Steinberg, Georg, Christian Thomasius als Naturrechtslehrer (= Hallesche Schriften zum Recht 22). Heymann, Köln 2005. XIII, 251 S. Besprochen von Marcel Senn.

 

Über Steinbergs Dissertation zu Thomasius, die bei Hinrich Rüping verfasst und von Rolf Lieberwirth mitbetreut wurde, ist nur Positives mitzuteilen. Die Untersuchung hält, was sie verspricht. Sie berichtet Substanzielles ohne Überzeichnungen und in klar verständlicher Sprache über Thomasius’ universitäre Lehre in Leipzig und Halle während fast fünfzig Jahren (1680 bis 1728).

 

Der Autor erstellt ein konzises Bild von Thomasius als Lehrer des Naturrechts, der im Geiste der Frühaufklärung die Lehransichten seiner Zeitgenossen zum Privat-, Straf-, Staats- und Kirchenrecht kritisiert und dadurch seine eigene Rechtstheorie entwickelt. Für Thomasius bedeutete Aufklärung Hinwendung zur Praxis. Der Autor folgt ihm darin, wenn er die Vorlesungstätigkeit und ihre Rückwirkungen auf die mannigfachen Veränderungen der Naturrechtstheorie von Thomasius erhellt. Anhand dieser Lehrtätigkeit kann Steinberg die mannigfachen Korrekturen, die Thomasius an seinen Anschauungen zum Naturrecht vornahm, genau beobachten und den Leser daran teilhaben lassen. Dies ist ausgesprochen faszinierend, weil der Autor substanziell informiert. So lassen sich die Impulse, die für Thomasius’ intellektuellen Prozess entscheidend waren, differenziert erfassen, wodurch das eine oder andere in der sonst (allerdings nicht zu Unrecht) eklektisch empfundenen Theorienbildung des Rechts bei Thomasius auch besser verständlich wird, insbesondere (S. 107-131) mit Bezug auf den großen Entwicklungsschritt von der Göttlichen Rechtsgelahrtheit (lat. 1688) zu den Fundamenta Juris Naturae et Gentium (1705).

 

Die Methode des Autors war zwar gewiss arbeitsintensiv, aber sie ist auch entsprechend gewinnbringend für uns und kann daher als vorbildlich bezeichnet werden. Steinberg verfällt nie in Deskription um ihrer Selbst willen, sondern erarbeitet seine Darstellung präzise und belegt seine Feststellungen und fokussiert stets auf die wesentlichen Aussagen. Das umfangreiche Quellenmaterial hierfür hat Thomasius selbst mit seinen Vor- und Rückschauen auf seine Lehrtätigkeit geliefert. Gesichert werden diese Angaben durch den Hallenser Codex Lectionum. Im Anhang findet sich eine minutiöse Übersicht über die 219 Lehrveranstaltungen, woraus sich Informationen über Dauer und Intensität des Unterrichts sowie über Inhalt und die verwendeten Quellen entnehmen lassen. Die berücksichtigte Sekundärliteratur schließt allerdings auf dem Stand des Jahres 2000.

 

Steinberg bereichert mit dieser soliden Untersuchung nicht nur die Beiträge des Hallenser Symposiums zum Anlass des 350. Geburtstags von Thomasius, das in Halle im Januar 2005 stattfand, sondern er legt damit auch eine Untersuchung vor, die für die künftige Forschung zu Thomasius unverzichtbar ist.

 

Zürich                                                                                                             Marcel Senn