Zentz, Frank, Das amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik in Deutschland. Erziehung zur Demokratie durch den Court of Appeals 1948-1955 (= Rechtshistorische Reihe 318). Lang, Frankfurt am Main 2005. 286 S. Besprochen von Dieter Waibel.
Die von Frank Zentz vorgelegte Dissertationsschrift beschäftigt sich mit einem weiteren Kapitel der amerikanischen Besatzung Deutschlands. Die Arbeit beschränkt sich auf die amerikanischen Besatzungsgerichte und lässt damit insbesondere Verfahren vor den amerikanischen Militärgerichten unbeleuchtet. Neben ihrer klassischen völkerrechtlichen Aufgabe, die Besatzungsherrschaft innerhalb eines besiegten Feindstaats zu gewährleisten und sicherzustellen, war diesen Gerichten nach Ende des Zweiten Weltkrieges die neue Aufgabe übertragen worden, im Rahmen der amerikanischen Besatzungspolitik als eine Art Erziehungsinstrument den Demokratisierungsprozess in Deutschland zu unterstützen. In den Mittelpunkt der Untersuchung rückt Zentz daher auch die Frage nach Erfolg oder Misserfolg dieses ambitionierten amerikanischen Anliegens.
Auf seinem Weg beschreibt Zentz zunächst ausführlich die Entwicklung der deutschen Rechtspflege. Nach ihrem vorübergehenden Stillstand bei Kriegsende, mussten die Besatzungsgerichte hier eine Doppelrolle übernehmen: Wenn auch nur zeitweise, hatten sie einerseits den Ausfall der heimischen Rechtspflege zu kompensieren. Andererseits – und dieser Aspekt gewann rasch die Oberhand - war man bemüht als Vorbild des zu erneuernden deutschen Rechtswesens zu dienen. Im Einzelnen geht der Autor sodann auf die Entwicklung und Organisation der amerikanischen Besatzungsgerichte ein, wobei er sich zu einem großen Teil auf amerikanische Quellen stützen kann. Sein besonderes Verdienst ist es dabei, eine Vielzahl von Entscheidungen des Court of Appeals of the United States Allied High Commisson for Germany (zuvor: US Military Government Court of Appeals for the US Area of Control in Germany) zwischen 1948 und 1955 in die Untersuchung mit einzubeziehen.
Im Rahmen der einschlägigen Sekundärliteratur nimmt der Autor besonderen Bezug auf die Arbeiten von Nobleman (vor allem dessen Dissertation von 1950 „American Military Courts in Germany“) und Waibel, „Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts“, Tübingen 1996. Während Nobleman den amerikanischen Besatzungsgerichten einen herausragenden Beitrag im deutschen Demokratisierungsprozess zugemessen hatte, liegt von Waibel, der sich damit in Übereinstimmung mit Löwenstein befindet („Reconstruction of the Adminstration of Justice in American occupied Germany, 1947/1948“), eine weitaus relativierendere Einschätzung vor.
Nach einer ausgewogenen und ins Detail gehenden Aufarbeitung der zur Verfügung stehenden Quellen kommt Zentz letztlich zwar zu einer generellen Würdigung der Besatzungsgerichtsbarkeit für den deutschen Demokratisierungsprozess. Eine überragende Bedeutung will er ihr jedoch nicht zumessen. Denn zum einen ließe sich eine inhaltliche Einflussnahme des anglo-amerikanischen (Verfahrens-)Rechts auf das deutsche Rechtssystem nicht feststellen. Zum anderen wäre gegen Ende der Besatzungszeit auch die Attraktivität der amerikanischen Gerichte auf die Deutschen im selben Maße gesunken, wie die Souveränitätsrechte auf deutscher Seite wieder erstarkten. So verbleibt nach Ansicht von Zentz das nachhaltige Verdienst der Besatzungsgerichte, die „unabhängige deutsche, demokratische Rechtspflege auf den Weg gebracht zu haben“ (S.261), mehr aber auch nicht. Über das tatsächliche Ausmaß des hier genannten Einflusses kann daher auch künftig noch weiter diskutiert werden.
Schwäbisch Hall Dieter Waibel