Pflefka, Sven, Das Bistum Bamberg, Franken und das Reich in der Stauferzeit. Der Bamberger Bischof im Elitengefüge des Reiches 1138-1245 (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 9, Darstellungen aus der fränkischen Kunstgeschichte 49). Wissenschaftlicher Kommissionsverlag Sigrid Strauß-Morawitzky, Stegaurach 2005. XII, 442, [7] S., Ill., graph. Darst. Besprochen von Alois Gerlich.

 

Die aus der Schule Bernd Schneidmüllers stammende Dissertation zeigt an, wie die vor einem Menschenalter etwas mühsam entstandene Universität Bamberg sich jetzt in die bisher von Würzburg und noch stärker von Erlangen-Nürnberg dominierte Forschungslandschaft Franken einfügt. Erich Freiherr von Guttenberg, Alfred Wendehorst und Gerd Zimmermann haben grundlegende Forschungen vorgelegt, die aus dem weiteren Franken Paten standen für die hier anzuzeigende Untersuchung. Aus dem engeren Bereich des Bistums und Hochstiftes ist nicht nur aus Pietät zu nennen die siebenbändige Darstellung von Johann Looshorn (seit 1998 mit Register von Martin Schieber) ob ihrer Materialfülle, dann die ihr folgende Raffung von Johannes Kist. Spezielle Studien legten vor Ferdinand Geldner, Otto Meyer, Klaus Guth und Helmut Flachenecker. Aus jüngster Zeit sind die stark auf das Hochmittelalter, besonders auf Kaiser Heinrich II. als Bistumsgründer bezogenen Untersuchungen von Stefan Weinfurter, Gerd Althoff, Jürgen Peterson und Bernd Schneidmüller hervorzuheben. Einige der Dissertation vorauseilende Studien legte Pflefka in den Berichten des Historischen Vereins Bamberg vor. Für die stauferzeitliche Umgebung der Dissertation waren wegweisend Odilo Engels, Theo Kölzer, Egon Boshof und wegen des Bamberger Königsmordes Bernd Ulrich Hucker. Nicht außer Acht gelassen seien die Begleitbände zu den großen Ausstellungen in Bamberg und München von 1998 und 2000, besonders mit den Erörterungen von Alois Schütz und Klaus van Eickels.

 

Angesichts dieser dichten Forschungsintensivität seit der Mitte des 19. Jahrhunderts - sieht man von noch älteren Publikationen ab - schien es fast überflüssig, sich mit den Bischöfen und ihrem Bistum zu befassen. Außerdem hatte man sich mit dem Hochstift als dem weltlichen Herrschaftsinstrument ebenso intensiv im Gefolge Erichs Frhr. von Guttenberg befasst. Pflefka wählt einen anderen Ausgangspunkt für seine Überlegungen: Der Bischof als Königswähler und seine Funktion im Reichsdienst. Er geht aus von einer Gegenüberstellung der Amtszeiten aller Bischöfe in Franken. Diese zeigt eine durchschnittlich längere Abfolge von Amtszeiten in Bamberg (11) und Eichstätt (12), eine etwas kürzere in Würzburg (15). Stand bisher oft der Eindruck einer ausnehmend starken Kontinuität der Einflussnahmen des Hauses Andechs-Meran auf Bamberg in Vordergrund, weist Pflefka darauf hin, dass nie ein Angehöriger jener Dynastie den direkten Anschluss an das Wirken eines Verwandten fand, also Königen und Domkapitel in der Stauferzeit mindestens ansatzweise mehr Möglichkeiten eines Wechsels bei Wahlen zukamen. Das Domkapitel benannte immer einen Kandidaten, der Zustimmung auch des Herrschers fand. Itinerarbeobachtungen belegen zudem nach König Konrads III. Reichsumritt dessen Fortsetzung der auf Franken gerichteten Initiativen. Das Bild wurde in der Zeit Kaiser Friedrichs I. Barbarossa bunter infolge der größeren Reichweite seiner Politik, doch behielt Franken seine Stellung. Gesammelt werden vom Verfasser die Nachrichten über Aufenthalte der Bamberger Bischöfe am Hof der Herrscher bis zum Ende des Stauferhauses. Insbesondere Königswahlen bieten Ansatzmöglichkeiten zu Aussagen im Anschluss an Uta Reinhardt und Ernst Schubert über die Mitwirkung Bamberger Bischöfe an den Erhebungen. Hier misst er seinen ‚Helden’ aber wohl etwas zu viel Bedeutung zu, wenn er den Befund aus der Zeit des Bischofs Ekbert II. von Andechs-Meran als Aussage auch zu den Wahlen von 1211, 1220 und 1237 erweitert, Bamberger Bischöfe seien „die gesamte Stauferzeit hindurch“ Königswähler gewesen (S. 73). Da müsste man wohl die Mitwirkung auch anderer geistlicher Reichsfürsten zum Vergleich heranziehen. Vor allem die Vorstufen des Wirkens der späteren geistlichen Kurfürsten am Rhein als der stärker bestimmenden Kräfte bei den Wahlen schon seit der Ottonenzeit wären breiter zu berücksichtigen.

 

Vorbildlich sind die Beobachtungen über den Reichsdienst, man sollte wohl differenzierter von Initiativen in Angelegenheiten des Reiches sprechen, um der Vorstellung einer lückenlosen Kontinuität vorzubeugen. Ist hierzu bei Bischof Otto I. infolge dessen Distanz zu Kaiser Lothar III. nicht viel zu sagen, so sind die Hinweise auf die zaghafte Annäherung an die Staufer sehr zu beachten. Egilbert I. brachte den Ansatz zu einer kontinuierlich wahrgenommenen Haltung zu Gunsten Konrads III., wobei der Verfasser mit Recht darauf hinweist, dass die Initiative zunächst beim König lag, der den ostfränkischen Machtträger in seine antiwelfische Politik einbezog (S. 75). Mit der Würdigung des Wirkens dieses bisher von der Forschung vernachlässigten Bischofs schließt der Verfasser eine Lücke. Die durchgeformte Einbeziehung in reichspolitische Konstellationen kennzeichnet das Verhalten Eberhards II. zunächst in der Auseinandersetzung mit den Grafen von Andechs, dann nach dem Thronwechsel von 1152 in der Mitwirkung bei den Vorhaben König Friedrichs I. Barbarossa, besonders bei der Absetzung des Mainzer Erzbischofs Heinrich I. von Mainz 1153 (S. 111-116), über die Heinrich Büttner und im Blick auf die zeitlich nahe Absetzung des Eichstätter Bischofs Burchard Stefan Weinfurter Studien vorlegten. In der Behandlung der Wahlanzeige des Königs an den Papst diskutiert Pflefka die Meinungen von Heinrich Appelt und Odilo Engels. In das Bild der Verhaltensweise des Bamberger Bischofs gehören die abwägenden Beurteilungen seiner Politik während des Schismas mit dem Vergleich der schwankenden Stellungnahmen Eberhards II. zur scharf antialexandrinischen Starrheit Rainalds von Dassel. Nach dessen Tod 1167 gewann Eberhard bis zu seinem Ableben drei Jahre später nochmals seinen alten Einfluss auf die Reichspolitik zurück. Doch damit war die enge Beziehung zwischen Bistum und Herrschern beendet. Das Bild bestimmen nun die Aktivitäten der Grafen von Andechs-Meran in den regionalen Auseinandersetzungen. Reichspolitische Unruhen nach der Doppelwahl 1198 machten neue Entscheidungen notwendig in den kurz bemessenen Amtszeiten der Bischöfe Timo und Konrad mit deren Hinwendung zur Partei des Staufers Philipp von Schwaben. Die ersten Amtsjahre des 1203 gewählten Ekbert IV. von Andechs-Meran zeigten die Fortsetzung jener Option besonders mit der Teilnahme an König Philipps Nürnberger Hoftag im Mai 1205. Doch der Bamberger Königsmord drei Jahre später brachte starke Erschütterungen der Konstellation in Franken. Der Verfasser widmet jenem Ereignis selbst nicht nur Aufmerksamkeit in beinahe ‚staatsanwaltschaftlicher’ Abwägung aller Indizien in der auf Ekbert gerichteten Mitschuldfrage, sondern bringt in seinen Ausführungen kritische Erwägungen im Blick auf die Forschungen von Bernd Ulrich Huckert, Bernd Schütte und Hans Martin Schaller. Statt ihrer Überlegungen über die Frage, ob hinter der Ermordung ein Komplott unter Mithilfe des Bischofs Ekbert das Ziel eines ‚Staatsstreiches’ stand, wozu auch Peter Csendes neigt, kehrt Pflefka zur älteren Ansicht zurück, dass man trotz weiter bestehender „geringer Restzweifel“ an Ekberts Mitwisserschaft diesen „letztlich freisprechen“ müsse. Man wird wohl auch weiterhin an der Aussage, Pfalzgraf Otto von Wittelsbach habe als Einzeltäter gehandelt, festhalten. Doch bleibt das Bild einer schillernden Persönlichkeit des Bischofs Ekbert IV. von Andechs-Meran bestehen, zu dem auch Pflefka manches beiträgt (vgl. S. 186 ff.).

 

Im Rückgriff bis auf die Anfänge der staufischen Herrscherstellung 1138 mustert der Verfasser die Bedeutung der Bamberger Bischöfe in den Itineraren der Kronträger. Hinzuweisen ist auf die exemplarisch genauen Statistiken im Anhang (S. 395-432). Hier zeigen sich beträchtliche Unterschiede. Für Konrad III. und Friedrich I. Barbarossa hatte Bamberg als Aufenthaltsort nur mittlere Bedeutung im Vergleich mit Würzburg, Nürnberg und Regensburg, ganz zu schweigen von Worms. Im Itinerar Heinrichs VI. spielt nur Würzburg eine mittelmäßige Rolle, wobei natürlich dessen verhältnismäßig kurze Aufenthalte in Deutschland in Anschlag zu bringen sind. Dies gilt auch für Philipp von Schwaben angesichts der überwiegend auf den Rhein konzentrierten Kämpfe mit dem Welfen Otto IV. Einen gewichtigeren Rang nimmt Franken in den Anfangsjahren der Herrschaft Friedrichs II. ein. Allerdings fehlt Bamberg in den Ortsnennungen ganz, Nürnberg steht im Vordergrund, gefolgt mit Abstand nur von Würzburg. Dazu passt die Beobachtung, dass der Stauferbesitz in Franken der Auflösung entgegenging, abgesehen von den Reichsstädten und Reichsdörfern (S. 233.). Ein spätes Gegenbild bieten nur die Aufenthalte Heinrich (VII.) in Nürnberg, Würzburg und Wimpfen, die als Teilaussage über dessen unruhevolles Machtstreben und des Getriebenseins in Franken wie am Mittelrhein zu werten sind. Den absoluten Gegensatz sollte dann Rudolf von Habsburg bringen, in dessen Itinerar neben den rheinischen Städten nur Nürnberg noch bedeutsam war. Kartenskizzen im Text machen dies anschaulich.

 

In den Endabschnitten seiner Untersuchungen geht Pflefka auf die Eigenstellung Bambergs im Vergleich mit anderen Reichsbistümern infolge der Verfügungen Kaiser Heinrichs II. und Papst Johannes’ XVIII. ein. Es war vielleicht weniger die Folge der Maßnahmen des Herrschers, die Stefan Weingärtner analysiert hat, als die von Bamberg selbst seit dem Papstbesuch 1020 und wiederholt bis zur im Konzil von Lyon 1245 betriebene Unterstellung unter Rom, die zu beachten ist. Davon tangiert war in erster Linie das Verhältnis Bambergs zum Erzbischof von Mainz. Der Verfasser zeigt auf, wie unter Sprengung der hierarchischen Struktur in Nutzung reichspolitischer Konstellationen ein Bistum aus dem gewachsenen Mainzer Metropolitangefüge ausschied und sich zudem zum Schaden Würzburgs und Eichstätts etablierte. Das wird dargelegt im Blick auf die diensteifrige Agilität des Bischofs Eberhard II. und dessen Verhalten anlässlich der Absetzung des Erzbischofs Heinrich I. von Mainz (S. 253). In seiner Darstellung betont der Verfasser zutreffend den Wert liturgischer Privilegien, der stufenweise ausgestalteten Vergünstigung des Tragens des Palliums für den Bischof und begleitender Maßnahmen der Päpste zugunsten des Domkapitels. Großen Wert für das Ansehen der Bamberger Kirche brachten die Kanonisationen Kaiser Heinrichs II. 1146, Bischofs Ottos I. 1189 und schließlich der Kaiserin Kunigunde 1200. Die Verbreitung des Heinrichkultes wird, gestützt auf die Ergebnisse von Klaus Guth, Bernd Schneidmüller und Renate Klauser, knapp behandelt, hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aspekte von Kanonisationen und deren Wirkung schließt sich der Verfasser Jürgen Petersohn an: Karl der Große wurde zum Reichsheiligen, Heinrich II. blieb ein Bistumsheiliger, wenn auch mit regionalen Ausstrahlungen seiner Verehrung (S.282). Auf deren Förderung durch die Könige Konrad III. und Philipp von Schwaben weist Pflefka hin (bes. S. 287ff.).

 

Zum Abschluss seiner Darstellung wendet sich der Verfasser zur Gegenseite, zum Bistum Würzburg. Nicht spezifische geistliche Angelegenheiten, sondern das bereits in vielen Erörterungen behandelte Herzogtum des Bischofs ist Gegenstand seiner Überlegungen. Er kann sich auf die rechtsgeschichtliche Forschung stützen, die von Theodor Mayer und Erich Schrader bis zu Alfred Wendehorst und Gerd Zimmermann reicht. Hinsichtlich der Urkunde Kaiser Heinrichs V. von 1120 kann auch er keine neuen Erkenntnisse bieten, weil über die damals dem Bischof zugesprochene dignitas iudiciaria in tota orientali Francia weder vom Kaiser noch von Zeitgenossen Näheres erklärt wurde. Besser steht es um die Urkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa vom Würzburger Hoftag 1168 hinsichtlich ihrer Aussage über die nachmals so genannte „Güldene Freiheit“ mit ihrer Definition der herzoglichen Gewalt im Bistum und über die in ihm gelegenen Grafschaften sowie die Zuständigkeit seiner Blutgerichtsbarkeit. Faktisch beschränkte sich das Herzogtum auf den Bereich des Bistums. Gegen Bamberg lag schon vordem die Neigung nahe, dort Rechtsansprüche geltend zu machen, doch scheiterte sie an der harten Abwehr Eberhards II., spätere Würzburger Fälschungen blieben ergebnislos. Pflefka betont, dass man nicht von kontinuierlichem Gegensatz der beiden Mainbistümer sprechen kann. In Bamberg schritt die bis zu nachträglicher Verklärung gesteigerte Besinnung auf Heinrich II. voran, man bezog sich stets auf die päpstlichen Privilegien und stärkte so das Eigenständigkeitsbewusstsein. Die Betonung des honor ecclesiae Bambergensis neben dem honor imperii trug seit Eberhard II. das Handeln der Bischöfe in den folgenden Jahrhunderten (vgl. bes. S. 320-328).

 

Wiesbaden                                                                                         Alois Gerlich