Gläser, Sven Christian, Die Mediatisierung der Grafschaft Wertheim (= Rechtshistorische Reihe 336). Lang, Frankfurt am Main 2006. 260 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die sorgfältige Arbeit ist die ihre Entstehung vor allem der kollegialen Unterstützung und freundschaftlichen Hilfe Ulrich Hufelds, als dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter der Verfasser an der Andrássy Gyula Universität Budapest tätig war, verdankende, von Reinhard Mußgnug betreute Dissertation des Verfassers. Ihr geht es um den juristischen Kampf eines kleinen mediatisierten Reichsstandes gegen den ihn verschlingenden Staat. Im Mittelpunkt stehen dabei die für beide Beteiligten besonders bedeutsamen Rechte, nämlich niedere Gerichtsbarkeit und Polizei, Gesetzgebung sowie Abgaben- und Schuldenwesen.

 

Gegliedert ist die im Wesentlichen chronologisch aufgebaute Untersuchung außer in Einleitung und Schluss in fünf Abschnitte. Sie beginnt mit dem alten Reich und legt dabei zunächst die Geschichte der Grafschaft der seit 1132 schriftlich erwähnten Grafen von Wertheim bis 1803 dar. Dem schließt sich die Darlegung der Verhältnisse in der Grafschaft Wertheim (staatsrechtliche Stellung, rechtliche Struktur, Regierungs- und Verwaltungsstrukturen, Gesetzgebung und Rechtspflege, Lehnssystem), in der Markgrafschaft Baden und im Kurfürstentum Bayern jeweils vor 1803 an.

 

Obwohl eigentlich zum alten Reich gehörig wird für die Zeit vom Reichsdeputationshauptschluss des Jahres 1803 bis zum Ende des alten Reiches ein eigener Abschnitt gebildet. Durch § 14 des Reichsdeputationshauptschlusses verloren die im 16. Jahrhundert an die Grafschaft Wertheim gelangten Grafen von Löwenstein zwar linksrheinisch 510 Quadratkilometer Gebiet mit 23000 Einwohnern bzw. 170 Quadratkilometer Gebiet mit 2600 Einwohnern, gewannen aber immerhin rechtsrheinisch 310 Quadratkilometer mit 13000 Einwohnern bzw. 85 Quadratkilometer mit 3800 Einwohnern, wobei die Entschädigungsgebiete ausnahmslos reichsunmittelbar waren. Darüber hinaus versuchten die Grafen wie Bayern und Württemberg die Unterwerfung reichsritterschaftlichen Gebiets mit Gewalt, wenn auch ohne Erfolg.

 

Den Untergang des alten Reiches leitet der Verfasser mit den Bündnissen Badens und Bayerns mit Frankreich ein. Hieran schließt sich mittelbar die Gründung des Rheinbundes an, welche die Auflösung des alten Reiches zur Folge hat. Die Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 bringt Baden die Güter der Fürsten und Grafen von Löwenstein-Wertheim auf dem linken Mainufer. Am 5. August werden die löwensteinischen Gebiete besetzt, am 13. September 1806 wird der Besitz der auf der rechten Mainseite gelegenen Teile der Grafschaft Wertheim und weiterer löwensteinischer Gebiete an den Fürstprimas Dalberg übertragen, von dem er später an Bayern gelangt.

 

In der Folge versuchen die Löwensteiner ihre Rechtsstellung in zahlreichen Eingaben und Beschwerden zu verteidigen. Die dabei verwendeten Argumente ordnet der Verfasser übersichtlich nach den beiden Begünstigten und nach Sachgebieten (Allgemeines, Gerichtsbarkeit, Polizei und Gesetzgebung, Abgaben- und Schuldenwesen). Danach versucht er eine eigenständige Bewertung.

 

Im nächsten Abschnitt wendet er sich dem Wiener Kongress und seinen Folgen zu und hebt dabei besonders den vorangehenden Verein der Mediatisierten und die Restitutionsbestrebungen der Löwensteiner hervor. Angemessen geht er auf die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 ein und nimmt auch hier eine Bewertung vor. Im Deutschen Bund folgt dem die Wiener Schlussakte vom 15. Mai 1820.

 

Das Ringen um die standesherrlichen Verhältnisse hatte aber bereits kurz nach 1815 begonnen. Deswegen greift der Verfasser im letzten Zeithabschnitt (Vormärz) auf die 1818 einsetzenden Auseinandersetzungen mit Baden und Bayern zurück. Sie begründen aber nur eine bescheidene öffentlich-rechtliche Sonderstellung und nur geringe privatrechtliche Sonderrechte, so dass unter der Überschrift die Grafschaft unter bayerischer und badischer Oberhoheit der inhaltliche Schlusspunkt gesetzt werden kann.

 

Zutreffend gelangt der Verfasser so zu dem Ergebnis, dass zwar die Rheinbundakte den mediatisierten Reichsständen eine Zwischenstellung (Zwitterstellung) zwischen Landesherrn und Untertanen einräumte, dass aber die Deutsche Bundesakte ihnen nur noch eine privilegierte Untertanenstellung beließ, deren Entzug gegen Entschädigung dem Staat frei stand. Dementsprechend scheiterte der Kampf der Löwensteiner gegen die Mediatisierung und ihre Folgen im Ergebnis, wenn auch in Bayern weniger schnell als in Baden. 1848 hob Bayern die standesherrliche Gerichtsbarkeit auf, 1855 einigten sich die Löwensteiner mit Baden, so dass die einstige Herrschaftsstellung verschwunden war, und 1919 endete mit Artikel 109 II 2 EWRV der letzte Rest der Standesherrlichkeit auch in dem im Anhang durch eine kleine Karte veranschaulichten Gebiet.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler