Das Lübecker Niederstadtbuch 1363-1399. Teil 1 Einleitung und Edition, Teil 2 Indices, bearb. v. Simon, Ulrich (= Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte Neue Folge 56, 1 und 2). Böhlau, Köln 2006. 971, 277 S. CD-ROM. Besprochen von Gerhard Köbler.
Angeregt wurde nach dem kurzen Vorwort des Werkes die Edition des zweiten Bandes des sogenannten Niederstadtbuchs 1992 durch Antjekathrin Graßmann, die verdienstvolle Leiterin des Lübecker Stadtarchivs. Als sich der hansische Geschichtsverein 1999 bereit erklärte, die Herausgabe zu fördern, war der äußere Rahmen gesichert. Durch die Möglichkeit der Verwendung von viel Arbeitszeit zu Lasten der ebenso dringlichen archivischen Aufgaben konnte ein gutes Jahrzehnt nach der Anregung die Aufgabe erfreulicherweise erfolgreich abgeschlossen werden.
Der Ausgabe geht eine sachverständige Einleitung des Bearbeiters voraus, die mit einem skeptischen Zitat Ferdinand Frensdorffs über den Druck von Stadtbüchern beginnt, den das Buch nach fünf Vierteljahrhunderten zumindest für einen Teilbereich widerlegt. Die Anfänge schriftlicher Aufzeichnungen eines Stadtbuchs verbindet der Bearbeiter naheliegenderweise mit dem Erhalt der Reichsfreiheit der Stadt im Jahre 1226, doch sind von diesem ersten, mehrere Sachgebiete gemischt aufnehmenden, 1811 schon nicht mehr greifbaren Werk nur Auszüge überliefert. Ein eigenes Amtsbuch für die besonderen Grundstücksgeschäfte wurde erst 1284 angelegt.
Es wurde von 1284 bis 1818 fortlaufend geführt. Sein Name lautete ervebok oder lateinisch liber hereditatum. Da es in den oberen Räumen der Kanzlei geführt wurde, wurde es auch als Oberstadtbuch bezeichnet.
Demgegenüber wurden die von städtischen Notaren an der Kanzlei zur Sicherung der Beteiligten aufgeschriebenen Angaben zu Schuldverhältnissen in ein davon verschiedenes Buch eingetragen, das 1277 als liber, in quo debita conscribuntur (Schuldbuch) benannt wurde. Weil dieses Buch im unteren Geschoß der Kanzlei aufbewahrt wurde, hieß es später Niederstadtbuch. Sein erster Band ist nicht mehr erhalten, weshalb der ursprünglich zweite Band später als erster Band gezählt wurde und der ursprünglich dritte Band zum Band zwei aufstieg.
Dieser ursprünglich dritte Band wird hier ediert. Er war kriegsbedingt ausgelagert und stand vor der Rückkehr des Originals nur als Fotoband zur Verfügung. Schon deswegen, weil sich eine zutreffende und ausreichende Regestierung des knapp gehaltenen lateinischen Wortlauts der enthaltenen Einzelstücke als schwieriger erweist als die textgetreue Wiedergabe, hat sicj der Bearbeiter dankenswerterweise für das letzte entschieden. Nur so kann der Leser selbst über das aus seiner Sicht zutreffende Verständnis des Textes angemessen entscheiden.
Das Werk umfasst im Wesentlichen die Jahre von 1363 bis 1399. Nach seinem Inhalt ist das Niederstadtbuch als das Buch anzusehen, in das jegliche Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit gelangten, wenn sie öffentlichen Glauben haben sollten. Allerdings nahmen die Aufzeichnungen privater Schuldverhältnisse im Laufe der Zeit allgemein ab und entwickelte sich das Niederstadtbuch später eher zur Aufnahme von Ratsurteilen hin.
Im Einzelnen bietet die Einleitung dann eine sorgfältige Formalbeschreibung des nicht mehr ganz vollständigen Textes. Als Schreiber lassen sich insgesamt zehn Notare nachweisen, deren Leistungen ausführlich dokumentiert werden. Am Ende der Einleitung werden die verwendeten Editionsgrundsätze offengelegt.
Die Edition zählt ihren Text von Seite 2 bis Seite 1066 durch. Ein eigener Zusatzband erschließt ihn durch einen umfänglichen Index der Orts- und Personennamen von Aa bis Zütphen. Der naturgemäß kürzere Sachindex beginnt mit advocatus und endet – ohne allgemeines recht - mit wispel.
Zehn schwarzweiße Tafelabbildungen veranschaulichen die wichtige Quelle. Eine CD-ROM ermöglicht die elektronische Benutzung. Mit seiner mühevollen Transkription der mehr als 8000 in der bekannten Rechtserkenntnisquelle enthaltenen Urkunden hat der als Archivar in Lübeck tätige Bearbeiter der Allgemeinheit einen wertvollen Dienst erwiesen, für den ihm auch die Rechtsgeschichte zu großem Dank verpflichtet ist.
Innsbruck Gerhard Köbler