Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die kürzere Glosse, hg. v. Kaufmann, Frank-Michael, 2 Bände (= Monumenta Germaniae Historica. Fontes iuris Germanici antiqui, Nova series 8). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2006. LXIV, 1-314, VIII, 315-717 S., 8 S. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die im Spätmittelalter geschaffene Glossierung des Sachsenspiegels hat eine lange und leidvolle wissenschaftliche Geschichte. In sie ist erst nach 1990 erfreuliche Bewegung geraten. Seit 1. Januar 1994 konnte an der sächsischen Akademie der Wissenschaften eine Arbeitsstelle Sachsenspiegelglosse der Monumenta Germaniae Historica eingerichtet werden, der es unter der Führung Rolf Lieberwirths und der Unterstützung Heiner Lücks durch Frank-Michael Kaufmann bereits 2002 gelang, die Buch’sche Glosse zum Sachsenspiegel Landrecht in drei modernen Teilbänden vorzulegen (vgl. ZRG GA 121 (2004), 641).
Seit 2003 wurde im Rahmen des 2002 aufgenommenen Vorhabens Editionen der jüngeren Sachsenspiegel-Glossen an der Edition der kürzeren Glosse zum Sachsenspiegel-Lehnrecht gearbeitet. Die vorliegende Ausgabe ist die erste Frucht dieses Bemühens. Allerdings wird sich die Frage, ob diese kürzere Glosse der älteste Kommentar zum Lehnrecht des Sachsenspiegels ist, nach Ansicht Rolf Lieberwirths erst nach dem Vorliegen weiterer Ausgaben der Lehnrechts-Glossen und den damit einhergehenden notwendigen kritischen Untersuchungen schlüssig beantworten lassen, was nach dem derzeitigen Plan spätestens 2022 der Fall sein soll.
Die Edition bietet auf der Grundlage zehner Handschriften (in Leipzig, Darmstadt, Jena, Celle, Dresden, Halle, München und Stuttgart) und des Augsburger Erstdrucks von 1516 den Text des Lehnrechts des Sachsenspiegels mit der kürzeren Glosse (Textklasse I der Sachsenspiegel-Lehnrechtsglossen). Sie umfasst alle drei Ordnungen der kürzeren Lehnrechtsglosse. Dabei wird die erste Ordnung repräsentiert durch die auf 1410 datierte Jenaer Handschrift und eine Münchener Schwesterhandschrift des vierten Viertels des 15. Jahrhunderts, die zweite Ordnung durch die Darmstädter Handschrift des zweiten Viertels des 15. Jahrhunderts.
Hinsichtlich des Verfassers entscheidet sich der Herausgeber nach Abwägung aller Argumente dafür, von einem unbekannten Autor auszugehen Vermutlich hat er um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Lehnrechtsglosse geschaffen. Ihm folgten später weitere, ebenfalls bislang unbekannte Bearbeiter.
Als Leithandschrift wählte der Herausgeber die Handschrift Leizig, Universitätsbibliothek Hs. 950 von 1431/1432 (drittälteste datierte Handschrift) als Vertreterin der dritten Ordnung oder vulgaten Fassung. Als Parallelhandschrift berücksichtigte er durchgehend die Handschrift Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek Hs. 3762. Unter dem Haupttext der Edition gibt er die Handschrift Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Ms. El. f. 57 wieder.
Der Abdruck erfolgt handschriftengetreu. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis und verschiedene Anhänge (z. B. Verzeichnis der gesasmten Überlieferung der Glossen zum Sachsenpiegel-Lehnrecht, Konkordanz, Synopse, Register) bereichern die Edition. Mit ihr gelangt ein wichtiges rechtsgeschichtliches Desiderat seiner Erfüllung ein weiteres gutes Stück näher.
Innsbruck Gerhard Köbler