Schmitt, Carl, Die Militärzeit 1915-1919 –
Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien, hg. v. Hüsmert,
Ernst/Gieser, Gerd. Akademie Verlag, Berlin 2005. X, 587 S. Besprochen von
Bernd Rüthers.
Der Nachlaß des
Staatsrechtlers Carl Schmitt (1888-1995) ist für Überraschungen gut. Seine
jetzt publizierten Tagebuchblätter vom Februar bis Dezember 1915 ergänzen das
Selbstbildnis, das er schon mit dem ersten Band der Tagebücher (1912-1915)[1] der
Nachwelt hinterlassen hat. Der Verlag plant, die ab 1921 vorhandenen
Notizzettel sowie die vollständigen Tagebücher von 1922 bis 1934 in mehreren
Bänden zu publizieren.
Der Band über
die Militärzeit enthält die Tagebücher aus der Rekrutenzeit Schmitts (25.
Februar-23. März) sowie aus seiner Tätigkeit im stellvertretenden
Generalkommando des I. Bayrischen Armee-Korps (6. Mai-29. Dez. 1915. Angehängt
an die 167 Seiten des Tagebuchs findet der Leser Dokumente aus der Tätigkeit
Schmitts im stellvertretenden Generalkommando (206 S.), eine Auswahl von Texten
und Veröffentlichungen Schmitts aus den
Jahren 1915 bis 1919 (306 S.), Abbildungen, Briefe und Materialien (41 S.)
einen Anhang mit interessanten Einzelheiten zu der Zeit Schmitts in München,
ferner ein Literaturverzeichnis und ein Personenregister.
Das Tagebuch
1915 beginnt Tage nach dem in Berlin abgelegten Assessorexamen (24. 2.) in
München, wo Schmitt am 26. als Rekrut in der „Türkenkaserne“ seine
Grundausbildung antritt. Sein Doktorvater von Calker, der als Major im
Bayrischen Leibregiment diente, hatte ihm dort
einen sicheren Posten in der Heeresverwaltung angeboten. Schmitt, der
vor jedem Fronteinsatz panische Angst hatte, meldete sich daraufhin sofort „freiwillig“ und wurde zum 15. Februar – mit einem
Aufschub für das anstehende Examen – einberufen. Die Einberufung ermöglichte
zugleich eine „Kriegstrauung“ mit seiner geliebten „Cari“, einer spanischen Tänzerin,
mit der er bereits eine Zeit lang zusammenlebte. Die Trauung fand am 13.
Februar in Köln statt.
Die
Hauptgegenstände dieser Notizen sind seine Erlebnisse beim Militär, seine
Beziehung zu seiner geliebten, nun endlich ihm angetrauten „Cari“, seine
permanenten Geldnöte und Karriereträume sowie die wechselnden zwischenmenschlichen
Beziehungen zu seinem durchaus farbigen Umfeld.
Das alles
dominierende Dauerthema ist die Ehe mit Paulina Maria Dorotic. Der Herausgeber
berichtet jetzt neu[2], daß es sich bei dieser
Dame um die uneheliche Tochter der Auguste Marie Franziska Schachner aus
Wien-Gumpendorf, geboren am 18. Juli 1883, handelt. Sie wurde durch die spätere
Ehe mit dem Spengler Johann Dorotic aus Agram legitimiert, war also keine
Reichsgräfin aus einem berühmten serbokroatischen Adelsgeschlecht, wie sie
ihrem Verlobten vorgegaukelt hatte. Die Verlobung hatte Schmitt am 28. 10. 1913
mitgeteilt.
Schmitt hatte
das Fräulein Dorotic im Frühjahr 1912, nach der Angabe des Herausgebers Hüsmert
in Düsseldorf, nach Rüdiger Altmann auf einer Kreuzfahrt, als „spanische
Tänzerin“ kennengelernt. Sie hatte sich als serbische Gräfin Pauline Carita Maria
Isabella von Dorotic, geboren am 18. Juli 1888, vorgestellt. Das Geburtsdatum, das später auch in den
Heiratspapieren auftaucht, war ebenfalls um fünf Jahre gefälscht. Die einzigen
bekannten Engagements als Tänzerin hatte sie 1912 in Görlitz und Wiesbaden.
Schmitt war hingerissen von der Jugend, Schönheit und vermeintlichen Klugheit
der jungen Dame. Er ist „wahnsinnig verliebt“.
Schmitts
väterlicher Freund und Förderer während dessen Referendarzeit in Düsseldorf,
der Geheimrat, Landtagsabgeordnete (Zentrum) und spätere preußische
Justizminister Dr. Hugo am Zehnhoff, bezeichnete ihre Tätigkeit als
„Tingeltangel“. Der von Schmitt sehr geschätzte Theodor Haecker hatte nach
Rüdiger Altmann schon bei der ersten Begegnung Zweifel an ihrer adligen
Abstammung.
Schmitt glaubte,
die Frau seiner Träume gefunden zu haben: Der intellektuelle Aufsteiger aus
einfachen Verhältnissen an der Seite einer Reichsgräfin. Die Hochzeit war
bereits für den Herbst 1913 geplant gewesen. Aber der dazu erforderliche Reisepaß
war plötzlich verschwunden. Neue Papiere aus dem österreichischen Konsulat
ließen lange auf sich warten; gerade noch rechtzeitig für die Kriegstrauung am
13. 2. 1915 wurden sie mit den von der Dorotic gefälschten Angaben zur Person
ausgestellt.
Nach der Eheschließung und nach dem Eintreffen seiner Frau in München (am 24. 4. 1915) wird die Beziehung bald zwiespältig. „Cari“, wie er sie nach dem falschen Vornamen Carita aus den falschen Adelspapieren zärtlich nennt, wird im Tagebuch immer wieder mit glühenden Liebeserklärungen überhäuft. Jeweils kurz danach schreibt er von häufigem, heftigem Streit mit „strindbergschen Szenen“. Dieses Wechselspiel von fast autosuggestiven Liebesschwüren und verzweifelten Berichten über heftige Streitszenen zieht sich mit großer Regelmäßigkeit durch das gesamte Tagebuchjahr 1915 hindurch. Einerseits schwärmt der junge Ehemann vom herrlichen Leib, von den schlanken Beinen, dem lieben, zutraulichen, schmeichlerischen Kätzchen, vom philosophischen Blick, der Klugheit und Weisheit seiner Cari: „Sie weiß alles. Ich staunte über ihre Weltüberlegenheit“, (5. 5.) „Ich staunte über ihre Schönheit und ihre Weisheit“ (2. 9.); andererseits ist sie für ihn von nicht auszuhaltender, peinlicher Dummheit (11. 5.).
Weitere
Charakterisierungen: eifersüchtig, tyrannisch, herrschsüchtig, verständnislos,
rechthaberisch, anmaßend, hochmütig, böse, laut, hysterisch (häufige
Weinkrämpfe), unnahbar, haßerfüllten Blickes, usf.
Immer neu
bejammert er seine Lage: „Ich armer Teufel. Verdammt reingefallen. Das ist die
Hölle … (21. 6.) „Cari sprach dumm mit Georg Eisler. Ich stammelte über die Ehe
und kam mir vor wie ein Verrückter in der Hölle …“ (4. 7.) „Soll ich aus dem
Fenster springen?“ (1. 8.) „Ich bin kaputt … durch die Ehe, aufgerieben, komme
zu nichts mehr, ein armer, zerrissener Mensch“ (4. 8). „Ich zerre also an zwei
Leinen: das Militär und die Ehe, der Staat und meine Frau. Ich gehe drauf dabei
… Soll ich mich erschießen? ... Ich werde von einem Mädchen zum Narren
gehalten, Ich habe mich finanziell, psychisch und moralisch kaputt machen
lassen … Alle Freunde hat sie mir entrissen, weggenommen: will alleine
herrschen“ (8. 8.). Nach einem erneuten Streit probiert er, ob ein Selbstmord
mit dem Karabiner möglich ist (9. 8.) „Ich weiß nicht, wie das mit Cari enden
soll“ (23. 8.) „Oh, ich werde verrückt“ (27. 8.). Cari hat kein Verhältnis zum
Geld, zu bürgerlicher Arbeit, ist verschwenderisch, zum Verrücktwerden. Das
alles über die Monate April bis Dezember 1915 regelmäßig und in schneller
Folge, bisweilen am selben Tag. Dazwischen heißt es aber: „Ein Glück, daß meine
liebe Cari so klug und gut ist…“ (9. 9.) „Cari ist vornehmer und tiefer als wir
alle“ (20. 9). „sie ist ein liebes, gutes Kindlein. Großartig; ich komme mir
dumm neben ihr vor“ (4. 10.).
Wie schon in den
ersten Tagebüchern (1912-1915) erfährt der Leser über das Intimleben des Autors
weit mehr als er wissen möchte.
Vielleicht geben
diese Passagen Aufschluß aber darüber, warum und wie diese von Anfang an
gefährdete Ehe die Partner bis 1921, also immerhin sechs (!) Jahre gemeinsamen
Lebens (Hüsmert, Einführung S. 18) zusammengehalten hat. Der ehrgeizige, junge
Jurist, der auf jeden Fall emporkommen wollte, wähnte sich an der Seite einer
adligen Frau, die für seine Pläne besonders förderlich zu sein schien. Zwischen
1919 und 1921 verwirklicht er einen schon im Tagebuch 1915 gefaßten Plan und
publiziert mehrfach unter dem vermeintlich adligen Namen „Schmitt-Dorotic“. Der
Versuch, seine persönliche Bedeutung nach außen zu steigern, deutet sich in
einer Neuschreibung seines Vornamens an. In mehreren amtlichen Dokumenten von
1916 und 1920, aber auch in Briefen seines Gönners Geheimrat am Zehnhoff, die
dem Tagebuch beigefügt sind (S. 494, 504, 511, 512; vgl. auch 1. Tagebücher S. 328) wird er als „Karl
Schmitt“ aufgeführt. In seinen Autorenangaben nennt er sich selbst dann (vornehmer?)
„Carl“ Schmitt.
Parallel dazu
nervt ihn seine unbedeutende Stellung in der Militärverwaltung, wo er sich von
Kollegen und Vorgesetzten belächelt, verachtet und unterdrückt fühlt. Ein
Streit mit seinem Hauptmann führt bei ihm zu einem Weinkrampf: „Es ist nicht
zum Aushalten. Selbstmord … Am liebsten hätte ich mich totgeschossen“ (4. 9.)
Er fühlt sich ehrgeizig und machthungrig, sieht keine Chance, emporzukommen
(„heftige Sehnsucht nach Ruhm und Erfolg. Es muß doch endlich kommen“ 5. 4.).
Die Vorstellung selbst in den Krieg zu müssen, versetzt ihn in Panik. Er wird
permanent von Todesängsten geplagt. Die Aussicht in einer anstehenden
medizinischen Untersuchung für „felddienst-tauglich“ erklärt zu werden,
versetzt ihn in über Monate hin in Katastrophenphantasien. „Ich bekam Anfälle,
wenn ich einen Soldaten sah“ (23. 8). „Die Ehe und das Militär, in dieser
schauderhaften Doppelklammer werde ich wohl zerrieben werden“ (30. 8.).
Sein häufig
schwankendes Selbstwertgefühl in den Tagebüchern steht in einem bemerkenswerten
Gegensatz zu seinen staatstheoretischern Auffassungen. Er verherrlicht fast
grenzenlos die Staatsmacht und ein heroisches Staatsbild schon in den Schriften
dieser Zeit, wie „Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen (1914),
„Die Diktatur“ (1921). Das setzt sich fort mit „Römischer Katholizismus und
politische Form“ (1923) und mündet schließlich in seine Apotheosen auf den
Führerstaat Hitlers nach 1933. In den Tagebüchern dagegen erleidet er den Staat
als einen unerträglichen Moloch, der den Einzelnen knechtet, ausbeutet und
vernichtet. Wenn es ihn selbst betrifft, etwa beim Kriegsdienst mit der Waffe, haßt
und verachtet er den Staat und jeden, der seiner Freiheit entgegensteht: „Oft
Wut und Verbitterung. Ich fühle mich zurückgesetzt, weil ich nicht der Erste
bin“ (22. 5.).
Sein nervlicher
Zustand, von ihm selbst vielfach als zerrüttet beschrieben, machte ihn oft
verzweifelt und hilflos, jedenfalls unfähig für Entscheidungen zur Änderung
seiner Lage. Seine Aufzeichnungen über das Intimleben mit seiner „Cari“ legen
zudem eine starke sexuelle Hörigkeit nahe. Die psychische Situation Schmitts im
Jahr 1915 wird zusätzlich durch seine permanente Geldnot geprägt: „Ich habe …
oft eine rasende Begierde nach Geld. Ich armer Teufel“ (3. 12.). Seine
Einkünfte sind minimal. Das Leben mit seiner Cari ist teuer, zumal sie keiner
Arbeit nachgeht, unbekümmert ausgabenfreudig und wenig häuslich ist. Man speist
regelmäßig in der Boheme-Szene um Schwabing herum. Wenige Male und nur, wenn
gar kein Geld mehr da ist, kocht sie in der kleinen gemeinsamen Wohnung.
Schmitt grübelt gelegentlich darüber, wieviel Geld er hätte, wenn er Cari nicht
mitfinanzieren müßte, aber sie ist ja so lieb und anschmiegsam …
Einnahmen neben dem
spärlichen Sold als Gefreiter erhält er durch regelmäßige Zuwendungen von Georg
Eisler, dem Bruder seines gefallenen jüdischen Freundes Fritz Eisler, sodann von
einem reichen elsässischen Onkel, seinem Vetter und anderen Gönnern. Der Jammer
über die eigene Armut und die Sucht nach viel Geld und Karriere füllen viele
Tagebuchblätter. Bisweilen denkt er darüber nach, wie falsch es gewesen sei,
die Beziehung zu seinem früheren Gönner in der Düsseldorfer Referendarzeit, dem
zwischenzeitlich verhaßten und geschmähten Geheimrat Hugo am Zehnhoff, Cari
zuliebe abgebrochen zu haben. Er hätte doch dessen Testamentsvollstrecker
werden können …
Hier wird ein
Charakterzug sichtbar, der die gesamten Aufzeichnungen – auch schon in den
Tagebüchern 1912-1915 – durchzieht. Schmitt hat den Menschen seiner Umgebung
gegenüber, vor allem denen, von denen er sich Vorteile verspricht oder empfängt
und daher abhängig weiß, stark wechselnde Gefühle zwischen Zuneigung und Haß.
Das gilt für seine Cari, für den Geheimrat am Zehnhoff, für Georg Eisler, für
seine „Freunde“ in der literarischen Welt, vor allem Theodor Däubler („das
Schwein, dieser Riesenparasit“, 10. 11.), mit dem er über Wochen und Monate hin
enge Kontakte pflegt. Er schwankt zwischen gegensätzlichen Gefühlswelten,
Bewunderung und Ergebenheit nach außen, Schmähungen, Anklagen und Aggressionen
im Tagebuch. Die Gehässigkeit seiner Bemerkungen über Wohltäter und Freunde ist
oft kaum zu überbieten. Sie geben ihm nicht genug, sind eitel, monoman, beuten
ihn aus, verkennen sein Genie.
Auffällig ist
schließlich das gespaltene Verhältnis Schmitts zu Juden und zum Judentum, das
sich schon in den ersten Tagebüchern spiegelt. Mit dem Juden Fritz Eisler war
er eng befreundet. Ihm hat er seine „Verfassungslehre“ gewidmet. Dessen Bruder
Georg trägt mit regelmäßigen Zahlungen, die nie ausreichen, zu seinem und
seiner Cari Lebensunterhalt bei, erntet dafür wenig Dank, aber viele bissige
Tagebucheintragungen („immer unerträglicher, selbstgefälliger, unduldsamer, rücksichtsloser.
Aber heute habe ich von ihm 50 Mark bekommen“, 28. 4.). Der jüdische Direktor
der Handelshochschule München, sein Förderer Prof. Moritz Julius Bonn besorgt ihm
im August 1919 eine Dozentur an seiner Hochschule. Eine untergründige
Judenfeindschaft bricht in den Tagebuchnotizen immer wieder hervor: Welch ein
Adel (wie der preußische), der sich von Juden bezahlen und philosophisch
rechtfertigen läßt“. Oder: „Und ich ärgere mich, daß dieser Jude es so gut hat
und ich hier wie die ekelhaften Sklaven herumstöhnen muß“ (4. 10.).
Die vorliegenden
Aufzeichnungen zerstören erneut viele heroische und idealisierte Fiktionen
seines Persönlichkeitsbildes, wie sie von Biographen und Verehrern lange
gepflegt wurden. Er, der nach eigener Tagebuchnotiz „gern wieder katholisch
würde“, war nach diesen Blättern weder ein „katholischer Reichstheologe“ (A.
Koenen) noch ein „Aufhalter des Antichrist“ (E. W. Böckenförde). Alles in allem
zeigen die Tagebuchblätter das Bild einer gespaltenen, rastlosen, zutiefst
zerrissenen und unsicheren Persönlichkeit, oft geplagt von schweren
Angstpsychosen. Sie blieben auch später, vor allem in der letzten Lebensphase sein
Schicksal.
Die Geschichte
seiner ersten Ehe ist, wie sein Schüler Rüdiger Altmann zutreffend
diagnostiziert hat, ein Schlüssel zum Verständnis seiner Persönlichkeit und
seiner politischen Entwicklung nach 1933. Einerseits war er ein hochbegabter,
sprachmächtiger Analytiker mit umfassender literarischer, historischer,
juristischer und philosophischer Bildung. Anderseits versagte er kläglich, wenn
es darum ging, menschliche Charaktere und werthafte Zusammenhänge zutreffend zu
erkennen und zu beurteilen. Wie in der blinden Liebe zu seiner ersten Frau,
einer kriminellen Hochstaplerin mit zweifelhafter Vergangenheit, so hat er sich
später in Hitler und seinen braunen Bataillonen geirrt. Die ihm in
erstaunlichem Maße abgehende Menschenkenntnis und Urteilsfähigkeit wird von
einem Großteil seiner Anhänger bestätigt (Altmann, Tommissen, Maschke und
Hüsmert, der von einer „unglaublichen Blindheit Schmitts“ in Sachen seiner
ersten Frau spricht).[3] Diese außerordentliche Urteilsschwäche in
personalen und Wertfragen erklärt vielleicht auch die Schlichtheiten seines Politik-
und Staatsverständnisses mit der Reduktion auf die Ideale des
Ausnahmezustandes, des Freund-Feind-Schemas und der Diktatur.
Das Tagebuch 1915 zeigt schließlich (vorsichtig formuliert) einen in mancher Hinsicht problematischen Charakter des Autors, den sein Schüler Rüdiger Altmann in persönlichen Gesprächen oft betont hat. Die Auflösung vieler Mythen um diesen Starjuristen des Dritten Reiches ist das Verdienst dieser Edition.
Gleichwohl
bleibt ein Unbehagen. Was ist der Zweck, was die Wirkung dieser Publikation der
Tagebücher? Verletzt sie nicht vielleicht die Intimsphäre, ja die Menschenwürde
des Schreibers, der, nicht selten in offenkundigen pathologischen
Ausnahmelagen, seinen Notizen persönlichste Empfindungen anvertraut, die aus
seiner Sicht gewiß nicht für Dritte bestimmt waren. Welchen Bedürfnissen also
dient, zehn Jahre nach dem Tod des
Autors, das Aufrühren dieser Chronik einer verwirrten Lebensphase mit
zahlreichen psycho-pathologischen Passagen? Läuft die Publikation auf eine
nachträgliche geistige Demontage hinaus? Mußte alles veröffentlicht werden? Diese
Fragen drängen sich vor allem im Hinblick auf die Fortsetzungspläne des Verlages
und der Herausgeber auf. Anderes fehlt dagegen leider. Der Leser hätte
eigentlich ein Bild der Frau Dorotic erwartet, die Carl Schmitts Schicksal so
sehr beeinflußt hat. Es ist kaum denkbar, daß im Nachlaß keines vorhanden war.
Konstanz Bernd
Rüthers