Richter, Isabel, Hochverratsprozesse als Herrschaftspraxis im Nationalsozialismus. Männer und Frauen vor dem Volksgerichtshof 1934-1939. Zur Verfahrenspraxis politischer Justiz im Nationalsozialismus (= Theorie und Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft 19). Westfälisches Dampfboot, Münster 2001. 267 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im März des Jahres 2001 hat Wolfgang Eder die Rezension des Werkes erbeten. Trotz vieler Erinnerungen ist sie bisher nicht eingetroffen. Deshalb soll wenigstens eine kurze Vorstellung der von Karin Hausen betreuten und vom Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Berlin als Dissertation angenommenen Arbeit der Verfasserin über die 50 aus insgesamt 242 vollständig erhaltenen ausgewählten Hochgerichtsverfahren gegen den linken Widerstand erfolgen.

 

Nach einer kurzen Einleitung gliedert sie sich in insgesamt sechs Kapitel. Davon stellt das erste Kapitel (Analysekonzept) den Untersuchungsansatz und die Prämissen sowie die Methode vor und äußert sich kritisch zum Erkenntniswert von Strafprozessakten. Das zweite Kapitel schildert die allgemeinen historischen Entstehungsbedingungen für Hochverratsverfahren von 1933 bis 1939, wobei einerseits die historische Entwicklung des Hochverrats als Tatbestand und andererseits der Weg vom Reichsgericht zum nationalsozialistischen Volksgerichtshofs geschildert und danach die rechtspolitischen Transformationen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten dargelegt werden.

 

Die anschließenden vier Kapitel folgen im Wesentlichen dem Ablauf des durchschnittlichen Verfahrens. Deswegen werden für den Verfahrensbeginn private Anzeigen aus der Bevölkerung (20 Prozent) und die Verfolgungspraxis der geheimen Staatspolizei gegenübergestellt. Angefügt wird der Verlauf vom Verhör bis zur Anklage.

 

Für die Hauptverhandlung werden die Spuren konkreter Verhandlungsabläufe knapp dargetan. Danach werden die Richter (15), Staatsanwälte (20), Sachverständigen und das Publikum beschrieben. Am Ende stehen die engen Handlungsspielräume der mehrheitlich nichtjüdischen, vielfach im Zeitpunkt der Verhaftung erwerbslosen, dem Arbeitermilieu angehörigen Angeklagten.

 

Den Schluss der Hauptverhandlung bildet das Urteil über die 120 männlichen und 39 weiblichen Angeklagten. Hier geht die Verfasserin umsichtig auf die Urteilspraxis ein. Sie ermittelt eine Herrschaftspraxis auf Grund Deutungsmonopols, der gegenüber das meist erfolglose Begnadigungsverfahren nur einen bescheidenen Anhang bildet.

 

Insgesamt arbeitet die Verfasserin überzeugend einen wichtigen und interessanten Bereich von Herrschaft durch Verfahren im Nationalsozialismus durch. Stark geprägt ist die Untersuchung von Fragestellungen und Vokabular des zugehörigen Wissenschaftsfachs. Ein Register fehlt und die Anmerkungen sind benutzerfeindlich an das Ende gestellt.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler