Hoffmann, Thomas, Der Landrechtsentwurf David Hilchens
von 1599 (= Rechtshistorische Reihe 345). Lang, Frankfurt am Main 2007. 304 S.
Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Klaus-Peter Schroeder und Christian
Hattenhauer betreute Dissertation des Verfassers. Ihr geht es um die einzige,
das gesamte Recht umfassende Quelle aus der Zeit der Herrschaft Polens über
Livland (1561-1629). Es handelt sich um das livländische Landrecht (Jus Livonicum Scriptum), das der
wendensche Landnotar und rigasche Syndikus David Hilchen im Auftrag des
polnischen Königs Sigismund III. für die livländische Ritterschaft in frühneuhochdeutscher Sprache verfasste und in
dem, nach den Worten Hoffmanns, von den auswärtigen Beziehungen über das
Privatrecht bis hin zur Gerichtsverfassung alle Aspekte menschlichen
Zusammenlebens einer deutschen Kolonie des ausgehenden 16. Jahrhunderts
behandelt werden.
Der Verfasser schildert in der kurzen Einleitung das Anliegen
seiner Untersuchung, den sehr beschränkten Stand der bisherigen Forschung und
die Quellenlage. Danach befinden sich die acht in der Gegenwart bekannten
Exemplare des nie in Kraft getretenen Entwurfs, dessen Urschrift nicht mehr
ausfindig gemacht werden konnte, im schwedischen Reichsarchiv in Stockholm, in
der Universitätsbibliothek und im estnischen Staatsarchiv in Tartu sowie im
lettischen Staatsarchiv und in der Universitätsbibliothek Lettlands in Riga,
die nach 1939 die Bestände der rigaschen ritterschaftlichen Bibliothek
übernahm. Die Quellen des Entwurfs liegen in der Gegenwart teils im Original,
teils in Abschriften und Drucken ebenfalls in den Staatsarchiven Estlands und
Lettlands, wertvolle Unterlagen auch in Marburg und Heidelberg.
Im Anschluss hieran bietet er einen Überblick über die
Rechtsentwicklung Livlands bis 1599. Er gliedert ihn in zwei Teile. Im ersten
Teil stellt er Livland vor 1201, die Entwicklung von der Kolonisierung bis
1561, das übrige öffentliche Recht (Gerichtsbarkeit, Stadtverfassung in Riga
und Reval, Landtage, Prozessrecht) und das geschriebene Recht
(waldemar-erichsches Recht, Sachsenspiegel, Bauernrechte, Stadtrechte von Riga
und Reval) dar, im zweiten Teil Livland nach dem Verlust der Unabhängigkeit,
wobei er die polnische Gesetzgebung durch Constitutiones
Livoniae und Ordinationes Livoniae
einbezieht.
Das Schwergewicht liegt auf dem dritten Teil, in dem er
zunächst David Hilchens Leben (als Kaufmannssohn in Riga am 9. November 1561
geboren, humanistische Domschule, 1580 Studium in Ingolstadt, 1582 Tübingen,
erbrechtliche Dissertation, 1584 Heidelberg, 1585 Doktorgrad, 1589
Stadtsyndikus in Riga, 1600 Flucht, 4. Juni 1610 in Horyszów gestorben) beschreibt,
die Entstehungsgeschichte des Entwurfs schildert und die Quellen benennt
(deutsche Ritterrechte, Constitutio
Criminalis Carolina, polnische Statuten, litauische Statuten, jus terrestre nobilitatis Prussiae und
römisches Recht). Danach legt er in gebotener Ausführlichkeit den Inhalt der
drei Bücher des Werkes (Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Privatrecht und
Strafrecht, Gerichtsverfassung und Verfahren) dar, wobei er für die beigegebenen
zeitgenössischen livländischen Rechte auch Endnoten verwendet. Zusammenfassend
wertet er den Entwurf als Synopse polnischer Livlandpolitik, als Spiegel des
damaligen livländischen Rechts und – zumindest fragwürdig – als Kodifikation
der Spätrenaissance.
Auf dieser Grundlage ediert er den Entwurf auf den Seiten 185
bis 282. Die Edition beginnt mit einem Vorwort an den König. Sie endet mit 3,
31, 13 (14): Wann in solcher sachen kein angeber verhanden undt der instigator
hette gewiße und unzweiffeliche urkünde, soll er mit vorwißen deß marschalcks,
auch ohne angeber, solche anklage erheben undt verfolgen.
Es folgt ein Verzeichnis der ungedruckten und gedruckten
Quellen. Dem schließen sich Sachregister, Personenregister und Ortsregister an.
Dem Verfasser gebührt Dank dafür, dass er einen nahezu vollständig abgetrennten
Faden der unergründlichen Geschichte mit großem Einsatz und schönem Erfolg
wieder aufgenommen hat, auch wenn er am Ende einräumt, dass die
Rechtsgeschichte Livlands nicht wesentlich anders verlaufen wäre, wenn Hilchen
seinen Entwurf nicht verfasst hätte.
Innsbruck Gerhard
Köbler