Jori, Alberto, Hermann Conring (1606-1681): Der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, mit Anhang „In Aristotelis laudem oratio prima“ (Originalfassung) und „De origine juris germanici“ (Auszüge). MVK Medien Verlag Köhler, Tübingen 2006. XIX, 215 S., Ill. Besprochen von Michael Stolleis.

 

Der in Tübingen lebende italienische Philosophiehistoriker, ein Spezialist für Aristoteles, hat den 400. Geburtstag Conrings genutzt, um ein umfassendes Lebensbild des Helmstedter Universalgelehrten vorzulegen. Er zeichnet die Stationen der Ausbildung und die ersten Veröffentlichungen nach, folgt seinem Helden von Leiden nach Helmstedt, beschreibt die Etablierung als Professor für Medizin und Politik, um dann besonders eingehend Conrings Buch „De origine iuris germanici“ (1643) zu würdigen. Ein letztes Kapitel widmet sich Conrings Beiträgen zum Reichsverfassungsrecht, zur Politikwissenschaft und seinen politischen Stellungnahmen zu Tagesfragen. Neue Ergebnisse kommen dabei zwar nicht ans Licht, aber das Buch bietet eine gerundete Synthese, die zwischen Biographie und Werkbeschreibung etwa die Mitte hält. Der Autor stellt Conring als großen Meister der Wissenschaft dar. Er analysiert ihn nicht kritisch, sondern betont in verehrender Haltung seine Leistungen. „Dank seines komplexen, leidenschaftlichen und zugleich pragmatischen Geistes“; so lesen wir, „verstand es Conring, es (das Barockzeitalter) nicht nur wunderbar zu interpretieren, sondern auch seine mächtigen Kräfte in höchst konstruktive Richtungen zu lenken“. Er sei „ein Mann, der es noch heute verdient, studiert und gehört zu werden“. Was Jori vor allem hervorhebt, und zwar mit Recht, ist Conrings Aristotelismus, welcher der Fülle des enzyklopädischen Wissens zwar noch einen Rahmen gibt, sich aber inhaltlich von einem dogmatischen Beharren auf den Positionen des Aristoteles frei gemacht hat. Conring versucht tatsächlich, seine früh aufgenommene und gefestigte philosophische Grundlage mit der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts, an der er selbst beteiligt war, in Harmonie zu bringen. Demgegenüber bleiben die Ausführungen Joris zu den medizinischen Arbeiten Conrings blass. Auch die vielfältigen Gutachten, die grundlegenden Arbeiten zur Diplomatik, die Beziehungen zu Johann Christian von Boineburg und die irenische Theologie Conrings werden nicht wirklich gewürdigt. Die immer noch ausstehende große und ausgewogene Biographie, die diesem komplexen Gegenstand angemessen wäre, ist es also nicht geworden, konnte es in solch kurzer Zeit auch nicht werden.

 

Der hier erhobene Anspruch ist bescheidener. Jori möchte ein auf das Wesentliche konzentriertes Porträt Conrings entwerfen, und zwar, wie er sagt, in einer „integrierenden und, sozusagen, organischen Perspektive“. Das kann man insgesamt als gelungen ansehen, auch wenn Politikwissenschaft und Aristotelismus stark im Vordergrund stehen. Ungewöhnlich, jedenfalls für Deutschland, sind die fleißig zusammengetragenen bio-bibliographischen Angaben zu jeder im Text auftauchenden Person des 17. Jahrhunderts. So besteht die Hälfte des Buchs aus einem inhaltsreichen, aber auch oft überladenen und unkritisch aufgefüllten Anmerkungsapparat. Ungeachtet dieses Reichtums an Nachweisen gibt es aber neuere Literatur nachzutragen, so die von Constantin Fasolt veranstaltete amerikanische Übersetzung (Discursus novus de imperatore Romano-Germanico, Arizona 2005), die von P. Herberger-Conring, A. v. Arnswaldt und P. Raabe gut kommentierte deutsche Übersetzung der Bibliotheksschrift (übersetzt und hg.v. Peter Mortzfeld, Göttingen 2005) sowie Fasolts Monographie zu Conring (The Limits of History, Chicago/London 2004). Das Buch kommt auch mit einer Grußadresse Kristian Kühls, einer lateinischen Widmung an Jan Schröder und barock überbordenden Danksagungen etwas kurios daher. Doch soll dies seinen Nutzen nicht verdecken, den man vor allem in der chronologischen, Leben und Werk Conrings parallel führenden Darstellung sowie in den sorgfältigen Nachweisen des älteren Forschungsstands sehen kann.

 

Frankfurt am Main                                                                                         Michael Stolleis