Erdmann, Jörg, „Quod est in actis, non est in mundo“. Päpstliche Benefizialpolitik im sacrum imperium des 14. Jahrhunderts (= Bibliothek des deutschen historischen Instituts in Rom 113). Niemeyer, Tübingen 2006. X, 340 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Franz J. Felten betreute, im Sommer 2004 vom Fachbereich Geschichtswissenschaft der Universität Mainz angenommene Dissertation des Verfassers. Sie macht ausgehend von zahlreichen Klagen über Missstände in der Kirche den Versuch, Ausmaß und Bedeutung des päpstlichen Benefizialwesens im heiligen Reich (umgrenzt von den Diözesen Utrecht, Lüttich, Trier, Verdun, Toul, Basel, Konstanz, Chur, Brixen, Salzburg, Passau, Olmütz, Breslau, Lebus, Kammin, Schleswig samt Riga mit Kulm, Pomesanien bzw. Marienwerder, Ermland, Samland, Ösel, Dorpat und Kurland) des 14. Jahrhunderts durch eine zahlenmäßige Auswertung des überlieferten Quellenmaterials neuner Pontifikate zwischen 1294 und 1378 über das Pfründenwesen (Bistümer, Abteien, Domkapitel, Kollegiatstiftskirchen) zu kennzeichnen. Methodisch werden dabei die möglichst lückenlos ermittelten päpstlichen Provisionen der Überlieferung vor Ort gegenübergestellt, wobei in gut erschlossenen Bereichen die Lage in Frankreich und Belgien zum Vergleich herangezogen wird.

 

In seiner Einleitung schildert der Verfasser zunächst die an sich gute, im Detail aber nicht unschwierige Quellenlage. Danach bietet er einen sorgfältigen Überblick über die Forschungsentwicklung. Außerdem beschreibt er die methodischen, zeitlichen und räumlichen Grenzen seiner anschließenden Untersuchung, wobei er besonders darauf hinweist, dass eine zahlenmäßige Bestimmung des inzwischen eingetretenen Überlieferungsverlusts (zwischen 25 und 50 Prozent) aus heutiger Sicht nur schwer möglich ist.

 

Danach teilt er die Darstellung in drei Teile. Er beginnt mit den allgemeinen theoretischen und kirchenrechtlichen Grundlagen des päpstlichen Provisionsrechts. Dabei unterscheidet er im Einzelnen zwischen vier Arten der päpstlichen Stellenbesetzung iure praeventionis, iure concursus, iure devolutionis und (besonders wichtig) iure reservationis.

 

Anschließend untersucht er den päpstlichen Einfluss auf die Besetzung der höheren Kirchenämter, wobei er sorgfältig die Kriterien zur Kennzeichnung eines kurialen Einflusswillens darlegt. Zahlenmäßig ermittelt er dann für seinen Untersuchungszeitraum 389 Bistumsvakanzen, von denen 232 auf dem Wege der ordentlichen Kollatur besetzt werden konnten. Demgegenüber nahmen die Päpste in 181 Fällen Einfluss und waren in 162 Fällen erfolgreich.

 

Er zieht daraus den Schluss, dass die Kirche hauptsächlich an einem umfangreichen juristischen Instrumentarium für eventuelle Einzelfälle interessiert war. In anderen Regionen Europas entfaltete sie demgegenüber einen erkennbar stärkeren Einfluss. Dies betrifft im Rahmen seiner insofern naturgemäß recht eingeschränkten Untersuchung vor allem Frankreich.

 

Danach wendet er sich dem päpstlichen Einfluss auf die Besetzung niederer Benefizien zu, die sich meist iure praeventionis vollzog. Hierfür ermittelt er für die Domkapitel insgesamt 2228 Neubepfründungen von Domkanonikern. Dabei erweist sich der Anteil der päpstlichen Besetzung selbst in Domkapiteln mit guter Quellenlage als überraschend niedrig, wobei allerdings innerhalb der einzelnen Pontifikate starke Unterschiede sichtbar werden.

 

Im Ergebnis schätzt der Verfasser auf der Grundlage seiner sorgfältigen, in 75 Abbildungen graphisch veranschaulichten Statistiken einleuchtend den tatsächlichen Einfluss der Päpste des 14. Jahrhunderts auf die Besetzung der Kirchenstellen zumindest im Reich im Vergleich etwa zu Frankreich als eher moderat ein. Danach schildert er weitere aus seiner Untersuchung erwachsende Fragen. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis, Register von schätzungsweise 250 besonders wichtigen Personen, von geographischen Bezeichnungen und bedeutsamen Sachen schließen die gelungene Arbeit angemessen ab.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler