Thomsen,
Martina, Zwischen Hauptwache und Stockhaus. Kriminalität und Strafjustiz in
Thorn im 18. Jahrhundert (= Materialien und Studien zur
Ostmtteleuropa-Forschung 13). Verlag Herder-Institut, Marburg 2005. X, 324 S.
Besprochen von Martin Schüßler.
Wenn man an die Erforschung einer Quelle herangeht, um sie für die Benutzung in einer quantifizierenden Arbeit heranzuziehen, so muß man beachten, daß die Daten aus der Quelle so exzerpiert werden, daß der Charakter der Zufälligkeit erhalten bleibt: Der Forscher darf die Daten der Quelle im Voraus nicht kennen oder gar nur bestimmte Daten aus der Quelle aussuchen. Tut er das, wird eine mathematische Grundregel verletzt: Es muß eine vierstellige Zahl von „Fällen“ vorliegen, und diese Fälle dürfen keine vom Forscher ausgesuchten Fälle sein. Die beste Methode, eine Quelle zu untersuchen, ist also, sie ganz zu untersuchen, von Anfang bis Ende, denn der Forscher kann ja nichts für den Inhalt der Quelle, ihr Inhalt ist für ihn also „zufällig“. Wenn er dagegen bestimmte Fälle aussucht, ist das nicht mehr „zufällig“.[1]
Wenn eine Quelle nun so umfangreich ist, daß der Forscher Schwierigkeiten hat, sie zur Gänze zu untersuchen, so kann er ja nur einen Teil untersuchen. Hier nun gibt es wieder grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Er kann einen zusammenhängenden Teil der Quelle untersuchen –- sagen wir: die erste Hälfte - oder er kann „Stichprobenzeiträume“ untersuchen.
Gerd Schwerhoff unternahm es in „Köln im Kreuzverhör“[2], diese „Stichproben“-Methode anzuwenden, und auf S. 34 seines Werkes teilt er auch mit, warum er dies tat: Die „Masse des Materials“ zwang ihn dazu, daß er nicht die Kölner Turmbücher für den ganzen Zeitraum 1568-1612 untersuchte, sondern nur die Jahre 1568-1572 mit 742 Verbrechen, 1588-1592 mit 457 Verbrechen und 1608-1612 mit 783 Verbrechen. Wie man sehen kann, sind die untersuchten Perioden 5-Jahreszeiträume im Abstand von 20 Jahren. Wenn wir annehmen, daß Schwerhoff die Untersuchungsperioden mit rein mathematischen Mitteln festlegte, so liegt hier eine „zufällige“ Auswahl aus der Quelle vor. Die Grundregel der Zufälligkeit wurde also eingehalten.
Dem Historiker aber wird auffallen, daß die Untersuchung die Zeit des „Kölnischen Krieges“ von 1582/83 ausblendet, eine Zeit, in der spanische und bayerische Truppen sich in der Nähe von Köln aufhielten und wohl die Kriminalität in der Stadt beeinflußten. Schwerhoff hielt also eine mathematische Grundregel ein um eine historische zu verletzen: Denn wie kann man Kriminalität in Friedens- und in Kriegszeiten miteinander vergleichen, wenn die Kriegszeiten überhaupt nicht untersucht werden ? Schwerhoff täuschte also durch scheinbare „hard evidence“ einer Statistik eine Sicherheit vor, die so nicht existiert: Man kann hier von „Schein-Quantifizierung“ reden.
Gleich Schwerhoff hatte auch Susanna Burghartz in ihrem „Leib, Ehre und Gut“[3] die Schwierigkeit, die „Masse des Materials“ zu bewältigen, nutzte jedoch den oben aufgezeigten Ausweg, einen zusammenhängenden Teil der Quelle zu untersuchen, und wählte aus der Quelle der „Zürcher Rats- und Richtbücher“, die für den Zeitraum 1376-1500 vorliegen, den zusammenhängenden Zeitraum 1376-1385 aus.
Samuel Cohn, jr. dagegen hatte für seinen Aufsatz über Kriminalität in Florenz im 14. und 15. Jahr-hundert[4] nur die Perioden 1344/45, 1374/75 und 1455-1466 ausgesucht, da die beschränkten Zugangszeiten zum Archiv in Florenz ihn bei einem kurzen Aufenthalt in der Stadt hinderten, mehr Material zu sammeln (sic). Auch er kam also mehr oder weniger „zufällig“ zu seinen Untersuchungsperioden, aber auch bei ihm sind wichtige historische Ereignisse einfach nicht berücksichtigt, wie etwa der Übergang in Florenz von einem adeligen zu einem demokratischen Stadtregiment im Jahre 1378, von dem angenommen wird, daß er die Kriminalität in der Stadt beeinflußte, weil diese danach stärker bekämpft wurde.[5]
Dieselbe Schwierigkeit haben wir bei der hier rezensierten Arbeit Thomsens: Es wird nicht der Zeit-raum 1704-1792 untersucht. Es werden nur die Zeiträume 1704-1709 mit 75 Fällen, 1710-1714 mit 128 Fällen, 1720-1724 mit 205 Fällen, 1730-1734 mit 169 Fällen, 1750-1754 mit 248 Fällen, 1770-1774 mit 226 Fällen und 1790-1792 mit 79 Fällen, zusammen also 1130 Fällen, untersucht.
Die mathematische „Zufälligkeit“ ist eingehalten: Es liegen wenigstens ab 1710 Mehr-Jahreszeiträume im Abstand von 10 Jahren vor, ab 1750 im Abstand von 20 Jahren. Aber es sind doch wieder einmal interessante historische Ereignisse ausgeblendet: Der „Nordische Krieg“ (1700-1721) ist zwar zum Großteil abgedeckt, ebenso der „Polnische Thronfolgekrieg“ (1733-1735), aber der „Siebenjährige Krieg“ (1756-1763) überhaupt nicht, obwohl doch alle drei in Thorn und seiner Umgebung zu militärischen Aufmärschen führten und wohl die Kriminalität in Thorn beeinflußten.[6]
Die vorliegende Arbeit gehört trotz dieser Schwächen auf dem Gebiet der historischen Kriminologie[7] zu den besseren, die der Rezensent gelesen hat, und er kennt ca. 160 quantifizierende historisch-krimi-nologische Arbeiten aus den letzten 200 Jahren.[8] Die Arbeit erinnert den Rezensenten sogar in ihrer konsequenten Verwendung der Quantifizierung ein wenig an die frühen Werke von Hanawalt und Given aus den 70er Jahren.[9] Wenn der Rezensent die Maßstäbe an das Buch anlegt, die er selbst in den Jahren 1996, 1999 und 2000[10] in dieser Zeitschrift aufgestellt hat, so muß er sagen, daß die Autorin objektiv betrachtet diesen Maßstäben einigermaßen nahe kommt.
Der Quantifizierung wurde ja immer vorgeworfen, ahistorisch zu sein. Thomsen ist nicht in dem Sinne ahistorisch, wie das von Hanawalt behauptet wurde[11], denn sie befaßt sich mit Geschichte und Gesellschaft Thorns im 18. Jahrhundert, da sie offenbar – zu recht – der Ansicht ist, daß diese Einfluß auf die Kriminalität haben, wenn sie auch manche historischen Perioden ausläßt, da sie eher dem mathematischen Zwang zu Mehr-Jahresperioden im Abstand von 10 oder 20 Jahren folgt, so wie dies Schwerhoff in „Köln im Kreuzverhör“ tat, als sich von historischen Gegebenheiten leiten zu lassen.
Auf S. 17ff. betrachtet sie die politische Entwicklung Thorns, auf S. 25ff. Territorium und Bevölkerung, auf S. 31ff. die Wirtschaft der Stadt, auf S. 34ff. die strafrechtlichen Grundlagen Thorns, also das „Kulmer Recht“ als Abart des „Magdeburg-Breslauer Rechts“, wie es im 18. Jahrhundert in der Theorie bestand, um auf S. 53ff. die Rechtspraxis, die sich ja immer und überall von der „Rechtswirklichkeit“ unterscheidet, zu betrachten.
Thomsens „sample“ liegt bei über 1000 Fällen, wie man ja bei der Verwendung der „Gaußschen Normalverteilung“ in der Quantifizierung eine vierstellige Zahl fordern muß, um überhaupt quantifizieren zu können.[12] Thomsen legt ihre Quellen offen und stellt die Quellenlage gut dar.[13] Quelle sind die Verhörprotokolle der Stadt Thorn, die aber nur „summarisch protokollierte Verhöre“ sind, wie uns Thomsen mitteilt.[14] Sie wählte als Datenbasis die Thorner Kriminal- und Polizeiakten aus der städtischen Kanzlei, aber nur der Jahre 1704-1714, 1720-1724, 1730-1734, 1750-1754. 1770-1774 und 1790-1792 (mit 1130 Fällen) aus.[15]
Thomsen stellte in ihrer Untersuchung die richtigen Fragen und gibt mit Hilfe der richtigen Statistiken zufriedenstellende Antworten. So erstellt sie etwa auf S. 26 der Arbeit eine Statistik auf über die Bevölkerungsgröße der untersuchten Region, da man nur so eine Berechnung der Verbrechen pro 100.000 Einwohner pro Jahr vornehmen und sie so mit anderen Regionen und Perioden vergleichen kann.[16]
Sie stellt auf
S. 81 eine Statistik über die Verbrechensrate auf. Diese beträgt, wie oben
gesagt, für die Gesamtperiode 1704-1792 1130 Fälle. Auf S. 87 teilt Thomsen dem
Leser mit, daß in 226 von diesen Fällen mehrere Verbrechen in einer Tat
vorliegen, es wurde z. B. ein Raubmord verübt, der als sowohl als „Tötung“ als
auch als „Raub“ gezählt werden mußte.[17]
Auf S. 85 teilt sie Verbrechen in Kategorien ein, stellt also verschiedene Verbrechensarten vor.[18]
Dies wird spezifiziert auf S. 87, wo mitgeteilt wird, daß Diebstahl 396 Verbrechen ausmachte und somit 33,3% der aufgenommenen Fälle entsprach, und daß die Gewaltverbrechen Tötung, Körperverletzung und Raub 462 ausmachten, was 38,4% der aufgenommenen Fälle entspricht.[19]
Thomsen stellt auf S. 89 die verschiedenen Prozentsätze von Verbrechensarten pro Jahr im 16. bis 18. Jahrhundert vor, auf S. 90 den Frauenanteil an den begangenen Verbrechen[20]. Sie bringt auf S. 92 einen Überblick über die Gesamtzahl der Urteile in den „Stichprobenzeiträumen“, und auf S. 93 be-handelt sie die Verurteilungsrate und die Urteile bei bestimmten Delikten[21]. Auf den Seiten 96 und 97 vergleicht sie die im 18. Jahrhundert ausgesprochenen Strafen mit denen, die im im 16. und 17. Jahrhundert verhängt wurden.
Auf S. 99 behandelt sie Urteile gegen Frauen[22]. Auf S. 100 werden die Anteile der Geschlechter am Verbrechensaufkommen behandelt[23], auf S. 103 die Berufe der beteiligten Täter und Opfer generell[24], auf S. 106 die Berufe in Bezug auf bestimmte Delikte.
Auf S. 109 geht es um die regionale Herkunft der Täter[25], auf S. 111 um die regionale Herkunft der Opfer und Kläger. Welche „Deliktkategorien“, also Verbrechensarten, bei den Opfern und Klägern im „Stichprobenzeitraum“ 1720-1724 vorkommen, wird auf S. 112 behandelt, auf S. 113 im „Stichprobenzeitraum“ 1750-1754. Zur regionalen Herkunft der Opfer und Kläger erfahren wir etwas auf S. 114[26].
Nach dem statistischen Teil der Thorner Untersuchung kommt Thomsen ab S. 115ff. zur „Einzelfallanalyse“, die bei ihr aber nicht das ist, was man leider oft in Einzeluntersuchungen registrieren muß, daß der Autor nämlich arbiträr beschließt, daß der von ihm untersuchte Fall „typisch“ sei, obwohl ein Einzelfall niemals typisch sein kann, denn der „typische Durchschnitt“ ist eine mathematische Größe, die mit der Realität nichts zu tun haben muß. Thomsen hat das Problem der näheren Hinführung zum Thema mittels Beispielfällen dadurch gelöst, daß sie das, was „typisch“ ist, zuerst einmal mit Hilfe der Quantifizierung ermittelte und eben nicht arbiträr so festlegte, und danach dann den Einzelfall, der dem mathematischen Mittel am nächsten kam, betrachtete. Es wurden also nicht arbiträr ausgewählte und für „typisch“ erklärte Einzelfälle zur Analyse herangezogen, sondern mit Hilfe der Statistik wurde „Typisches“ ermittelt und danach Einzelfälle angeführt, die dem „Typischen“ möglichst nahe kamen. Die Arbeit ist also prinzipiell quantifizierend und in keinem Fall impressioni-stisch[27].
In der Einzelfallanalyse behandelt Thomsen auf S. 115 Verbaldelikte, auf S. 131/32 die Angeklagten in solchen Fällen aufgeschlüsselt nach Geschlechtern[28]. Auf S. 133 geht es um die Art der Schimpf-wörter. Ab S. 140 werden Gewaltdelikte behandelt[29], auf S. 141 die Gewalttäter und die Berufsgruppen, aus denen sie stammten[30], auf S. 143 die Waffenverwendung[31].
Dann geht es zu den Eigentumsdelikten: Auf S. 202 behandelt Thomsen das Diebesgut. Auf S. 230 geht es schließlich um Sittlichkeitsdelikte, also Sexualstraftaten.
Die Arbeit ist insofern gelungen, daß Thomsen Kriminalität nicht als etwas ungewöhnliches und sensationelles behandelt, sondern sie schon auf S. 1 die Alltäglichkeit von Kriminalität hervorhebt. Auf S. 3 und 15ff. weist sie darauf hin, daß Thorn als Stadt der Multikonfessionsalität und Multiethnizität diesen beiden Faktoren einen Teil seiner Kriminalität verdanken könnte[32].
Auf S. 4 verfällt sie aber in einen alten Fehler Schwerhoffs und bezeichnet Kriminalität prinzipiell als bloße Devianz, übt jedoch gleichzeitig vorsichtige Kritik an Schwerhoff, denn offenbar ist sie der Meinung, daß von den Gerichten verfolgte Taten nur dann als Devianz bezeichnet werden sollten, wenn nach moderner Auffassung kein Verbrechen vorliegt, wie etwa bei Hexerei oder ähnlichem. Thomsen befindet sich hier in Übereinstimmung mit der heutigen Vorgehensweise in der Soziologie, wie man an soziologischen Aufsätzen sehen kann, wo, im Gegensatz zu Schwerhoff, zwischen „Devianz“ und „Kriminalität“ scharf unterschieden wird[33].
Auf S. 6 weist Thomsen darauf hin, daß in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts der Primat der Ehre als Tatgrund so wie im Mittelalter und der Frühneuzeit vor 1650 noch immer eine große Rolle spielte[34]. Auf S. 12 folgt Thomsen wieder mehr Schwerhoff in dessen Kritik an der Sozialdisziplinierungstheorie, aber hier sehr zu recht, wie man an anderen Autoren sehen kann[35].
Thomsen hebt zu
recht auf S. 14 hervor, daß Frauen als Kriminelle eben nicht „genauso wie
Männer“ agierten[36]. Dagegen hebt Thomsen auf
S. 6 hervor, daß das Buch auch auf die „Geschlechtergeschichte“ eingehe, und
hier muß man davor warnen, daß feministische Thesen Eingang in die historische
Kriminologie finden[37].
Auf S. 17 erörtert Thomsen die Geschichte Thorns im 18. Jahrhundert und setzt sie in Bezug auf die Kriminalität in der Stadt, geht also nicht „ahistorisch“ vor wie es Hanawalt vorgeworfen wurde. Denn höchstwahrscheinlich übt die politische Geschichte eine gewisse Einwirkung auf Kriminalität aus.
Diesen Ansatz
konterkariert Thomsen jedoch durch die Einführung von „Stichprobenzeiträumen“,
die wichtige Phasen in der Geschichte Thorns einfach ausblenden[38].
Auf S. 26 bringt sie eine Bevölkerungsschätzung der Region um Thorn, die essentiell wichtig ist für die Festlegung der Kriminalitätsrate pro 100.000 Einwohner pro Jahr, damit man diese Rate mit der von anderen Städten und mit anderen Zeiten überhaupt vergleichen kann. Hier hat sie sich von Schwerhoff emanzipiert, der sehr gegen diese Art der vergleichenden Quantifizierung ist, die er als „blutleeren Computerianismus“ bezeichnet[39]. Auf S. 26 schätzt sie nämlich die Bevölkerung der Region um Thorn auf 8-10.000 Menschen, was wichtig ist, um die Region und die Periode mit anderen Regionen und Perioden vergleichen zu können[40].
Auf S. 27 emanzipiert sich Thomsen wieder von Schwerhoff, indem sie, ungleich Schwerhoffs Definition in „Köln im Kreuzverhör“, die Ober-, Mittel- und Unterschicht in Thorn nicht nur über das Einkommen definiert, wie Schwerhoff es tat, sondern auch über das soziale Ansehen.[41]
Auch auf S. 29 widerlegt Thomsen weitere Ansichten von Schwerhoff, indem sie sagt, daß eher Einheimische in Thorn zu den Tätern gehörten, wenn sie vielleicht auch noch nicht lange zugezogen waren.[42] Auf S. 31ff. sagt Thomsen, daß die wirtschaftliche Lage Thorns eine gewisse Einwirkung auf die Kriminalität in der Stadt hatte, auf S. 34ff. behandelt sie die „Rechtswirklichkeit“ in Thorn[43], auf S. 53ff. die Rechtspraxis, auf S. 58ff. die verhängten Strafen.
Schlecht an der
Arbeit Thomsens ist, daß sie wie Schwerhoff „Stichprobenzeiträume“ benutzt,
also nicht wirklich unvoreingenommen und objektiv quantifiziert, sondern aus
äußerlichen Gründen, nämlich von der Masse des Materials dazu gebracht,
scheinbar Kriminalität in Thorn im ganzen 18. Jahrhundert behandelt, in
Wirklichkeit aber nur 39 Jahre in diesem Säkulum, also etwas mehr als ein
Drittel. Daran sollte man immer denken und sich fragen, wie verläßlich die
Arbeit Thomsens - und also auch Schwerhoffs „Köln im Kreuzverhör“ - eigentlich
ist[44].
Schlecht an der
Arbeit Thomsens ist auch der reißerische Titel „Zwischen Hauptwache und Stockhaus“,
eine Sache, die wohl ebenso von Schwerhoff übernommen wurde und die wohl eher
auf einen Roman passen würde als auf eine Arbeit mit wissenschaftlichem
Anspruch[45].
Schlecht an der Arbeit Thomsens ist ebenso die Benutzung des Wortes „Devianz“ an Stelle von „Kriminalität“ auf den S. 4 und 12. Auch hier folgt sie den Spuren Schwerhoffs, auch hier nicht zu ihrem besten[46], denn die Soziologie unterscheidet klar zwischen bloßer Devianz und Kriminalität[47].
Des Neologismus „historische
Kriminalitätsforschung“ statt historischer Kriminologie, den Thomsen auf S. 9
ebenso wie Schwerhoff verwendet, wurde schon gedacht[48].
Auf S. 6 und auf S. 230 nun neigt Thomsen leider zu feministischen Vorurteilen: Auf S. 6 will sie die Untersuchung über Thorn als Teil der „Geschlechtergeschichte“ anlegen, hat damit jedoch keinen großen Erfolg, weil die Zahlen der weiblichen Täter und Opfer zu gering für eine seriöse Quantifizierung sind. Auf S. 230 erklärt sie die in ihrer Untersuchung erhaltenen Vergewaltigungszahlen als zu niedrig und glaubt an eine „hohe Dunkelziffer“. Abgesehen von der Tatsache, daß es immer in einer Untersuchung eine Dunkelziffer geben wird, da wir Wissenschaftler nur Menschen sind und also fehlbar, muß man sich fragen, ob der Glaube, daß Frauen immer und überall in großer Zahl von Männern vergewaltigt werden und wurden, etwas mit den Tatsachen zu tun hat oder dem feministischen Dogma „Mann = Vergewaltiger“ entspringt[49].
Als Fazit kann man sagen, daß
Thomsen dort, wo sie sich von Schwerhoff emanzipiert, sehr gute Arbeit leistet,
daß sie aber dort, wo sie Schwerhoff oder/ und feministischen Topoi folgt, fehlgeht
und angreifbar ist.
Pforzheim Martin
Schüßler
[1] Das Wort „zufällig“ wird hier
benutzt im Sinne von „unvoreingenommen, objektiv, nicht herbeigeführt“. Diese
Bedeutung soll im Folgenden gelten.
[2] Gerd Schwerhoff, Köln im
Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in der frühneuzeitlichen
Stadt, Bonn 1991. Er hatte die „Stichproben-Methode“ schon zuvor in „Ein
Blick vom Turm“, einem Aufsatz, der in „Geschichte in Köln“, Heft 27 (1990), S.
43-67, erschien, erprobt. Dort führt er auch auf S. 43 den Neologismus
„historische Kriminalitätsforschung“ ein.
[3] Susanna Burghartz, „Leib Ehre und
Gut“. Delinquenz in Zürich Ende des 14. Jahrhunderts, Zürich 1990; Burghartz
verfaßte schon 1989 den Aufsatz „Disziplinierung oder Konfliktregelung“, in:
Zeit-schrift für historische Forschung Bd. 16, Berlin 1989, S. 385-407, zum selben
Thema.
[4]
Samuel Cohn, jr., Criminality and the State in Renaissance Florence, 1344-1466,
in: Journal of Social History, Pittsburgh/ Pa. 1981, S. 211-233.
[5]
Marvin B. Becker, Changing Pattern of Violence and Justice in Fourteenth- and
Fifteenth-Century Florence, in: Comparative Strudies in Society and History Bd.
18, Cambridge 1976, S. 281-296, hier bes. S. 281.
[6] Siehe Anm. 15 unten. - Vgl. Thomsen,
S. 18, über Kriminalität in Thorn im Nordischen Krieg.
[7] Der
Rezensent spricht sich hiermit gegen den Begriff „historische
Kriminaltätsforschung“ aus, und zwar aus mehreren Gründen: Der Begriff ist
umständlich, weder ins Englische, noch ins Französische oder eine andere
romanische Sprache übersetzbar – denn dort muß man eben von „historical
criminology“ oder „criminologie historique“ sprechen – und auch nicht
mißverständlich, wie etwa „Assyriologie“, die sich nicht nur mit den alten
Assyrern, sondern mit allen Zweistromlandkulturen befaßt und wo es Sinn machen
würde, statt Assyriologie „Mesopotamistik“ zu benutzen (vgl. Herbert Wendt, Es
begann in Babel: Die Entdeckung der Völker, Ratstatt 1958, S. 104). Der Begriff
„historische Krimi-nologie“ ist aber sogar besser als „historische Kriminalitätsforschung“,
denn es wird ja nicht nur die Kriminalität erforscht, sondern auch die
Kriminellen.
[8] Nachrichten über viele dieser Werke
sind einzusehen in Martin Schüßler, Quantifizierung, Impressionismus und
Rechtstheorie (im Folgenden: QuIRth), Teil I, in: ZRG, Germ.Abt. 113 (1996), S.
247-278; ders., QuIRTh II, in: ZRG Germ.Abt.116 (1999), S. 82-497, bes. S.
495-497; ders., QuIRTh III, in: ZRG Germ.Abt. 117 (2000), S. 496-517, bes. S.
513-515.
[9]
Barbara A. Hanawalt, The Peasant Family and Crime in Fourteenth-Century
England, in: Journal of British Studies, Bd. 13, Hartford/ Conn, 1973, S. 1-18;
dies., The Female Felon in Fourteenth-Century England, in: Viator Bd. 5, London
1974, S. 253-268; dies., Economic Influences on the Pattern of Crime in
England, in: American Journal of Legal History Bd. 18, Philadelphia/ Pa. 1974,
S. 281-297; dies., Fur-Collar Crime: The Pattern of Crime among the
Fourteenth-Century English Nobility, in: Journal of Social History Bd. 7,
London 1975, S. 1-17; dies., Violent Death in Fourteenth- and Early
Fifteenth-Century England, in: Comparative Studies in Society and History Bd.
18, Cambridge 1976, S. 297-320; dies., Community Conflict and Social Control:
Crime and Justice in the Ramsay Abbey Villages, in: Medieval Studies Bd. 39, Toronto/
Ont. 1977, S. 402-423; dies., Crime and Conflict in English Communities,
1300-1348, Cambridge/ Mass. 1979. - James B. Given, Society and Homicide in
Thirteenth-Century England, Stanford/ Cal. 1977.
[10] Vgl. oben, Anm. 8, mit QuIRTh I-III.
Es geht hier vor allem um die Maßstäbe, die der Rezensent in QuIRTh I in den
„17 Punkten“ auf S. 271-277 festlegte.
[11] Thomsen behandelt auf S. 17ff. die
politische Entwicklung in und um Thorn, die ja wohl die Kriminalität beeinflußt
haben mag, so wie es Schüßler in QuIRTh I in ZRG, Germ.Abt. 113 (1996), S. 272,
forderte. Hanawalt wurde „Ahistorizität“ vorgeworfen von R.F. Hunnisett in
seiner Rezension von Barabara A. Hanawalt, Crime and Conflict in English
Communities, 1300-1348, Cambridge/ Mass. 1979, die in „Criminal Justice
History“ Bd. 2, New York/ N.Y. 1981, S. 161-163, erschien.
[12] Thomsen belegt dies auf S. 81 mit
1130 Fällen der Jahre 1704-1792 (mit großen Lücken). Vgl. Schüßler, QuIRTh I,
in ZRG Germ. Abt. 113 (1996), S. 271, und ders., QuIRTh III, in ZRG Germ. Abt.
117 (2000), S. 514.
[13] Thomsen S. 78-80. Vgl. Schüßler,
QuIRTh III, in ZRG, Germ.Abt. 117 (2000), S. 515.
[14] Thomsen, S. 83: Es gab in West- und
Ostpreußen, die ja außerhalb des Reiches lagen, keine Einführung der „Constitutio
Criminalis Carolina“ (1532ff.), sondern es blieb dort beim alten Strafrecht des
Magdeburg-Breslauer Rechts, bzw. beim Kulmer Recht, mit mündlicher Verhandlung
und kurzer Eintragung in die Akten.
[15] Wir haben hier also einen
nicht-zusammenhängenden Zeitraum, so wie bei Gerd Schwerhoff, „Köln im
Kreuzverhör“, Bonn 1991, S. 34ff., mit „Stichprobenzeiträumen“ 1568-1572,
1588-1592 und 1608-1612, wo wichtige historische Ereignisse wie der „Kölnische
Krieg“ von 1582/83 einfach nicht berücksichtigt wurden. Bei Thomsen ist zwar
der Nordische Krieg (1700-1721), in dem Thorn 1702 von den Sachsen und seit
1703 von schwedischen Truppen besetzt war, zum Großteil abgedeckt. Auch die
Zeit des „Thorner Blutgerichts“ von 1724 ist erfaßt. Der Polnische
Thronfolgekrieg (1733-1735) ist aber auch nur zum Teil erfaßt, der
Siebenjährige Krieg (1756-1763) überhaupt nicht, obwohl Thorn - wiewohl in
Polen an der Grenze zu Preußen gelegen - im Frühjahr 1758 von russischen
Truppen be-setzt wurde und diese dort bis zum Ende des Krieges blieben.
[16] Die Bevölkerung Thorns beträgt nach
Thomsens Ansicht im 18. Jahrhundert 8-10.000 Menschen. Vgl. Schüßler, QuIRTh I,
in ZRG Germ.Abt. 113 (1996), S. 273, Nr. 1.
[17] Vgl. dazu die Abschnitte „Verbrechensrate“
in Martin Schüßler, Statistische Untersuchung des Verbrechens in Nürnberg im
Zeitraum von 1285 bis 1400, in: ZRG, Germ. Abt. Bd. 108 (1991), S. 121-126;
ders., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, in: ZRG, Germ. Abt. Bd. 111
(1994), S. 164-173; ders. Verbrechen in Krakau (1361-1405) und seiner Beistadt
Kasimir (1370-1402), in: ZRG, Germ. Abt. Bd. 115, S. 211-232.
[18] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 273, Nr. 2.
[19] Vgl. Thomsen, Thorn, S. 188 – Der
Diebstahl innerhalb der Eigentumsdelikte beträgt 297 Fälle.
[20] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, Nr. 5.
[21] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 277, Nr. 13.
[22] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, Nr. 5.
[23] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274. Nr. 5.
[24] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, Nr. 4 und 6.
[25] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, Nr. 4.
[26] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, Nr. 4.
[27] Vgl. dazu Schüßler, QuIRTh III, in
ZRG Germ.Abt. 117 (2000), S. 514.
[28] Vgl. dazu Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, Nr. 5.
[29] Vgl. die Abschnitte „Verbrechensarten“
in Martin Schüßler, Statistische Untersuchung des Verbrechens in Nürnberg., in:
ZRG Germ.Abt. 108 (1991), S. 126-128; ders., Verbrechen im spätmittelalterlichen
Olmütz, in: ZRG Germ.Abt. 111 (1994), S. 173-176; ders., Verbrechen in Krakau und seiner Beistadt
Kasimir, in: ZRG Germ.Abt. 115 (1998), S. 232-244.
[30] Vgl. dazu Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt.113 (1996), S. 274, Nr. 6.
[31] Vgl. dazu Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 276, Nr. 10.
[32] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 277/78, Nr. 16.
[33]
Vgl. William Sims Bainbridge, The Religious Ecology of Deviance, in: American
Sociological Review Bd. 54, New York, N. Y. 1989, S. 288-295, bes. S. 292 (vgl. Anm. 47), im Gegensatz
zu Gerd Schwerhoff, Devianz in der alteuropäischen Gesellschaft, in:
Zeitschrift für historische Forschung Bd. 19, Berlin 1992, S. 385-414, der dort
eine ganze große Theorie dazu aufstellt, warum man immer den Begriff „Devianz“
anstelle von Kriminalität benutzen sollte, die aber freilich weit über das Ziel
hinausschießt.
[34]
Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG, Germ.Abt. 113 (1996), S. 275, Nr. 8.
[35]
Vgl. R. F. Hunnisett in seiner Rezension (in: Criminal Justice History Bd. 2,
New York, N.Y. 1981, S. 161-163) von B. A. Hanawalt, Crime and Conflict in
English Communities, 1300-1348, Cambridge/ Mass. 1979, hier S. 58ff.
[36] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 274, N. 5. Daß „Frauen genauso wie Männer“ Verbrechen
begingen wird in Heiner Boehncke/ Bettina Hindemith/ Hans Sarkowicz, Die großen
Räuberinnen, Frankfurt/ Main 1994, Vorwort, S. 7-9, behauptet, aber nicht nur
von der Fachwelt angezweifelt, sondern durch den Inhalt des Buches selbst auf
den S. 10-224 widerlegt, wo eben nachgewiesen werden kann, daß Frauen frauentypische,
nämlich vor allem gewaltlose, Verbrechen begehen und als Komplizen bei
Gewaltverbrechen eher eine periphere Rolle – als Hehler, als Schmieresteher,
als Unterkunftgeber nach der Tat – spielen.
[37] „Geschlechtergeschichte“ ist
offenbar die deutsche Übersetzung des englischen „Gender History“. Nun bedeutet
„gender“ im Englischen „grammatikalisches Geschlecht“, im Gegensatz zu „sex“,
dem „tatsächlichen Geschlecht“. Feministinnen sind offenbar prüde genug, nicht
das Wort „sex“ zu benutzen, auch wenn man es eigentlich benutzen müßte. Sie
sind damit prüder als viktorianische Autoren, die „sex“ sagten, wenn sie es
sagen mußten: Vgl. A. C. Doyle, A Scandal in Bohemia, in: Strand Magazine (Juli
1891), London 1891, S. 61. – Barbara Hanawalt benutzte im Gegensatz zu den
Feministinnen das Wort „sex“ in ihrem „Crime and Conflict“ (wie Anm. 9), S.
192. Man muß davor warnen, in wissenschaftlichen Arbeiten Euphemismen
anzuwenden: „Kriminalität“ ist nicht „Devianz“ (vgl. unten Anm. 47), und „sex“
ist nicht „gender“. Vgl. dazu auch Patricia T. O´Connor, Woe Is I.
The Grammarphobe´s Guide to Better English in Plain English, New York/ N.Y.
1996, S. 124/25.
[38] Vgl. oben, Anm. 15. Thomsen ging
hier, dem schlechten Beispiel Schwerhoffs folgend, doch sehr fehl.
[39] Gerd Schwerhoff, Devianz (wie in
Anm. 33), S. 397. Schwerhoff geht sogar noch weiter, indem er den Spottnamen
„Kliometriker“ für die Anwender der Quantifizierungsmethode erfand: Vgl. Gerd
Schwerhoff, Geschlechtsspezifische Kriminalität im frühneuzeitlichen Köln, in:
Otto Ulbricht (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern, Köln 1995, S. 81-115, hier:
S. 84. Der Schwerhoffsche Neologismus läßt aber im Unklaren, wer oder was an
der Muse der Geschichtsschreibung denn vermessen werden soll.
[40] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 273, Nr. 1, und oben, Anm. 16.
[41] Schwerhoff, Köln, S. 174-178 u.
182-194, bes. S. 191.
[42] Vgl. Schüßler, QuIRTh I, in ZRG
Germ.Abt. 113 (1996), S. 273/4, Nr. 4. – Gg. Schwerhoff, Köln, S. 351.
[43] Schüßler,QuIRTh I, in ZRG Germ.Abt.
113 (1996), S. 277/78, Nr.16; ders., QuIRTh II, in ZRG Germ.Abt. 116, S.
495-497.
[44] Vgl. oben Anm. 2, 15, 20, 38.
Stellen wir uns einmal vor, jemand würde Tötungen in der Bundesrepublik
Deutschland untersuchen, aber seine Untersuchungen auf „Stichprobenregionen“
beschränken, sagen wir, auf eine Millionenstadt, eine mittlere Stadt und einen
Landkreis. Wenn er er nun Hamburg, Augsburg und den Main-Kinzig-Kreis nehmen
würde, würde man sofort fragen, warum eigentlich gerade diese Gebiete, warum
etwa nicht München, Soest und den Kreis Freudenstadt. Es würde einen Aufschrei
in der Republik geben, 13 Länder würden sich fragen, warum sie nicht
berücksichtigt wurden, und man würde sagen, daß eben nicht Deutschland
untersucht wurde, sondern nur ein paar Regionen. Während man bei
„Stichproben-Regionen“ sofort die Unsinnigkeit der Methode erkennt, läßt die
wissenschaftliche Öffentlichkeit „Stichproben-Zeiträume“ ohne weiteres zu.
Warum?
[45] Die Frage, warum Schwerhoff sein
Buch „Köln im Kreuzverhör“ nannte, sollte wirklich einmal gestellt werden: Denn
die Jahre 1568ff. sind ja solche, in denen im Reich die „Constitutio Criminalis
Carolina“ galt, mit geheimem schriftlichem Prozeß, bei dem niemand öffentlich
vor Gericht von einem Rechtsanwalt der einen Partei und nachfolgend von einem
Staatsanwalt oder dem Rechtsanwalt der anderen Partei vernommen wurde: Nur dies
ist ein Kreuzverhör, und ein solches Verhör fand in Köln 1568-1612 niemals
statt. Warum also „Köln im Kreuzverhör“ ? Die Kölner Turmbücher enthalten lediglich
Verhöre, aber niemals Kreuzverhöre der oben beschriebenen Art. Was wollte uns
der Autor also mit seinem Titel sagen ? Er ist ebenso eine falsche Angabe wie
der Zeitraum 1568-1612, denn Schwerhoff behandelt nur die Jahre 1568-1572,
1588-1592 und 1608-1612. Liegt hier etwa ein „Falsches Spiel“ vor? (Vgl. Gerd
Schwerhoff, „Falsches Spiel“. Zur kriminalhistorischen Auswertung der
spätmittelalterlichen Nürnberger Achtbücher, in: Mitteilungen des Vereins für
Geschichte der Stadt Nürnberg Bd. 82, Nürnberg 1995, S. 23-35.) Und
schließlich: Schwerhoff hätte ja in der Zwischenzeit seit 1991 die Lücken
1573-1587 und 1593-1607 ausfüllen können. Warum tat er es nicht?
[46] Vgl. oben Anm. 31.
[47]
William S. Bainbridge, The Religious Ecology of Deviance, in: American
Sociological Review Bd. 54, New York, N.Y. 1989, S. 288-295, bes. S. 292. Vgl. Anm. 33.
[48] Siehe oben Anm. 7.
[49] Feministische Vorurteile sehen wir
auch bei Susanna Burghartz, Disziplinierung oder Konfliktregelung (wie oben
Anm. 3), S. 401-405; dies., Leib, Ehre und Gut (wie oben Anm. 3), S. 68-71 u.
94/95. Gerd Schwerhoff stellte in „Geschlechtsspezifische Kriminalität im
frühneuzeitlichen Köln“ (in: Otto Ulbricht (Hrsg.), Von Huren und Rabenmüttern,
1995, S. 81-115, bes. S. 96/97 u. 108) selbst feministische Thesen auf, während
er solche Thesen in „Die Erdichtung der weisen Män-ner“ (in: Sönke Lorenz/Dieter
R. Bauer, Hexenverfolgung, Würzburg 1995, S. 391-419) stark kritisiert und
ablehnt (sic). Barbara Hanawalt dagegen stellt gar keine feministischen Thesen
auf (vgl. „Crime and Conflict“ [wie Anm. 9], S. 61, 66/67), Voltmer bekämpft
den Feminismus in der „Hexenforschung“ sogar: Rita Voltmer, Der
Hebammen-Mythos, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Heft 1 (2001),
Seelze 2001, S.20-30, bes. S. 21, Anm. 3.