Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v. Schneider, Ulrich Johannes. Primus, Darmstadt 2006. 240 S. 200 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch weiß, so glaubt er, mehr als andere Lebewesen. Deswegen ist die Geschichte des Menschen auch eine Geschichte des menschlichen Wissens. Wer mehr weiß, hat zu vielen Zeiten an vielen Orten bessere Lebenschancen.

 

In der Gegenwart hat es der Mensch ziemlich einfach. Er öffnet seine Rechenmaschine, stellt die Verbindung zu einer Suchmaschine her und fragt die Welt einfach das, was er wissen will. Danach muss er aus den oft unzähligen Antworten nur noch die ihm vorteilhafteste auswählen und schon kann er ungefähr wissen, was die Welt weiß.

 

Vor der Schrift war der Mensch auf die mündliche Auskunft und damit grundsätzlich auf die Hörweite beschränkt. Mit dem Druck verbilligte sich die Schrift bis zur Gegenwart ins theoretisch eigentlich Kostenlose. In der Zwischenzeit blühte die Enzyklopädie der frühen Neuzeit.

 

Der Herausgeber schildert in seiner Einleitung die Bücher als Wissensmaschinen. Olga Weijers greift auf die frühen Ordnungen der Wissenschmaschinen vor 1500 zurück und erhellt die Funktionen des Alphabets im Mittelalter. Freilich räumt sie ein, dass die streng alphabetische Ordnung dem mittelalterlichen Wissen praktisch unbekannt war, obwohl Papias in der Mitte des 11. Jahrhunderts die alphabetische Ordnung immerhin bis zum dritten Buchstaben vorantrieb.

 

Im zweiten Teil (Die Welt im Buch) beschreiben Madeleine Herren und Ines Prodöhl Kapern mit Orangenblüten – die globale Welt der Enzyklopädie (die häusliche Welt, die Welt der Technik, die globale Welt). Harold J. Cook befasst sich mit dem Wissen von den Sachen (Heilkräuter, Pflanzen, Tiere, Anatomie). Detlef Döring stellt Leipzig als Produktionsort enzyklopädischer Literatur bis 1750 vor (u. a. Mathematisches Lexicon Christian Wolffs von 1716, Großes vollständiges Universallexikon Johann Heinrich Zedlers 1732ff., Halle und Leipzig, Abschluss mit 68 Bänden bzw. rund 68000 Seiten 1750, eine gigantische Kompilationsleistung aus weithin noch unerforschten Quellen).

 

Im dritten Teil geht es um das Wissen vom Wissen. Steffen Siegel behandelt die Orte des Bildes im Alphabet des enzyklopädischen Textes. Dazu durchwandert er die Welt der Wörter, die Welt der Gelehrten und die Welt der Wissenschaften.

 

Der Anhang bietet Anmerkungen, eine alphabetische Bibliographie der enzyklopädischen Werke von Agricola 1621 bis Zwinger 1586, ein Personenregister, eine chronologische Übersicht der enzyklopädischen Werke von Valla 1501 bis Swammerdam 1752 und einen Nachweis der 64 schönen und lehrreichen Abbildungen. Das eine vorteilhafte Übersicht bietende Gesamtwerk ist der Katalog von Ausstellungen in Leipzig und Wolfenbüttel an Hand der jeweiligen Bestände in Auswahl im Umfang von mehr als 120 Enzyklopädien. Dass der schöne Band, in dem das Recht keinen eigenen Platz einnehmen kann, nicht nur Einblick gewähren möge, sondern auch Interesse wecken, ist der Wunsch seiner Verfasser, der unzweifelhaft in Erfüllung gehen wird.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler