Oestmann, Peter, Aus den Akten des Reichskammergerichts. Prozessrechtliche Probleme im Alten Reich (= Rechtsgeschichtliche Studien 6). Kovač, Hamburg 2004. VII, 388 S. Besprochen von Bernd Schildt.

 

Der hier anzuzeigende Sammelband vereinigt neun Aufsätze des Münsteraner Ordinarius für Bürgerliches Recht und Deutsche Rechtsgeschichte Peter Oestmann. Dabei handelt es sich durchgängig um Fallstudien auf der Grundlage von Prozeßakten des Reichskammergerichts. Ihre zusammenhängende Veröffentlichung rechtfertigt sich nicht nur durch den Umstand, daß sie in zum Teil sehr entfernten Publikationsorganen veröffentlicht worden sind, und insoweit schwer zugänglich sind, sondern auch aus inhaltlichen Gründen. Es ist durchaus ein Gewinn, die einzelnen Arbeiten in ihrem inhaltlichen Zusammenhang und der damit verbundenen Verzahnung historisch-methodischer Problemstellungen zur Hand zu haben.

 

Den breitesten Raum nehmen dabei fünf Fallstudien aus dem Umfeld der Dissertation Oestmanns – Hexenprozesse am Reichskammergericht (1997) – ein. Besonders verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den im Jahre 2002 erschienenen Aufsatz: Die Rechtsprechung des Reichskammergerichts zum Hexenprozess und ihre Resonanz (S. 265-300). Hier zieht O. die Summe aus seinen bisherigen Forschungen zur Reflexion von Hexenprozessen in der Rechtsprechung des Reichskammergerichts. In ihnen werden zum einen die ebenfalls in vorliegendem Sammelband abgedruckten Einzelstudien – Friedrich Spee und das Reichskammergericht im Kampf gegen die Hexenprozesse (S. 105-145), Die Offenburger Hexenprozesse im Spannungsfeld zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht (S. 147-190), Lippische Hexenprozesse vor dem Reichskammergericht (S. 191-223), Vom Reichskammergerichtsadvokaten zum Teufelskünstler – das Schicksal des Goslaer Syndikus Johann Mutterstadt (S. 225-264) und auch seine Göttinger Dissertation von 1996 – Hexenprozesse am Reichskammergericht – umfassend verarbeitet.

 

Bei den anderen vier Beiträgen handelt es sich offensichtlich um detaillierte Vorarbeiten zu seiner Habilitationsschrift Rechtsvielfalt vor Gericht. Rechtsanwendung und Partikularrecht im Alten Reich (Frankfurt am Main 2002). An Hand zweier Fallstudien – Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter – eine Fallstudie (S. 1-67) und Lübecker Rechtspraxis um 1700. Der Streit um die Entführung der Catharina Lefever (S. 69-104) – geht O. am Beispiel der Hansestadt Lübeck der Frage nach, in welchem Verhältnis partikuläres und römisches Recht sowohl in der Rechtspraxis partikularer Gerichte, als auch der des Reichskammergerichts standen. Ebenfalls ein Rechtsanwendungsproblem wird in dem Beitrag Die Grenzen richterlicher Rechtskenntnis (S. 301-344) thematisiert. Der Sammelband schließt mit einem methodischen Beitrag –Die Rekonstruktion der reichskammergerichtlichen Rechtsprechung des 16. und 17. Jahrhunderts als methodisches Problem (S.345-385). Ausgehend von der mittlerweile wohl unstreitigen Prämisse, daß die Bedeutung des Reichskammergerichts nicht allein, vielleicht nicht einmal vorrangig, an ihrer Rechtsprechung zu messen sei, will O. gleichwohl die kammergerichtliche Judikatur wieder stärker in Blick nehmen (S. 346). Insbesondere geht es ihm dabei um Möglichkeiten der Rekonstruktion reichskammergerichtlicher Judikatur für die ältere, Speyerer Zeit des Gerichts. Aufgrund eigener intensiver Quellenkenntnis gelingt es dem Autor, Möglichkeiten und Methoden aber auch Grenzen bei der Erforschung der Rechtsprechungstätigkeit des Reichskammergerichts deutlich werden zu lassen.

 

Allen an der Reichskammergerichtsforschung interessierten Lesern, sofern sie nicht zu den regelmäßigen Empfängern einschlägiger Sonderdrucke Peter Oestmanns gehören, kann der vorliegende Sammelband nur wärmstens empfohlen werden.

 

Bochum                                                                                                          Bernd Schildt