Heymann, Britta, Ernst Melsheimer (1897-1960). Eine
juristische Karriere in verschiedenen staatlichen Systemen (= Rechthistorische
Reihe 353). Lang, Frankfurt am Main 2007. 285 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Britta Heymann versucht in ihrer nach der Danksagung von
Christoph Meyer-Bohl angeregten und unterstützten, nach dem Vorwort von Jörn
Eckert angeregten und nach dessen Tod von Werner Schubert betreuten Kieler
Dissertation für einen einzelnen Fall eine Erklärung dafür, warum ein
bürgerlich ausgebildeter Jurist im Dienst verschiedener staatlicher Systeme
Karriere gemacht hat und gliedert dabei ihre zu großen Teilen auf ungedruckte
Quellen gestützte Untersuchung eigentlich in nur zwei Teile, an die sie ein
Résumé, Quellen und ein Personenverzeichnis anschließt. Die Titel beider Teile
ergänzen sich lediglich. Begonnen wird mit Ernst Melsheimer, abgeschlossen mit
dem beruflichen Werdegang (Ernst Melsheimers).
Ernst Karl Melsheimer wurde am 9. April 1897 in
Nieder-Neunkirchen an der Saar als Sohn eines Hüttendirektors der Stumm’schen
Eisenwerke (bzw. eines Hüttenbeamten bzw. eines Hüttenangestellten bzw. eines
Angestellten) und als Enkel eines Gutsbesitzers geboren. Nach Notabitur,
freiwilligem Kriegsdienst und erheblicher Verwundung begann er 1915 mit dem
Studium der Rechtswissenschaft in Marburg, das er nach dem Wechsel nach Bonn
1918 in Köln mit der ersten juristischen Staatsprüfung (gut) abschloss. Wenig
später promovierte er in Marburg mit einer Dissertation über Wahlschuld und
Wahlerklärung (gut).
Nach einem Lebenslauf vom 4. März 1950 hatte er sein erstes
politisches Erwachen in seinen letzten Studiensemestern in Bonn. Damals habe er
den vaterländischen Hilfsdienst abgelehnt und sozialistische Literatur
kennengelernt. Folgerungen habe er daraus aber nicht gezogen.
Vielmehr trat er in den juristischen Vorbereitungsdienst ein
und bestand auch die zweite juristische Staatsprüfung in Berlin 1921 mit gut.
Mögliche Pläne einer akademischen Karriere wurden nicht verwirklicht, vielmehr
Melsheimer auf Grund seiner besonders guten Prüfungsergebnisse als
Hilfsarbeiter in das Justizministerium aufgenommen. 1928 wurde er für einige
Zeit Mitglied der Sozialdemokratischen Partei.
1932 wurde er Oberjustizrat, 1933 trotz zweier ihn als Jude
und ausgesprochenen Sozialdemokraten bezeichnender Beschwerdebriefe (April
1933) unter rechtlicher Entfernung aus dem Ministerium de iure Landgerichtsdirektor in Berlin. Mitglied der
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei wurde er nicht, wohl aber des
nationalsozialistischen Rechtswahrerbunds. Die Verfasserin bezeichnet den 1940
zum Kammergerichtsrat ernannten Melsheimer als Opportunisten (S. 67).
Bereits am 16. Mai wurde er auf Befehl Nr. 121 des
Kommandanten Generaloberst Bersarin zum Oberstaatsanwalt des Bezirksgerichts
Friedenau bestellt. Er trat der am 11. Juni 1945 wiederbegründeten Kommunistischen
Partei noch im Juni (oder spätestens am 1. August 1945) bei, wobei allerdings
die Verfasserin eindeutige Beweise, dass er aus tiefstem Herzen Kommunist
wurde, nicht findet. Nach Gründung der deutschen zentralen Justizverwaltung zur
Leitung sämtlicher Staatsanwaltschaften, Gerichte und Justizorgane durch Befehl
(Nr. 17) der sowjetischen Militäradministration vom 27. Juli 1945 wurde er
unter dem Präsidenten Eugen Schiffer am 17. Oktober Leiter der Abteilung V
(Gesetzgebung), im April 1946 Vizepräsident (der deutschen Justizverwaltung).
Nach Errichtung der Deutschen Demokratischen Republik wurde
Melsheimer am 7. Dezember 1949 und damit einen Tag vor Errichtung der obersten
Staatsanwaltschaft durch die provisorische Volkskammer einstimmig zum ersten
Generalanwalt der DDR ernannt. Nach den Erkenntnissen der Verfasserin unterwarf
er sich (wahrscheinlich) dem System, verhielt sich bis zu seinem Tod am 12.
März 1960 stets loyal zum Regime und glänzte somit durch Konformität. Die
Gründe hierfür vermag die Verfasserin in ihrer interessanten und wichtigen,
aber letztlich doch einen ähnlich zwiespältigen Eindruck wie Melsheimer selbst
hinterlassenden Arbeit nicht wirklich zu ermitteln.
Innsbruck Gerhard
Köbler