Thiessen,
Jan,
Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch. Die Haftung des Verkäufers von
Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen (= Berliner juristische
Universitätsschriften 45). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2005. 517
S. Besprochen von Klaus Richter.
Der Verfasser Jan Thiessen befasst sich in seiner an
der Humboldt-Universität zu Berlin entstandenen Dissertation (Rainer
Schröder) nicht schwerpunktmäßig mit einem rechtshistorischen Thema, denn
es ist das Ziel der Arbeit, die Problematik des Unternehmenskaufes unter dem
Einfluss der Schuldrechtsreform zu untersuchen und neu zu bewerten. Um
allerdings die Problematik des Unternehmenskaufs im bürgerlichen Recht
verständlich zu machen, beschränkt sich der Verfasser nicht nur auf die
Untersuchung der Rechtslage vor und nach der Schuldrechtsreform, sondern geht
im Rahmen einer ausführlichen rechtshistorischen Analyse zurück bis zu den
gesetzlichen Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch (im Folgenden: BGB) und den
grundlegenden Entscheidungen des Reichsgerichts nach 1900, auf denen die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bis zur Schuldrechtsreform aufbaute. Der
besondere Reiz des rechtshistorischen Parts dieser Arbeit liegt nicht nur in
der gründlichen Analyse des vorliegenden Quellenmaterials, sondern auch in dem
Stellenwert, welcher der Rechtsgeschichte hier zukommt. Immer wieder werden
Rechtshistoriker andererseits damit konfrontiert, dass ihr Fach kaum oder keine
Bedeutung mehr haben soll für eine rechtswissenschaftliche Ausbildung, die sich
vorwiegend darauf konzentriert, Studenten des Rechts möglichst schnell und
effizient einsatzbereit für die Wirtschaft zu machen, also auf eine Tätigkeit
in Banken, Unternehmen oder Kanzleien vorzubereiten. Grundlagenfächer wie die
Rechtsgeschichte stehen dabei offenbar nur im Wege, und so fällt sie an mancher
Universität dem Rotstift zum Opfer und genießt, wenn überhaupt, nur noch ein
Schattendasein. Wozu wird Rechtsgeschichte also überhaupt noch gebraucht? Eine
Antwort liefert die Resolution des 32. Deutschen Rechtshistorikertages, in der
es heißt (ZEuP 1999, S. 173f.):
„Rechtsgeschichte ermöglicht Verständnis
des geltenden Rechts. Sie zeigt, wie und warum sich das Recht so entwickelt
hat, wie wir es heute vorfinden; sie macht die ideologischen, gesellschaftlichen
und sozialen Prämissen deutlich, auf denen das moderne Recht beruht; sie stellt
einen reichen Schatz an Erfahrungen bereit, der für die Rechtsdogmatik ebenso
bedeutsam ist wie für die Rechtspolitik; und sie vermag Fehlentwicklungen
aufzudecken und vor deren Wiederholung zu warnen.“
Dieser Bedeutung der Rechtsgeschichte, die nicht genug immer
wieder betont werden kann, wird durch die Arbeit Thiessens ausgezeichnet
Rechnung getragen. Der Verfasser ermöglicht nämlich durch seine ausführliche
Darstellung des rechtshistorischen Hintergrundes des Unternehmenskaufes sehr
schön ein Verständnis für die Entwicklung der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes bis zur Schuldrechtsreform und belegt, dass bereits die
Beratungen zum BGB im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Grundlage für die
Neueinordnung des Unternehmenskaufes nach der Schuldrechtsreform bieten können.
Einmal mehr wird so eindrucksvoll der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte
demonstriert.
Der Verfasser beginnt seine Darstellung mit einer Bestandsaufnahme
der Rechtslage bis zur Schuldrechtsreform, erläutert in einem zweiten Abschnitt
die rechtshistorischen Hintergründe, die zu dieser Rechtslage geführt haben und
geht dann in einem dritten Abschnitt sehr ausführlich auf die Neubewertung des
Unternehmenskaufes nach der Schuldrechtsreform ein.
Unternehmenskäufe sind heutzutage ein wesentlicher
Bestandteil des Wirtschaftslebens. Dazu zählen Unternehmenskäufe als Ganzes
(asset deal) als auch der Kauf von Unternehmensbeteiligungen (share deal).
Prägend für diese Art von Geschäften sind starke Interessengegensätze, wobei
der Käufer das Risiko der Investition in den Vordergrund stellt, während für
den Verkäufer der Wert der Investition von Bedeutung ist. Auf der Seite des
Käufers stellt sich häufig die Frage nach der Vollständigkeit der verfügbaren
Informationen über das Unternehmen, insbesondere über die Entwicklung des
Unternehmens. Dabei bereiten der Praxis vor allem zwei Fragen besondere
Schwierigkeiten: Können Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen überhaupt
Kaufgegenstand sein und inwiefern sind Eigenschaften des Unternehmens
zusicherungsfähig?
In der Regel werden die Vertragsparteien zur Lösung dieser
Probleme nach angloamerikanischem Vorbild besondere vertragliche Vereinbarungen
treffen; wo diese jedoch fehlen, ist der Käufer auf die Vorschriften über
Mängel und allgemeine Leistungsstörungen im BGB angewiesen. Dem gesetzlichen
Haftungsmodell verbleibt damit eine Auffangfunktion. Vor der Schuldrechtsreform
orientierten sich die Gewährleistungsvorschriften des BGB an Sachen und
Rechten, nicht aber an Unternehmen als Verbindung von Sachen, Rechten und
Werten. Damit konfrontiert, ging die Rechtsprechung auf unterschiedlichen Wegen
vor: Erwarb der Käufer das ganze Unternehmen oder nahezu alle Anteile daran,
wurde Sachmängelrecht entsprechend angewendet (§§ 459ff. BGB a. F),[1] bei Mehrheits- oder
Minderheitsbeteiligungen wurde an den Vorschriften über den Rechtskauf
festgehalten (§§ 434ff. BGB a. F.). Wenn das Unternehmen nicht den mitgeteilten
Angaben über Umsatz und Ertrag entsprach, lag nach der Rechtsprechung nur
ausnahmsweise ein Sachmangel vor, regelmäßig aber ein Anspruch aus culpa in
contrahendo.
Der Gesetzgeber verzichtete anlässlich der
Schuldrechtsreform auf besondere Vorschriften zum Unternehmenskauf, ordnete
diesen jedoch dem Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen zu (§ 453 Abs. 1
BGB n. F.). Allerdings hat sich der Reformgesetzgeber nicht abschließend dazu
geäußert, wie weit die Analogie zum Sachmängelrecht reicht und ob durch sie die
jetzt in § 311 Abs. 2 BGB n. F. geregelte culpa in contrahendo verdrängt wird.
Die Abgrenzungsfragen bleiben also auch nach der Schuldrechtsreform aktuell,
und es stellt sich die Frage, ob es dem Reformgesetzgeber mit den neuen Vorschriften
gelingen kann, die Unübersichtlichkeit der alten Rechtslage zu überwinden.
Diese Frage ist zentral für die Untersuchung der Unternehmenskaufproblematik
durch den Verfasser, er sieht hier eine Möglichkeit, die gesetzliche Haftung
beim Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform neu zu beurteilen. Die dafür
entscheidenden Anspruchsgrundlagen zeigen sich äußerlich dadurch verändert,
dass die culpa in contrahendo in das Gesetz übernommen wurde und die
Gewährleistungsvorschriften des Kaufrechts über die Öffnungsklausel in § 453
Abs. 1 BGB n. F. auch für „sonstige Gegenstände“ zugänglich ist. Zweck der
Schuldrechtsreform war die Modernisierung, Vereinheitlichung und Vereinfachung
des Schuldrechts. Die neuen Vorschriften lassen sich nach diesem Zweck nur auslegen,
wenn bekannt ist, was der Reformgesetzgeber an den bisherigen Regelungen des
BGB als unbrauchbar beanstandete, und zwar sowohl im Hinblick auf die
Vorschriften als auch ihre Anwendung. Für den Unternehmenskauf hat aber gerade
Richterrecht die als unzureichend empfundenen gesetzlichen Regelungen
verdrängt, so dass sich für den Verfasser daraus die Konsequenz ergibt, aus der
Entstehungsgeschichte des BGB heraus die Mängel des alten Kaufrechts und ihre
Ursachen aufzuzeigen, um so verständlich zu machen, warum der Reformgesetzgeber
einen Nachbesserungsbedarf sah.
Im Mittelpunkt der rechtshistorischen Untersuchung zum
Unternehmenskauf steht die Frage, wie es in der Rechtsprechung von
Reichsgericht und Bundesgerichtshof zur Dominanz der culpa in contrahendo
gegenüber dem Gewährleistungsrecht kommen konnte. Dabei spannt der Verfasser
den zeitlichen Bogen von den Gesetzesberatungen zu Kaufgegenstand und
Gewährleistungsrecht bis zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor der
Schuldrechtsreform. Hierzu wertet er umfangreiches Quellenmaterial aus,
darunter viel Archivmaterial. Dadurch werden die Hintergründe gesetzgeberischer
und richterlicher Entscheidungen, so weit dies bei einer rechtshistorischen
Untersuchung möglich ist, nachvollziehbar. Der Verfasser arbeitet heraus, dass
die Problematik des Unternehmenskaufs bereits bei den Gesetzesberatungen der 2.
Kommission diskutiert wurde und in den Beratungen zur Fassung des § 433 BGB zu
Tage trat (S. 58ff.). So beantragte beispielsweise Struckmann, das Objekt des
Kaufvertrages als „Kaufgegenstand“ anstelle von „Sache“ und „Recht“ zu
bezeichnen. Generell ging es um die Frage, wie bei der Gestaltung des
Kaufrechts mit den vorhandenen Privatrechtsordnungen, dem gemeinen Recht oder
dem Partikularrecht, beispielsweise dem Code Civil oder dem preußischen
Allgemeinen Landrecht umzugehen sei und was daraus in das neue Gesetz
übernommen werden könne. Hier spielt auch die Rechtsprechung aus der Zeit vor
1900 eine entscheidende Rolle, denn sie zeigt, dass die Richter die Vertragspflichten
im Kaufvertrag nicht aus verschwommenen Billigkeitserwägungen ableiteten,
sondern die Vertragsparteien schlicht und einfach beim Wort nahmen. Für den
Unternehmenskauf bedeutete dies, dass die Gerichte die Regeln über den Sachkauf
weitherzig auslegten und, soweit der Käufer Schadensersatz, Minderung oder
Wandelung begehrte, auf andere Kaufgegenstände als „Sachen“ und „Rechte“
übertrug.
Neben der Beratung der 2. Kommission über den Kaufgegenstand
untersucht der Verfasser auch die Gesetzesberatungen zum
Gewährleistungsgegenstand und bietet hier einen detaillierten und lesenswerten
Überblick über die Entwicklung des Gewährleistungsrechts im allgemeinen, der
auch hier verständlich und nachvollziehbar macht, wie es zu den
Gewährleistungsvorschriften kam, die das Kaufrecht vor der Schuldrechtsreform
prägten. Von besonderem Interesse ist dabei die Einführung einer kurzen,
disponiblen Verjährung der gewährleistungsrechtlichen Ansprüche (§ 477 Abs. 1
BGB a. F.). Danach verjährten Ansprüche auf Wandelung, Minderung sowie der
Schadensersatzanspruch wegen Mangels einer zugesicherten Eigenschaft bei
beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, bei Grundstücken in
einem Jahr von der Übergabe an. Dem Reformgesetzgeber erschien diese
Verjährungsfrist als zu kurz, er hat die Gewährleistungsverjährung in § 438 BGB
n. F. für sämtliche Kaufverträge deutlich angehoben. Dagegen erschien die kurze
Verjährungsfrist den Schöpfern des BGB als ausreichend, denn, so ergebe sich
aus den Motiven, die Ermittlung und Feststellung von Qualitätsmängeln sei nach
Verlauf längerer Zeit kaum ausführbar und für den Verkehr sei das Zugreifen auf
solche Mängel nach längerer Zeit lästig und hemmend (S. 99). Die kurze
Verjährungsfrist wurde außerdem in einem engen Zusammenhang mit einem weiten
Zusicherungsbegriff gesehen, da den Parteien die Verantwortung für ihre eigenen
Belange auferlegt wurde: Der Verkäufer erhielt den Anreiz, sich vorsichtig über
den Kaufgegenstand zu äußern oder sich Zusicherungen gesondert bezahlen zu lassen
oder die Haftung auszuschließen, während der Käufer dazu veranlasst wurde,
entweder auf eine Zusicherung oder aber auf eine vertragliche Verlängerung der
Verjährungsvorschriften zu drängen. Beiden Parteien wurde nahegelegt, den
Kaufgegenstand zu untersuchen. Für den Verkäufer diente dies der Vermeidung der
Haftung, für den Käufer dagegen der Geltendmachung von
Gewährleistungsansprüchen vor Fristablauf. Im Gegenzug wurde der
Zusicherungsbegriff auf den Schadensersatzanspruch ausgedehnt, jedoch fehlte es
an einem eindeutigen Bezug auf den Unternehmenskauf. Die Gesetzesverfasser
vertrauten allerdings darauf, dass sich der Umfang der Haftung aus den
Vereinbarungen der Parteien und ergänzend aus Treu und Glauben sowie der
Verkehrssitte ergeben würde. Die Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien führt
den Verfasser zu dem Ergebnis, dass der weite Zusicherungsbegriff durchaus
genügte, um Haftungslücken zu reduzieren. Die strenge Haftung des Verkäufers
für seine Angaben zur Kaufsache hätten diesem einen Anreiz zur Vorsicht gegeben
und zugleich bewirkt, dass ein Verkäufer entsprechende Aussagen nur abgibt,
wenn der Käufer bereit war, einen dementsprechenden Kaufpreis zu entrichten.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Unternehmenskauf
nach 1900 folgte weder der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des BGB noch
übernahm sie das Modell des BGB-Gesetzgebers, sondern ging eigene Wege. So
legte das Reichsgericht bereits früh den Grundstein für die rechtliche
Behandlung des Unternehmenskaufes, die später vom Bundesgerichtshof bis zur
Schuldrechtsreform übernommen wurde. Wie sich die Rechtsprechung nach 1900
entwickelte, wird vom Verfasser gründlich untersucht. Dabei geht er nicht nur
auf Urteile selbst ein, sondern ermittelt auch die Hintergründe, so
beispielsweise den anfangs nicht zu unterschätzenden Einfluss der alten
Rechtslage und der Gesetzgebungsmaterialien auf die Richter, die unmittelbar
nach 1900 tätig waren, sowie die regionale Herkunft der Richter (S. 103).
Besonders dargestellt wird dies an einer Entscheidung des II. Senats des
Reichsgerichts vom 13. März 1906 (RGZ 63, 57). Bei der Entscheidungsfindung
griff der Senat auf die Protokolle der 2. Kommission zum späteren § 433 BGB
zurück und unterstellte den Kommissionsmitgliedern, dass ihnen die bisherige
Rechtslage bezüglich des Kaufgegenstandes bekannt gewesen sei und nicht
geändert werden sollte und dass eine Beschränkung auf Sachen und Rechte nicht
aus „inneren“, sondern „gesetzestechnischen Gründen“ erfolgt sei. Bei jeder
entgeltlichen Veräußerung von Gütern, die weder Sachen noch Rechte seien,
müssten die Voraussetzungen der Gewährleistungsvorschriften in Analogie geprüft
werden, wobei die Analogie zum Sachmängelrecht nach Verkehrsanschauung nahe
liege. Die Analogie wurde in späteren Entscheidungen allerdings nur sekundär
zur Lösung von Rechtsfragen eingesetzt, primär stützten sich die Senate des
Reichsgerichts auf das zweigeteilte System von Sach- und Rechtskauf. Dabei
macht der Verfasser deutlich, dass die Gerichte von dem ursprünglichen Ziel der
Gesetzesverfasser, den Schwerpunkt auf die Auslegung von Parteierklärungen und
die Beweiswürdigung zu legen, abwichen und zu der dogmatischen Frage
übergingen, ob die Vorschriften über den Sachkauf auf den Unternehmenskauf
überhaupt anwendbar sind.
Der Bundesgerichtshof griff auf die Entscheidungen des
Reichsgerichts zurück, wobei er allerdings ihren Kontext ausblendete. Dabei
spielte es nicht nur keine Rolle, ob die Entscheidungen des Reichsgerichts eine
Haftung konstruiert oder vermieden hatten, die Richter des Bundesgerichtshofes
stellten auch solche Urteile nicht in Frage, die während der Inflationszeit,
des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieges so vom Zeitgeist beeinflusst
waren, dass es offensichtlich dogmatisch nicht mit rechten Dingen zugegangen
war. Dies verdeutlicht der Verfasser am Beispiel der als grundlegend
bezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Unternehmenskauf vom 12.
November 1975 (BGHZ 65, 246, 248ff.). Darin führt der Bundesgerichtshof unter
Berufung auf eine Reihe von Urteilen des Reichsgerichts aus, das Reichsgericht
habe zunächst den Kauf von Mitgliedschaftsrechten als reinen Rechtskauf
angesehen und die Gewährleistung nach §§ 437ff. BGB a. F. gewährt, jedoch
später die Vorschriften der Sachmängelgewährleistung für solche Fälle entsprechend
herangezogen, in denen sämtliche Mitgliedschaftsrechte an einer GmbH verkauft
werden und sich der Erwerb dieser Rechte bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise
als Erwerb des Unternehmens darstellt. Diese Rechtsprechung habe der
Bundesgerichtshof übernommen.
Das letzte der vom Bundesgerichtshof zitierten Urteile
stammt aus dem Jahr 1944 und erweckt nicht nur das besondere Interesse des
Verfassers, weil dieses Urteil offenbar das dogmatische Fundament für die
Frage, wann der Kauf von Unternehmensanteilen als Sachkauf anzusehen ist,
festigte (S. 154ff.; RG DR 1944, 485). Hinzu kommt ein weiterer Aspekt:
Obgleich sich diese Entscheidung dogmatisch in frühere Urteile einfügte, stand
sie, wie der Verfasser anhand der Prozessakte ermitteln konnte, in einem
politisch zweifelhaften Kontext. Dies macht es in den Augen des Verfassers um
so bedenklicher, dass der Bundesgerichtshof den Kontext einer derartigen
Entscheidung 31 Jahre später ausblendete.
Der dritte Teil der Arbeit befasst sich mit der Neubestimmung
des Unternehmenskaufs nach der Schuldrechtsreform. Jedoch gibt es in diesem
Teil einen Abschnitt, in dem sich der Verfasser der rechtshistorischen Analyse
im Hinblick auf die Informationsabhängigkeit der Mängelrechte widmet (S.
306ff.). Konkret geht es dabei um die Frage, wie bei der Gesetzesberatung zum
BGB mit folgender Fallkonstellation umgegangen wurde: Auf Seiten des Verkäufers
wird dem Käufer eine wesentliche Information arglistig verschwiegen. Diese –
grundsätzlich überschaubare – Problematik wurde erschwert, wenn anstelle des
Verkäufers sein Vertreter oder bei einer juristischen Person ein Organ
handelte. Auf welcher Rechtsgrundlage konnte hier die Wissenszurechnung
erfolgen? Die Antwort wurde, wie der Verfasser auf S. 311f. darlegt, in der seit
1891 parallel zur 2. Kommission tagenden Vorkommission des Reichsjustizamtes
gefunden. Pikant ist dabei folgender Umstand: Im Rahmen der Gesetzesberatungen
zum BGB wurde öffentlich immer wieder betont, man wolle sich bei der Schaffung
des BGB nicht auf eine bestimmte Sichtweise festlegen, sondern sei nach allen
Seiten offen. In der Vorkommission, die nicht öffentlich tagte und die nur aus
Juristen, nicht aber auch aus Lobbyisten bestand, entschied man sich dagegen in
der Sitzung vom 13. September 1892, der Organtheorie Gierkes zu folgen und
diese in die Zurechnungsnorm des § 31 BGB zu übernehmen. Damit bestätigt der
Verfasser zugleich die von Karsten Schmidt aufgestellte These, § 31 BGB sei der
rechtspolitische Sieg der Organtheorie.
Im dritten Abschnitt gelangt der Verfasser im übrigen zu dem
Ergebnis, dass über § 453 Abs. 1 BGB n. F. nicht nur die Möglichkeit geschaffen
wurde, den Unternehmenskauf dem Gewährleistungsrecht unterzuordnen, sondern die
bis zur Schuldrechtsreform favorisierte Lösung über einen Anspruch aus culpa in
contrahendo keine wesentlichen Vorteile mehr bietet und diesem Anspruch nur ein
begrenzter Anwendungsbereich verbleibt (S. 374ff.). Somit kommt der Verfasser
zu dem Ergebnis, dass es dem Reformgesetzgeber gelungen ist, die Unübersichtlichkeit
der alten Rechtslage zu überwinden, „die Praxis wird mit dem neuen Gesetz
arbeiten können, und das ist angesichts der Kontroversen um die
Schuldrechtsreform ein ebenso überraschender wie erfreulicher Befund“ (S. 448).
Ergänzt wird das Buch durch ein sehr umfangreiches Quellen-
und Literaturverzeichnis sowie ein Personen- und Sachregister.
Berlin Klaus
Richter
[1] Die Abkürzung „a. F.“ steht für die
„alte Fassung“ des BGB vor Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2002 (BGBl 2001 I S. 3138),
die Abkürzung „n. F.“ für die aktuell gültige Fassung des BGB.