Gramsch, Robert, Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts (= Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 17). Brill, Leiden 2003. XVI, 717 S., CD-ROM (Personenkatalog). Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das gewichtige Werk beginnt mit Tabellen und Tafeln. Es streut danach 26 Tabellen einigermaßen gleichmäßig verteilt in den Text ein. An Tafeln findet sich dagegen nur eine einzige zur geographischen Herkunft der Erfurter Studenten, womit zwei kleine Übersichtskarten ohne Ortsnamen gemeint sind.

 

Die Arbeit ist die im Wintersemester 2001/2002 von der philosophischen Fakultät der Universität Jena angenommene, für den Druck gekürzte Dissertation des Verfassers. Sie wurde von Helmut G. Walther betreut. Da es nach Einschätzung des Verfassers allein in Jena kaum möglich gewesen wäre, das Vorhaben so konzentriert und (relativ) rasch durchzuführen, verbrachte er zwischen 1997 und 2001 die meiste Zeit nicht allein den Spuren der Erfurter Juristen, sondern auch Amor folgend, in Rom am deutschen historischen Institut und führte auch die Veröffentlichung an einem zwar erlesenen, aber doch eher fernen Ort durch.

 

Gegliedert ist die Arbeit in a und b. A bietet den Text. Unter b sind Bibliographie und Anhänge zusammengefasst.

 

Das erste Kapitel des Textes dient der Einführung. Hier geht es in numerischer Gliederung um die Rezeption der gelehrten Juristen im Rahmen des bildungsgeschichtlichen, verfassungsgeschichtlichen und sozialgeschichtlichen Wandels im Deutschland des 15. Jahrhunderts, um die Prosopographie der Erfurter Juristen und um die Quellen der personengeschichtlichen Recherche. Im Vordergrund steht dabei die gedruckte Erfurter Universitätsmatrikel und hinsichtlich der Personengeschichte des deutschen Klerus das Repertorium Germanicum, das unter Amors Schwingen bearbeitet wird.

 

Im zweiten Kapitel behandelt der Verfasser Erfurt als Juristenuniversität. Hierfür ermittelt er als erstes die Zahl der Erfurter Juristen unter Aufschlüssen über ihre regionale und soziale Herkunft. Danach wendet er sich der Einbindung Erfurts in die europäische Hochschullandschaft und den Einflussgruppen an der Universität zu.

 

Das dritte Kapitel hat Karrierevorbereitung und Karrierebegleitung zum Gegenstand. Im Mittelpunkt steht das einer Vorbereitungsphase folgende Regelstudium. Ihm werden abweichende Studienformen ergänzend zur Seite gestellt.

 

Das vierte Kapitel betrifft die Pfründen der Erfurter Juristen. Hier weist der Verfasser nach sorgfältiger Erörterung methodischer Probleme den Weg zur Pfründe auf. Mittels einer Pfründenlandkarte macht er die Einflusszonen Erfurter Juristen deutlich.

 

Innerhalb der anschließend untersuchten Berufsbilder scheidet er drei Bereiche von einander. Kurialen und Konzilsteilnehmern stellt er Juristen im Fürsten- und Städtedienst gegenüber. Den Schluss bildet die geistliche Gerichtsbarkeit.

 

Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen. In Übereinstimmung mit der Literatur sieht der Verfasser die juristische Fakultät der 1392 eröffneten Universität Erfurt als die im 15. Jahrhundert nach Köln bedeutendste juristische Ausbildungsstätte im heiligen römischen Reich, obwohl auch er die Zahl der Rechtsstudenten zwischen 1392 und 1470 nur (auf etwa 2000 von knapp 21000 Immatrikulierten) schätzen kann (Köln 2900 von 18000). Ihnen stehen bis 1509 (in Köln 140 und) in Erfurt 70 Doktoren gegenüber, deren Biographien der Verfasser mit etwa 630 weiteren studentischen Biographien zur eigentlichen Grundlage seiner erfreulichen Untersuchung machen kann.

 

Die Personengeschichte des in Erfurt mit Selbstergänzung zufriedenen Lehrkörpers skizziert der Verfasser als Geschichte von Einflussgruppen. Seine eigene besondere Leistung sieht er gerade in dieser Netzwerkanalyse. Dabei weist er nach, dass bereits mit der Gründung der Universität die Existenz einiger Einflussgruppen von teilweise beachtlicher Langlebigkeit vorgezeichnet war.

 

Hinsichtlich der Promotionsorte der Dozenten ermittelt er drei zeitliche Abschnitte. Bis 1430 stehen sich acht Eigengewächse, acht an anderen deutschen Universitäten und vier an italienischen Universitäten ausgebildete Doktoren gegenüber. Dem folgt bis 1470 eine deutlich stärker von italienischen Absolventen bestimmte Phase, mit der die Glanzzeit der Fakultät zusammenfällt.

 

Im Gegensatz zu Schwinges betont der Verfasser die große Ausdehnung des Erfurter Einzugsbereiches mit Thüringen und Niedersachsen als Kernräumen. Nach seinen Darlegungen gibt es kein auffälliges Wachstum des Marktes für Juristen im 15. Jahrhundert. Seine drei Teilarbeitsmärkte erweisen sich ihm als von etwa gleichem Gewicht.

 

Hinsichtlich der Erfolgsbewertung kommt er am Ende auf seine Verflechtungsanalyse zurück. Nach seinen Erkenntnissen setzten sich im Wettbewerb um die knappen Stellen nicht von selbst die fachlich Besten durch, sondern die Bewerber mit den besten Verflechtungen zu den bereits Etablierten. Von daher hat er die einleuchtende Hoffnung, dass die höchst unübersichtliche Geschichte des 15. Jahrhunderts durch eine kontrollierte Einbeziehung der Biographien aller Handlungsträger besser verständlich gemacht werden kann.

 

Abgerundet wird die gut lesbar geschriebene, überzeugend begründende Arbeit durch eine Kreuzwerttabelle, ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Personenregister sowie ein Orts- und Sachwortregister zum Textteil. Auf einer CD-ROM sind die Daten der Erfurter Juristen im Spätmittelalter dokumentiert. Möge die gelungene Arbeit dazu führen, dass sich ihr möglichst viele weiterführende Untersuchungen zu anderen europäischen Universitäten anschließen.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler