des 1. BGB-Entwurfs mit dem des BGB bereits im Wesentlichen deckt. Der zweite Teil des Werkes behandelt zunächst die Reformforderungen der Frauenbewegung zum ehelichen Güterrecht (S. 95-143). Es folgt ein Abschnitt über die Beratungen dieser Rechtsmaterie im Plenum des Reichstags (S. 145ff.). Der weitere größere Abschnitt befasst sich mit der Kritik am Ehegüterrecht bis zum Inkrafttreten des BGB. Behandelt werden hier die Vorschläge bzw. Kritiken Otto Gierkes (für die Gütergemeinschaft mit umfassendem Mundium des Ehemannes), Otto Bährs (für die Errungenschaftsgemeinschaft, d. h. für Beteiligung der Frau am Eheerwerb), Friedrich Mommsens, Ludwig Mitteis’, Richard Schröders (Billigung der Verwaltungsgemeinschaft des Entwurfs mit Stärkung der Befugnisse des Mannes), Carl Bullings und Hermann Jastrows (trotz eher frauenfeindlicher Einstellung für Vermögensausgleich bei einer Ehescheidung) sowie von weiteren, heute weniger bekannten Juristen. Erst am Schluss geht Lehmann auf die Konzeption Plancks in seinem Vorentwurf zum Familienrecht (1880) ein. Hierbei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass der Vorschlag Plancks, die Verwaltungsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand vorzusehen, bereits 1877 von der 1. BGB-Kommission gebilligt worden war (vgl. Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Familienrecht I, 1987, S. 366ff.). Nach Lehmann reichte für Planck der geschichtliche Aspekt aus, die Gütertrennung zurückzuweisen. Es sei jedoch nicht eindeutig festzustellen, ob Planck nicht insgeheim doch mehr Sympathien für das System der Gütertrennung empfunden habe, als er habe eingestehen wollen (S. 280). Dies ist gut möglich, da Planck aus dem ehemaligen Königreich Hannover kam, in dem für fast 1,5 Millionen Einwohner die Gütertrennung des römischen Dotalrechts galt. Noch in seinem Vortrag vor dem Göttinger Frauenverein (1899) lieferte Planck nach Lehmann „bessere Gründe für, als gegen die Gütertrennung“ (S. 294).

 

Die Frauenbewegung sah dagegen das System der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung des Familienvermögens als „ungerecht“ (S. 100), „demütigend“ (S. 104) und als „Quelle endloser Missstände“ an, „die zersetzend auf das Glück der Familie einwirken“ (S. 109). Eine Petition des 1894 gegründeten Bundes Deutscher Frauenvereine von 1895/96 forderte die Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand, die Anerkennung der Hausarbeit als „geldwerte Leistung“ (S. 102) sowie bei Ehescheidung aus Alleinverschulden des Mannes die Teilung seines Einkommens, ohne dass hinsichtlich der beiden letzten Forderungen konkrete Regelungen vorgeschlagen wurden. Gütertrennung forderten ferner Sarah Proelß/Marie Raschke und der Rechtsschutzverein für Frauen in Dresden. Eine Sonderstellung unter den Frauenrechtlerinnen nimmt die Schweizerin Emilie Kempin ein (S. 135ff.), die sich 1894 für eine laufende Erwerbsbeteiligung, 1895 für eine solche verbunden mit Gütertrennung und 1897 für eine nachträgliche Errungenschaftsbeteiligung der Frau einsetzte, ein System, das der heutigen Zugewinngemeinschaft so nahe kam, dass man nach Lehmann Kempin als die Erste bezeichnen könne, welche „die Zugewinngemeinschaft in ihren grundlegenden Zügen als gesetzlichen Güterstand forderte“ (S. 136). 1896 stellte sie die englische Güterrechtsreform von 1870/82, welche die Gütertrennung eingeführt hatte, als vorbildlich heraus (S. 131ff.). Insgesamt versuchte Kempin im Gegensatz zur deutschen bürgerlichen Frauenbewegung für die Gegner der Gleichberechtigungsbestrebungen akzeptabel zu bleiben. Auf sie gingen die Anträge Pauli/v. Stumm-Halberg in der BGB-Reichstagskommission zurück (S. 151ff.), die jedoch hinsichtlich des Wunsches nach Einführung der Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand erfolglos blieben. Die Frauenbewegung, die sich Anfang/Mitte 1896 wiederholt in Petitionen an den Reichstag gewandt hatte (S. 143f.), sprach insoweit von einer „Niederlage“ (S. 132), ein Begriff, der jedoch nach Einschätzung heutiger Autoren zu relativieren ist (vgl. S. 144, Fn. 716). Angesichts der breiten Billigung der Verwaltungsgemeinschaft konnte die Frauenbewegung mit ihrer Kampagne erst zu einer Zeit, als die Arbeiten an der Kodifikation so gut wie abgeschlossen waren, kaum mehr mit der Berücksichtigung ihrer Forderungen rechnen. Mit Recht hat Planck 1899 auf die aus der Sicht der Frau deutliche Verbesserung ihrer Rechtsstellung im gesetzlichen Güterrecht insbesondere gegenüber dem preußischen Recht hingewiesen, so dass man insgesamt von einem Kompromiss zwischen einem individualistischen und einem patriarchalischen Ehemodell sprechen kann (vgl. S. 294, 296). – Das Werk wird abgeschlossen mit einem Überblick über die Reformforderungen und Beurteilungen des ehelichen Güterrechts nach Inkrafttreten des BGB (S. 294ff.). Die Basis des Güterrechts sollte Gütertrennung mit jeweils eigener Verwaltung des Vermögens sein (Marianne Weber, Käthe Schirmacher, Anna Mackenroth). Weber und Mackenroth befassten sich wie bereits Kempin 1897 mit Fragen einer Beteiligung der Ehefrau am Erwerb des Mannes (Teilung der Errungenschaft) und kamen damit der modernen Zugewinngemeinschaft schon sehr nahe, ohne dass eine „völlige Deckungsgleichheit“ erreicht wurde (S. 320; zu der vom Verfasser nicht mehr berücksichtigten Weimarer Reformdiskussion W. Schubert, Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts, 1986, S. 92 ff.).

 

Mit seinen Untersuchungen hat Lehmann erstmals in voller Breite eine der zentralen Forderungen der bürgerlichen Frauenvereine hinsichtlich des Bürgerlichen Gesetzbuchs erschlossen. Nicht völlig überzeugend ist die Gliederung des Werkes. So ist nicht ganz einsichtig, weshalb der am Anfang der Kodifikationsgeschichte stehende Teilentwurf Plancks (1880), der allerdings damals nicht der Öffentlichkeit vorlag, erst fast am Ende des Werkes dargestellt wird. Ferner ist nicht ganz verständlich, warum die Kritiker des Entwurfs (Gierke, Bähr usw.) erst nach den Beratungen des BGB im Reichstag behandelt werden. Auf die Biographie der Kritiker wird nicht durchgehend eingegangen (z. B. nicht auf Richard Schröder und Hermann Jastrow). Die güterrechtliche Entwicklung in England wird leider nur anhand der zeitgenössischen deutschen Literatur dargestellt; Hinweise auf die Beurteilung der englischen Reformen aus (heutiger) englischer Sicht fehlen. Auch ein Vergleich mit der Beurteilung des BGB-Güterrechts durch die französische Jurisprudenz wäre nicht ohne Interesse gewesen.

 

Insgesamt ist das Werk von Lehmann ein wichtiger Beitrag zur Gesetzgebungsgeschichte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts, in denen die Forderungen nach Gleichberechtigung von Mann und Frau im Familienrecht und – mit ihnen eng zusammenhängend – nach Berücksichtigung der sozialen Belange im Privatrecht sehr konkret geworden waren. Es stellt zugleich einen wichtigen Baustein zu der noch immer ausstehenden Gesamtgeschichte der gesetzgeberischen Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung in der Kaiserzeit dar.

 

Kiel

Werner Schubert