Diehl, Markus Albert, Von der Marktwirtschaft zur nationalsozialistischen Kriegswirtschaft. Die Transformation der deutschen Wirtschaftsordnung 1933-1945 (= Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 104). Steiner, Stuttgart 2005. 195 S.

 

Die an der Universität Bamberg entstandene Dissertation Markus Diehls beansprucht nichts weniger, als die erste umfassende Analyse der NS-Wirtschaft aus ordnungstheoretischer Sicht zu bieten. Schon ein erster Blick auf den schmalen Band – nach Abrechnung von Leerseiten, Vorwort des Betreuers, Fotos und Schaubildern verbleiben rund 150 Seiten Text – lässt jedoch erhebliche Zweifel aufkommen, ob diese ambitionierte Zielvorgabe tatsächlich erreicht werden kann.

 

Der Ansatz des Verfassers ist ein im Wesentlichen wirtschaftswissenschaftlicher, wenngleich er die von Historikern verfasste, umfangreiche Literatur zu seinem Thema mehr oder weniger vollständig rezipiert hat. Als Hauptquellen seiner Untersuchung nennt Diehl das zeitgenössische (vor allem makroökonomische und juristische) Schrifttum bis 1945 (S. 19), ohne den Leser aufzuklären, wie er die Aussagekraft dieser unter den Auspizien des Regimes artikulierten Stimmen einschätzt. Selbst wenn nicht anzunehmen ist, dass die NS-Machthaber jede Äußerung eines Wirtschaftswissenschaftlers zensurierten und wenn zudem die meisten der hier präsentierten Beurteilungen durchaus plausibel klingen, so ist es doch problematisch, wenn Diehl Meinungen und Zustandsbeschreibungen aus der Feder hochrangiger Vertreter des NS-Wirtschaftslenkungsapparates ohne jeden Anflug einer kritischen Distanz zitiert. Wer auf historisches Material zurückgreift, sollte es mit den Methoden der historischen Quellenkritik analysieren. Dies gilt erst recht, wenn wie im vorliegenden Fall nur ausnahmsweise Archivmaterial herangezogen wird.

 

Vor diesem Hintergrund kann es kaum verwundern, dass der schmale Band im Grunde nichts wirklich Neues enthält. Dies trifft vor allem auf die beiden Grundthesen zu, die den roten Faden der Darstellung liefern: Das NS-Regime begann buchstäblich in den ersten Tagen nach seinem Machtantritt, die deutsche Wirtschaft bestmöglich auf einen kommenden Krieg vorzubereiten (wobei sich die anfänglich prioritäre Bekämpfung der Arbeitslosigkeit lediglich als ein Teilaspekt dieses übergeordneten Zieles ausnimmt). Um diese Umstellung zu ermöglichen, wurde die vor 1933 dominante Marktwirtschaft mehr und mehr, im Krieg dann nahezu vollständig, auf eine zentral gelenkte Planwirtschaft umgestellt. Stelle man, so Diehl, die beiden Idealtypen einander gegenüber und frage auf einer Zeitachse nach dem jeweiligen Umsetzungsgrad der einen oder der anderen, so gelange man zu einem Dreiphasenmodell: Die nahezu unbeeinträchtigte Marktwirtschaft bis Ende 1932, eine Umstellungsperiode in den Jahren 1933 und 1934 sowie eine nachfolgende Phase der zunehmenden Planwirtschaft.

 

Man wird diesem Modell im Wesentlichen zustimmen können, wenngleich der Autor immer wieder darauf verweist, in welch erstaunlichem Umfang schon die Weimarer Regierungen genötigt waren, angesichts massiver ökonomischer Probleme zu staatsdirigistischen Maßnahmen zu greifen, was nichts anderes hieß, als das freie Spiel der Marktkräfte drastisch einzuschränken. Die rigorose Devisenbewirtschaftung lange vor Hitlers Kanzlerschaft bietet hierfür ein anschauliches Beispiel. Den hieraus resultierenden, die Politik des NS-Regimes erleichternden Gewöhnungseffekt sieht Diehl zutreffend; vermutlich soll auch der von ihm für den Untertitel des Bandes gewählte Begriff „Transformation“ die Kontinuität inmitten eines schrittweisen Wandels ausdrücken. Im Prinzip war diese Umstellung 1938/39, noch vor Beginn des Krieges, abgeschlossen, nur die direkte Bewirtschaftung von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs durch ein Rationierungssystem fehlte noch. Dieses in die Augen springende Element ist aber für die morphogenetische Betrachtungsweise nicht entscheidend. Für sie zählt, dass bereits Jahre vor dem Krieg der Preis als Regulator des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage zu Gunsten einer staatlich gelenkten Güterbewirtschaftung nahezu vollkommen ausgeschaltet war.

 

Mitunter scheint Diehl den idealtypischen Charakter seines Modells zu vergessen, denn er muss einräumen, dass das Regime keineswegs auf den Preis als Steuerungs-, aber auch als Motivationsinstrument verzichten konnte (S. 61f.). Hier rächt sich, dass die Aufmerksamkeit des Autors auf die legistischen Maßnahmen des Regimes fixiert ist; deren praktische Auswirkungen nimmt er hingegen nur selten in den Blick, was bei der gewählten Quellenbasis vorgegeben ist. Dabei ist Diehl durchaus klar, dass auch ein Diktator wie Hitler nicht einfach Beliebiges befehlen konnte, sondern die Machthaber die Reaktionen der Wirtschaftssubjekte (seien es Unternehmer, Konsumenten oder das Ausland) selbstredend in Rechnung stellen mussten und auch tatsächlich in Rechnung stellten. Dieses Taktieren wurde dadurch erleichtert, dass der NS-Wirtschaftspolitik kein einheitlicher Plan zu Grunde lag, sie vielmehr pragmatisch auf ökonomische Herausforderungen reagierte (S. 16).

 

Allerdings gab es auch Konstanten. Zu diesen zählte das bewusste Herauslösen Deutschlands aus der Weltwirtschaft, Eingriffe in den Binnenmarkt durch Lohn- und Preisstopps sowie Devisenbewirtschaftung und, drittens, die weitgehende Reglementierung des Arbeitsmarktes. Diese Prozesse untersucht Diehl (nach einem viel zu ausführlichen Einleitungskapitel über die Idealtypen Markt- und Planwirtschaft) anhand von fünf Teilordnungen der Nationalökonomie: Außen-, Ernährungs- und gewerbliche Wirtschaft, Arbeitsmarkt sowie Geldordnung und Staatsfinanzen. Die Befunde werden knapp, übersichtlich und leicht verständlich präsentiert, wenngleich es wegen der Überschneidungen zwischen den Teilbereichen zu zahlreichen Wiederholungen kommt.

 

Sieht man von wenigen irrigen Behauptungen wie jener von der durch die moderne Forschung widerlegten Bedeutungslosigkeit der Deutschen Arbeitsfront (S. 78) einmal ab, ist weder an den forschungsleitenden Fragen noch an den Befunden Diehls prinzipielle Kritik zu üben. Das Eigenartige an diesem Buch ist vielmehr, dass es eher wie ein Handbuch, ein Grundriss oder wie eine Überblicksdarstellung wirkt und keineswegs wie eine Dissertation, die ja (auf einem spezialisierten Gebiet) neue Erkenntnisse anstrebt. Ein solches Streben kündigt der Verfasser wohl an, verwirklicht es aber nicht. Es gibt kaum etwas in diesem Buch, das man in der vorhandenen Literatur nicht schon finden konnte. Welchen Sinn es machen soll, sich neben oder gar statt dieser Forschungsliteratur auf das wirtschaftswissenschaftliche Schrifttum der Jahre 1933 bis 1945 zu stützen, ist nicht einsehbar. Allerdings sollen dem Buch durchaus Stärken zuerkannt werden. Wer sich rasch einen profunden Überblick über die Wirtschaftspolitik des NS-Regimes verschaffen will, wird mit der Studie Diehls nicht schlecht bedient, wenngleich sie Bekanntes wiederholt und auf das sogenannte Altreich beschränkt bleibt, die wirtschaftliche Bedeutung der ab 1938 besetzten oder eroberten Gebiete also nur sporadisch und oberflächlich in den Blick nimmt.

 

Graz                                                                                                              Martin Moll