Waßmuth, Britta, Im Spannungsfeld zwischen Hof, Stadt und Judengemeinde - Soziale Beziehungen und Mentalitätswandel der Hofjuden in der kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim am Ausgang des Ancien Régime (= Sonderveröffentlichungen des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte 32). pro Message oHG, Ludwigshafen 2005. 295 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die im Wintersemester 2003/2004 vom Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt angenommene, von Friedrich Battenberg betreute Dissertation der Verfasserin. Sie ergänzt eine von Tilde Bayer 2001 vorgelegte Studie über Minderheit im städtischen Raum – Sozialgeschichte der Juden in Mannheim während der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie zeigt, dass Ansätze zur Akkulturation der Juden in Mannheim bereits für das 18. Jahrhundert erkennbar sind.
Ausgangspunkt hierfür ist die erste Judenkonzession des Kurfürsten Karl Ludwig im Jahre 1660, die den Juden außerordentliche Rechte gewährte. Seit 1664 hatte die aus zwei Quellen gespeiste Gemeinde eine Synagoge, ein rituelles Bad und einen Friedhof. In religiösen Fragen war sie sogar besser gestellt als die Lutheraner und Katholiken.
Das führte zu rascher Blüte. Für das 18. Jahrhundert nimmt die Verfasserin 200 zugelassene Familien mit geschätzten 960 Mitgliedern an und errechnet daraus einen Anteil an der Bevölkerung Mannheims von rund 11 Prozent. Nach einer wohl übertreibenden Beschreibung des Jahres 1730 gehörten ihnen zwei Drittel aller Häuser, weil sie sie selbst gebaut haben oder weil sie ihnen verpfändet wurden.
Nach einer sorgfältigen Einleitung über Gegenstand, Forschungsstand, Quellen, Methode und Vorgehensweise schildert die Verfasserin die durch Mannheim und die Kurpfalz im 18. Jahrhundert gegebenen Rahmenbedingungen. Danach erörtert sie die rechtliche Lage der Mannheimer Hofjuden, als deren erster Lemle Moses am Ende des 17. Jahrhunderts den Status eines Hoffaktors der Kurpfalz erhielt. In diesem Zusammenhang stellt sie unterschiedliche Zeitabschnitte gegenüber und vergleicht Mannheim mit Berlin, Halberstadt, Frankfurt am Main, Jülich-Berg und der Kurpfalz.
Auf dieser Grundlage konzentriert sie sich anschließend auf die Hofjuden in Mannheim und behandelt deren Ökonomie, Status und Beziehungen, Sein und Schein und jüdische Welt. Sie ermittelt, dass die 27 in Mannheim während der Residenzzeit lebenden Kurpfälzer Hofjuden rund 3 Prozent der jüdischen Bevölkerung ausmachten. Sie waren deutlich wohlhabender als die übrigen Juden und die Mannheimer Gesamtbevölkerung, wobei die großen Hofjuden prächtig ausgestattete Häuser hatten, in offenen Kutschen fuhren, über zahlreiches Personal verfügten und sich mit ihrer Kleidung dem höfischen Lebensstil annäherten.
Überzeugend weist die Verfasserin darauf hin, dass sich nur durch Einzelstudien die Bandbreite der Hofjuden im Heiligen römischen Reich insgesamt abdecken lasse. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Juden mit Hofjudentiteln seien so groß, dass allgemeine Aussagen kaum möglich seien. Nicht übersehen werden dürfe, dass die Hofjuden sich selbst nicht als eigenständige Gruppe wahrgenommen, sondern sich stets ihrer Gemeinde zugehörig gefühlt hätten.
Im Anhang bietet die Verfasserin zahlreiche instruktive Tabellen. Hinzukommen Nachweise für die anschauliche Bebilderung, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Verzeichnis der etwa 300 behandelten Personen. Auf glänzendem Papier bietet die umsichtige Studie eine Fülle weiterführender Einzelergebnisse.
Innsbruck Gerhard Köbler