Olechowski, Thomas, Rechtsgeschichte. Einführung in die historischen Grundlagen des modernen Rechts. WUV Universitätsverlag, Wien 2006. 340 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dieses WUV-manual ist nach dem Vorwort für Studierende der Rechtswissenschaft bestimmt und nennt als ideale Ergänzung Olechowski, Thomas, Rechtsgeschichte – Materialien und Übersichten, 4. Auflage 2006. Es soll die (erstsemestrigen) Studierenden in die historischen Grundlagen und in die aktuellen Grundprobleme des österreichischen und europäischen Rechts einführen. Im Zentrum stehen die Entwicklung des Verfassungsrechts und die Entwicklung des Privatrechts, wobei die Betonung der institutionengeschichtlichen Entwicklung Verständnis für die Bedingungszusammenhänge des modernen Rechts wecken und die Maximen der heutigen Rechtskultur deutlich machen soll.

 

Entstanden ist das für die Hand eher etwas große und für ein Handbuch eher noch etwas dünne manual aus der Lehrveranstaltungsgrundlage (Skriptum des Verfassers) Grundlagen der österreichischen und europäischen Rechtsgeschichte (3. Auflage 2005) sowie aus der von Werner Ogris begründeten und vom Verfasser nach der Emeritierung des Lehrers fortgeführten Lehrveranstaltungsunterlage (Skriptum) Privatrechtsentwicklung (5. Auflage 2005). Gegenüber den bisherigen Skripten wurden im an die allgemeine Öffentlichkeit getretenen Buch insbesondere die Abschnitte über Österreich seit 1918 sowie das Erbrecht einer gründlichen Neubearbeitung unterzogen, während in den übrigen Bereichen kleinere Verbesserungen erfolgten.

 

Anlass für den Zusammenschluss und die Überarbeitung ist der neue, soeben in Wien in Kraft getretene juristische Studienplan. Er splittert im Zuge der unendlichen Studienreformbemühungen die Rechtsgeschichte in einen Pflichtbereich, einen Wahlbereich und einen Pflichtwahlbereich auf. Das manual versucht dem durch seine Gliederung in einen entwicklungsgeschichtlichen allgemeinen Teil, einen institutionengeschichtlichen Teil zur Verfassungsgeschichte und einen institutionengeschichtlichen Teil zur Privatrechtsgeschichte zu begegnen und dennoch Grundlage für verschieden gestaltete Lehrveranstaltungen zugleich zu sein, wobei es im besonderen für die Lehrveranstaltungen aus beiden Teilen des Pflichtfachs Rechts- und Verfassungsgeschichte der neueren Zeit (Verfassungsgeschichte einerseits, Privatrechtsgeschichte andererseits) und außerdem auch für das Pflichtwahlfach vergleichende europäische Verfassungsgeschichte konzipiert ist.

 

In jedem Abschnitt verweist es auf das von Thomas Olechowski und Richard Gamauf soeben gemeinsam herausgegebene Studienwörterbuch Rechtsgeschichte und römisches Recht, das den Verweis auf Spezialliteratur, wie (er oder) sie von einem echten Lehrbuch erwartet werden darf, in dem manual entbehrlich macht. Wegen einer ausführlichen Auflistung allgemeiner Literatur verweist es auf das für die ideale Ergänzung bestimmte Arbeitsbuch Rechtsgeschichte (Materialien und Übersichten), das außerdem eine Zeittafel und die wichtigsten im gegenständlichen manual erwähnten Rechtsquellen enthält und so als begleitende Arbeitsunterlage für Studienanfänger dient, denen der Verfasser seine besten Wünsche für ein erfolgreiches Studium übermittelt. Dementsprechend stehen mehrere Studienbehelfe aus mehr oder weniger einer Hand nunmehr nebeneinander.

 

Der allgemeine Teil gliedert sich in vier Abschnitte. Der erste Abschnitt behandelt Österreich und Europa bis 1918 (Frühmittelalter, Hochmittelalter, Spätmittelalter, frühe Neuzeit, höfischer Absolutismus, aufgeklärter Absolutismus, französische Revolution und napoleonisches Zeitalter, Vormärz, Revolution 1848 und ihre Folgen, Konstitutionalismus), der zweite Abschnitt Europa seit 1918, der dritte Abschnitt Österreich seit 1918 und der vierte Abschnitt Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (archaische Rechtskultur, römisches und byzantinisches Recht, Volksrecht, mittelalterliches Recht vor der Rezeption, Kanonistik und Legistik, Rezeption und usus modernus, common law, Vernunftrecht, historische Rechtsschule, neuere Strömungen von der Zweckjurisprudenz bis zum Kodifikationsgedanken im 20. Jahrhundert). Teils ist der allgemeine Teil also (ab dem Mittelalter) chronologisch, teils sachlich (und im zweiten Sachteil bzw. vierten Abschnitt wiederum chronologisch ab den vormittelalterlichen Anfängen des Archaischen) gegliedert, was der Studienanfänger einfach lernen muss und vielleicht ja auch irgendwie versteht oder nicht.

 

Die Verfassungsentwicklung des zweiten Teiles gliedert vorrangig sachlich und dann doch wieder auch chronologisch. Hier stehen nebeneinander die Abschnitte Staatsformen, zu denen Feudalismus, Absolutismus, Konstitutionalismus, Demokratie und Diktatur (des 20. Jahrhunderts) gezählt werden, europäische Integration (von den Anfängen bis zu den jüngsten Entwicklungen), Grundrechte (allgemeine Lehren und einzelne Grundrechte [Gleichheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Pressefreiheit, Folterverbot]) und Verwaltungs- und Verfassungskontrolle (Justizstaat, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Ombudsman, Normenkontrolle, Staatsgerichtsbarkeit). Insgesamt nimmt dieser zweite Teil die Seiten von 133 bis 241 ein.

 

Der dritte Teil steht unter der Überschrift Privatrechtsentwicklung. Er gliedert sich entsprechend dem heutigen Verständnis auch in Österreich nach einem abgewandelten Pandektensystem in Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht und Schuldrecht. Bei den einzelnen Instituten erscheint dann auch je nach Gegebenheiten und Bedarf die zugehörige Entwicklung in irgendwie chronologischer Abfolge.

 

Insgesamt enthält das Werk dabei zahlreiche oder vielleicht sogar zahllose einzelne Fakten. Sie folgen in kurzen Absätzen und kurzen Sätzen in 3538 Randnummern aufeinander. Sie werden zudem durch elf Graphiken zu Einzelbereichen veranschaulicht.

 

Wer alle drei Teile des bisherigen didaktischen Gesamtwerks Olechowskis (manual, ideale Ergänzung und prüfungsstoffrelevantes Studienwörterbuch) vollständig in sich aufgenommen hat und bei Bedarf einwandfrei wiedergeben kann, wird die Pflichtprüfung in dem Pflichtfach Rechtsgeschichte unter welchem Namen auch immer (z. B. Rechts- und Verfassungsgeschichte der neueren Zeit, Untereinheit Verfassungsgeschichte oder Untereinheit Privatrechtsgeschichte) sicher mit einer sehr guten Note bestehen. Es sei ihm zu wünschen, dass er darüber hinaus auch versteht, dass das Menschenwerk Recht in allen Auswirkungen ein Ergebnis unterschiedlicher, miteinander konkurrierender geschichtlicher Kräfte ist. Wenn ihm dabei die eindrucksvollen Werke Thomas Olechowskis trotz ihrer Andersartigkeit gegenüber einer synchronistischen Rechtsgeschichte etwa Heinrich Brunners geholfen haben, haben sie ihr vom gut vernetzten Verfasser angestrebtes Ziel erreicht und dem dynamischen Autor nicht nur einen beachtlichen Verkaufserfolg und ein zugehöriges Hochschullehrerimage, sondern auch einen diesen Leistungen gebührenden Rang in der juristischen Literaturgeschichte Österreichs und Europas auf Dauer gesichert.

 

Innsbruck                                                                                                                   Gerhard Köbler