Gerichtsbuch - Bírósági Könyv 1423-1531, hg. v. Házi, Jenő/Németh, János (= Quellen zur Geschichte der Stadt Ödenburg - Sopron város történeti forrásai Reihe A, 2). Győr-Moson-Sopron Megye Soproni Levéltára, Sopron 2005. 434 S. Besprochen von Thomas Stockinger.
Gedenkbuch - Feljegyzési Könyv 1492-1543, hg. v. Mollay, Károly/Goda, Károly (= Quellen zur Geschichte der Stadt Ödenburg - Sopron város történeti forrásai Reihe A, 3). Győr-Moson-Sopron Megye Soproni Levéltára, Sopron 2006. 292 S. Besprochen von Thomas Stockinger.
Stadtbücher in ihren diversen Gattungen und Typen zählen zu den frühesten und wichtigsten Formen der internen Schriftlichkeit spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Städte, deren Erforschung und erfreulicherweise auch Edition sich in den letzten Jahren wieder verstärkten Interesses erfreuen. Neben anderen Disziplinen sind sie auch für die Rechtsgeschichte äußerst wertvolle Quellen, sei es als Normensammlungen (Statuten- und Privilegienbücher) oder als fortlaufende Aufzeichnungen über Rechtsgeschäfte: Rats-, Gerichts-, Testamenten-, Grundbücher u. v. m.
Das Gerichtsbuch und das Gedenkbuch der Stadt Ödenburg/Sopron aus dem 15. und 16. Jahrhundert fallen in die letztere Kategorie. Das Gerichtsbuch verzeichnet die Entscheidungen und Tätigkeiten des Stadtgerichtes, auch in seiner Funktion als locus credibilis zur quasi-notariellen Beglaubigung von Dokumenten wie Zunftordnungen oder Priesterreversen. Das Gedenkbuch dokumentiert im Wesentlichen die Aktivitäten des Stadtrates, darunter gleichfalls viele Transaktionen unter Privatpersonen, die vom Rat durch Verzeichnung in seinem Buch beglaubigt wurden. Beide bieten eine Fülle von Informationen zur historischen Topographie der Stadt, zu wirtschafts- und sozial-, religions- und kulturgeschichtlichen Belangen, vor allem aber wertvolle Einblicke in das Rechts- und Verwaltungsleben der Stadtgemeinde über mehr als ein Jahrhundert.
Wie die Herausgeber festhalten (Gerichtsbuch S. 17), war in Ödenburg wie in den meisten Teilen Ungarns das „städtegründende Bürgertum“ ganz überwiegend deutschsprachig. Zwischen der institutionellen Entwicklung und der Schriftlichkeit westungarischer Städte wie Preßburg/Bratislava/Pozsony oder Ödenburg und jener von Wiener Neustadt und Wien, wo etwa zur gleichen Zeit mit der Anlage von Stadtbüchern begonnen wurde, sind Verwandtschaft und vielfältige Beeinflussungen gegeben (Gerichtsbuch S. 18–20; Gedenkbuch S. 12). Die Einträge in beiden Büchern sind zum größten Teil deutsch, in geringem Maße lateinisch und (im Falle der Unterschriften einiger Juden im Gedenkbuch) hebräisch. Umso erfreulicher ist für deutschsprachige Benutzer das höchst verdienstvolle Entgegenkommen der Herausgeber, die sich entschlossen haben, alle editorischen Texte, von den Regesten zu den einzelnen Stadtbuchartikeln über die Einleitungen bis zu den Registern (!), konsequent zweisprachig – deutsch und ungarisch – darzubieten.
Das Gerichtsbuch ist mit einer kurzen Darstellung der Quelle durch den Erstbearbeiter sowie einer rechtshistorischen und einer sprachgeschichtlichen Einleitung ausgestattet und durch ein Namen- und ein Sachregister erschlossen; ein Glossar erleichtert weiters die Benutzung. Die Einleitung zum Gedenkbuch bietet einen Abriss der Entwicklung der Ödenburger Stadtverwaltung; ein Namenregister erschließt den Inhalt, ein Sachregister fehlt leider.
Dass die Stadtbücher neben ihrem rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen Quellenwert von den Herausgebern auch als sprachgeschichtliche Dokumente geschätzt werden, zeigt sich in den Editionsgrundsätzen. In beiden Bänden ist man um ein hohes Maß an Vorlagentreue auch in jenen Bereichen bemüht, die weniger von inhaltlichem als von sprach- und schriftgeschichtlichem Interesse sind, etwa um die exakte Wiedergabe der Interpunktion, im Gedenkbuch auch der Majuskeln. Je nach Benutzungszweck wird dies nicht von allen Lesern gleichermaßen begrüßt werden, ist aber grundsätzlich als verdienstvolle Mühe zu werten. Die Nachbildung von Unterstreichungen und Durchstreichungen durch entsprechende Schriftformatierungen, wie im Gerichtsbuch praktiziert, ist dagegen zumindest als ungewöhnlich zu bezeichnen, der Nutzen nicht ohne weiteres ersichtlich.
In Summe handelt es sich um sorgfältige und mit großem Aufwand benutzerfreundlich gestaltete Arbeiten, die es verdienen, der Aufmerksamkeit auch der deutschsprachigen Leserschaft empfohlen zu werden, von der sie angesichts des Druckortes leicht übersehen werden können. Es ist zu hoffen, dass auch die in den Vorworten angekündigte Publikation der im Ödenburger Archiv verbleibenden Stadtbücher in dieser Form durchgeführt wird.
Wien Thomas Stockinger