Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste. Kontinuitäten und
Diskontinuitäten in den Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften zwischen
den 20er und 50er Jahren, hg. v. Acham, Karl/Nörr, Knut Wolfgang/Schefold,
Bertram. Steiner, Stuttgart 1998. 737 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung veröffentlichen
Knut Wolfgang Nörr, Bertram Schefold und Friederich Tenbruck 1994 einen
Sammelband über Geisteswissenschaften zwischen Kaiserreich und Republik mit
Beiträgen zur Entwicklung von Nationalökonomie, Rechtswissenschaft und
Sozialwissenschaft im 20. Jahrhundert. In ihm ging es vor allem um die großen
politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in den weder naturwissenschaftlich
noch rein formalwissenschaftlich betriebenen Disziplinen der Nationalökonomie,
Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft und ihren großen politischen und
gesellschaftlichen Veränderungen nach der Niederlage von 1918 und um die Herausarbeitung
von Parallelen und Unterschieden im Hinblick auf Entwicklungen vor dem ersten
Weltkrieg sowie auf Reaktionen in den einzelnen Disziplinen angesichts der
allgemeinen Wissenschaftsentwicklung und der speziellen außerwissenschaftlichen
Problemlagen.
Auf dieser Grundlage wurden in Wien zwischen dem 25. und 27.
Februar 1993 und in Frankfurt am Main zwischen dem 8. und 11. September 1994
Tagungen abgehalten, welche die drei Wissenschaftsdisziplinen unter dem
Gesichtspunkt der Kontinuitäten und Diskontinuitäten zueinander in Beziehung
setzten. Während dieser Zeit starb Friedrich Tenbruck, dem im Hinblick auf die
Operationalisierung dieses Projektthemas, vor allem im Blick auf seine
Anregungen für die sozialwissenschaftliche Fragestellung und Gestaltung der
Tagungen, eine unverzichtbare Rolle zukam, am 9. Februar 1994. Seine Rolle als
Herausgeber wurde Karl Acham übertragen.
Gegliedert ist der Band in fünf Teile. Sie betreffen
unterschiedliche Aspekte, die zwar ein buntes Bild geben, aber keine
einheitliches, in sich geschlossenes Gesamtbild schaffen können und wollen.
Grundsätzlich sind dabei einem Referat meist mehrere Kommentare angefügt.
Der erste Teil steht unter dem Thema die alte Methode und die
neue. Dabei behandelt Bertram Schefold den Nachklang der historischen Schule in
Deutschland zwischen dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Anfang der
sechziger Jahre und verfolgt Volker Kruse historische Soziologie als
„Geschichts- und Sozialphilosophie“, indem er Stellung zur Rezeption der
Weimarer Soziologie in den fünfziger Jahren bezieht. Joachim Rückert legt eine
Untersuchung zu Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der juristischen
Methodendiskussion nach 1945 vor.
Der zweite Teil behandelt unter dem Titel Herausbildung und
Auseinandersetzung im Widerstreit Fragen der Nationalökonomie und Soziologie.
Im dritten Teil geht es um Wechselwirkung und Koordination von Wirtschaft und
Staat, wobei von Knut Wolfgang Nörr der Begriff der Wirtschaftsverfassung im
ersten Jahrzwölft der Bonner Republik im Wechselbad der Interpretationen
dargestellt wird. Gegenstand des vierten Teils sind Praxis und Theorie von
Politik und Recht im Ländervergleich, wobei vor allem schweizerisches
Staatsrecht und österreichische Sozialpartnerschaft einbezogen sind.
Politische Krisen und Brüche in ihrer Wirkung auf die Wissenschaft
erörtert der fünfte Teil. Der Staatsrechtslehre widmet sich dabei Dian
Schefold, dem Naturrechtsdenken des 20. Jahrhunderts Kristian Kühl. Den
umfangreichen, vielseitigen Band eröffnet eine in die Beiträge umsichtig einleitende
Einführung, während ein Personenregister ihn und seinen Vorgänger gemeinsam
zumindest von den erfassten Personen her erschließt.
Innsbruck Gerhard
Köbler