Cuadernos de historia del derecho, hg. v.
Departamento de Historia del Derecho, Bd. 10. Servicio de publicaciones
Universidad Complutense, Madrid 2003. 401 S. Besprochen von Thomas Gergen.
Das rechtsgeschichtliche Institut der Universität Complutense von Madrid bringt bereits seit 1994 die Jahrbücher für Rechtsgeschichte heraus, von denen im Rezensionsteil dieser Zeitschrift einige besprochen wurden[1]. Anzeigungswürdig sind auch die Artikel dieses zehnten Bandes, die hauptsächlich um die Rechtsgeschichte der iberischen Halbinsel kreisen.
Die erste Untersuchung beschäftigt sich mit dem so genannten Trienio, d. h. den drei Jahren der Verfassung von Cádiz von 1820-1823; in dieser Zeit konnten trotz oder vielleicht gerade wegen der Bücherzensur berühmte Bücher aus anderen Ländern in Spanien gelesen werden. Die sich anschließende Studie über die Unschuldsvermutung (innocentia praesumpta) schneidet das Thema der Verfahrenseinstellungen an, indem sie das Augenmerk auf eine ihrer Spielarten lenkt: die Einstellung des Strafverfahrens mit der Möglichkeit der Wiedereröffnung des Prozesses, die im Gegensatz zur endgültigen Verfahrenseinstellung den Richtern erlaubte, eine juristische Lösung einzuschlagen, die in ihren Grundzügen von der akademischen Lehre geschaffen worden war. Diese Lösung diente als Bindeglied zwischen der endgültigen Verfahrenseinstellung und der Strafe und hatte zur Verurteilungsvoraussetzung, dass zwar keine stichhaltigen Beweise, doch zumindest hinreichende Verdachtsmomente existieren mussten. Obschon die Einstellung des Strafverfahrens mit der Möglichkeit der Wiedereröffnung durch Urteil abschloss, blieb die Möglichkeit offen, noch ein weiteres Verfahren anzustrengen, welches auf demselben Tatbestand beruhte und keinen Strafklageverbrauch entstehen ließ. Die Untersuchung kann sich in erster Linie auf die Habilitationsschrift Mathias Schmoeckels „Humanität und Staatsräson. Die Abschaffung der Folter in Europa und die Entwicklung des gemeinen Strafprozeß- und Beweisrechts seit dem hohen Mittelalter“ stützen[2].
Anhand des „Cuaderno de Denuncias von Baena“ bei Córdoba von 1798 wird die Gerichtsverwaltung der Landpolizei am Ende des Alten Reiches geschildert. Schließlich folgen Gerichtsakten über obszöne Schriftstücke, die von der Inquisition im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts zensiert wurden. Unter den Artikeln befindet sich noch die Studie über den Heiligen Benedikt von Nursia, der als großer europäischer Jurist charakterisiert wird. Gérard Guyon von der Universität Bordeaux macht dabei auf die juristische Bedeutung der benediktinischen Regel unter zwei Aspekten aufmerksam: einmal die Gemeinschaft und die Gewaltausübung innerhalb der klösterlichen Versammlung sowie zum zweiten die Rolle des Richters und der Justiz (insbesondere die Strafbarkeit) innerhalb dieser Gemeinschaft.
Unter der Rubrik „Dokumente“ enthält der Band ein neues Manuskript aus dem Stadtarchiv von Murcia von 1400, eine Anthologie von Foralrecht des ehemaligen Königreichs von Galicien (12.-14. Jahrhundert) sowie einen international-privatrechtlichen Fall aus Valladolid. Lesenswert ist schließlich die Studie zu Theorie und Praxis im andalusischen Strafrecht.
Gewiss können hier lediglich die Titel der verschiedenen Beiträge des Jahrbuches angesprochen werden; für den an der Rechtsgeschichte Spaniens Interessierten ist aber auch dieser Band Pflichtlektüre.
Hannover Thomas Gergen
[1] Vgl. Thomas Gergen, ZRG Germ. Abt. 124 (2007), S. 397-400, 123 (2006), S. 415-418, 122 (2005), S. 396-401, 121 (2004), S. 552-555 sowie 120 (2003), S. 433-436.
[2] Köln/Weimar/Wien 2000, sowie der Verweis auf Schmoeckels ebenfalls in der Studie zitierten Aufsatz „L’absolutio ab instantia. Son développement en Europe et ses implications constitutionelles“, in: Revue d’Histoire des Facultés de Droit et de la Science juridique 19 (1999), S. 171-188.