Humaniora Medizin – Recht –Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, hg. v. Kern, Bernd-Rüdiger/Wadle, Elmar/Schroeder, Klaus-Peter/Katzenmeier, Christian. Springer, Berlin 2006. XVI, 1233 S., Ill., graph. Darst. Besprochen von Urs Reber.
Adolf Laufs promovierte 1961 bei Hans Thieme und habilitierte sich 1968 an der Universität Freiburg im Breisgau. Von 1969 bis 2001 hatte er in Heidelberg den Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte, Deutsches Privatrecht und Bürgerliches Recht inne. Später wurde noch das Fach Medizinrecht hinzugefügt. Von 1984 bis 1988 wirkte er vorübergehend in Tübingen. Von 1978 bis 2000 war Adolf Laufs Mitherausgeber der ZRG. Als er 1969 im Rahmen eines von Karl Siegfried Bader veranstalteten Zürcher Ausspracheabends für Rechtsgeschichte einen Vortrag hielt, hatte der Schreibende Gelegenheit, ihn kennen zu lernen[1].
Zum Titel der Festschrift steht in einem Werbetext des Springer Verlags das folgende Zitat: „Womit beschäftigt sich die medizinische Wissenschaft? Ich verstehe ja natürlich nichts davon, aber sie beschäftigt sich doch mit dem Menschen. Und die Juristerei, die Gesetzgebung und Rechtsprechung? Auch mit dem Menschen. Und die Sprachforschung … die Theologie, die Seelsorge, das geistige Hirtenamt? Alle mit dem Menschen, es sind alles bloss Abschattierungen von ein und demselben … Interesse, nämlich dem Interesse am Menschen“. So lässt Thomas Mann seinen Hans Castorp im „Zauberberg“ die Humaniora konkretisieren. Dementsprechend umfasst die Festschrift die folgenden fünf Teile: Rechtsgeschichte (24 Beiträge), Recht und Kultur (4 Beiträge), Bürgerliches Recht (6 Beiträge), Medizinrecht (26 Beiträge) und Varia (2 Beiträge). Die nachfolgende Besprechung wird gemäß der Thematik einer Zeitschrift für Rechtsgeschichte die Bereiche Bürgerliches Recht und Medizinrecht ausklammern, wobei für Letzteres das erwähnte Zitat ebenfalls zutrifft: Der Rezensent versteht auch nichts von Medizin.
Der erste rechtsgeschichtliche Beitrag stammt von Ralph Backhaus. Er befasst sich mit Ethik und Recht in Ciceros de officiis. Es wird aufgezeigt, dass zwischen den Pflichten, die das ius civile einerseits und die philosophia andererseits dem Verkäufer auferlegen, ein Spannungsverhältnis besteht.
Arno
Buschmann befasst sich mit Johann Stephan Pütters (1725-1807) juristischer
Enzyklopädie und Methodologie und der Entstehung der geschichtlichen
Rechtswissenschaft. Noch dominiert das System, und die Geschichte ist
einstweilen nur Bestandteil, doch deutet sich bereits jene systematische und
methodische Verbindung beider an, die später von Hugo und Savigny zum
Grundprinzip der geschichtlichen Rechtswissenschaft erhoben wurde. Unter dem
Titel „Zwischen deliktischer Arzthaftung und Wetterzauber“ geht Andreas
Deutsch originellen medizinrechtlichen Fragestellungen in dem um 1436
entstandenen Klagspiegel des Schwäbisch Haller Stadtschreibers Conrad Heyden
nach. Als Quellen des Spiegels dienten neben dem corpus iuris auch einige zentrale Schriften der Glossatorenzeit. Bernhard
Diestelkamp berichtet über zwei Rechtsgutachten in Prozessen vor dem Hofgericht
des Königs im 14. Jahrhundert. In beiden Fällen hofften die Reichsstädte
(Mühlhausen und Metz) erfolglos, sich mit Hilfe rechtsgelehrter Argumente der
Jurisdiktion des Königs entziehen zu können. Zum falschen Arzt in Gegenwart und
Rechtsgeschichte schildert Christian Hattenhauer je ein Beispiel. Dabei
zeigt es sich, dass sich heutzutage an das Auftreten falscher Ärzte in der
Regel straf- oder arbeitsrechtliche Fragen knüpfen. Demgegenüber geht es im
Gutachten des Hohen Rats von Holland, Seeland und Friesland aus dem Jahr 1768
um familienrechtliche Fragen: Nichtigkeit einer Ehe zwischen einem falschen
Arzt und der von ihm geschwängerten Frau unter Beibehaltung der Ehelichkeit des
Kindes. Martin Heckel befasst sich in seinem Beitrag „Zelo domus Dei?“ eingehend mit der so
bezeichneten Bulle des Papstes Innozenz X. von 1650, einem völlig wirkungslosen
Protest gegen den Westfälischen Frieden. Robert Heuser liefert einen
Beitrag über Wang Boqi (1908-1961) als Verteidiger der republikchinesischen
Rechtsreform. In seinem Beitrag „Johann Caspar Bluntschli (1808-1881) und das internationale
Privatrecht“ äußert sich Erik Jayme zu einem Brief dieses bedeutenden
Gelehrten (Schöpfer des Privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich) an
den Fürsten Bibesco. Es ging um das Bürgerrecht von dessen ursprünglich
belgischer Ehefrau, die in erster Ehe mit dem französischen Fürsten de
Bauffremont verheiratet war. Es ergab sich daraus der klassische Fall zweier
hinkender Ehen: Die erste war in Frankreich noch wirksam, in Deutschland aber
aufgelöst, während die zweite in
Frankreich nichtig und in Deutschland wirksam war. Der Fall führte seinerzeit
zu vielen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen. Von frühen territorialen
Hofgerichtsordnungen handelt der Beitrag Bernd-Rüdiger Kerns.
Im nachfolgenden kurzen Teil „Recht und Kultur“ berichtet Christine Jung über die Justitia in Heidelberg, das Denkmal des Kurfürsten Carl Theodor und die Allegorie der Gerechtigkeit. Auf der 1786-1788 gebauten ersten Steinbrücke in Heidelberg erheben sich die weithin sichtbaren Silhouetten zweier Denkmäler: Neben demjenigen Carl Theodors, das der Brücke den Namen gab, steht das Minerva-Denkmal, auf dessen Sockel die Justitia dargestellt ist (im Text befinden sich dazu drei Abbildungen). Bettina Kern stellt Julius Mosen (1803-1867) als politischen Dichter vor. Mit „zwischen Hartz IV und Riesterrente: Beamtenpension und Rente in der schöngeistigen Literatur“ ist der Beitrag Michael Kilians überschrieben. Zum Schluss folgt das Resüme von Hermann Weber über Georg Heym (1887-1912) – Dichter des Expressionismus und Jurist wider Willen.
Nach den Teilen 3 bis 5 (S. 555-1204) folgen ein Verzeichnis der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Adolf Laufs, das die immense Schaffenskraft des Geehrten zum Ausdruck bringt, und das Autorenverzeichnis. Der Band ist für jeden an Medizin, Recht und Geschichte Interessierten eine Bereicherung.
Zürich Urs Reber