Möser, Justus, Politische und juristische Schriften,
hg. v. Welker, Karl H. L. (= Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 19).
Beck, München 2001. 382 S. 3 Abb. Besprochen von Karl Kroeschell.
Das
Interesse an Justus Möser ist ungebrochen und scheint in den letzten beiden
Jahrzehnten gar noch zugenommen zu haben. Seit 1989 erscheint periodisch ein
Möser-Forum. Als Jurist, als Staatsdenker und als Historiker wurde Möser erneut
gewürdigt, und zum Verhältnis von „Historie und Jurisprudenz“ in seinem Werk
legte der Herausgeber des vorliegenden Bandes 1996 eine zweibändige Darstellung
vor (Rechtsgeschichte als Rechtspolitik. Justus Möser als Jurist und
Staatsmann), die als Standardwerk gelten kann. An Blütenlesen aus Mösers
Patriotischen Phantasien hat es ja ohnehin nie gefehlt.
Die
hier anzuzeigende Auswahl aus Mösers Schriften bietet gleichwohl in mehrfacher
Hinsicht Neues. Sie beginnt mit der berühmten Vorrede zur Osnabrückischen
Geschichte von 1768, die nicht nur Mösers Programm einer Nationalgeschichte
entwickelte, sondern zugleich seine eigenwillige Terminologie fixierte, die bis
heute so große Verständnisschwierigkeiten bereitet. Sie orientierte sich an den
altertümlichen Rechtsinstitutionen des Osnabrücker Landes, die sein Landsmann
Johann Ägidius Klöntrup nachmals in seinem Alphabetischen Handbuch der
besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück (1798-1800)
dargestellt hat. Es ist einer der Mängel der 1990 abgeschlossenen Möser-Gesamtausgabe,
daß sie diesem terminologischen Problem aus dem Wege ging.
Als
nächstes bietet der Band drei bisher ungedruckte Texte, nämlich die
Landtagspropositionen von 1765, 1766 und 1767, die Möser für König Georg III.
von England als Vormund des minderjährigen „Bischofs“ Friedrich von York
verfaßt hat. Ohne erläuternde Bemerkungen werden sie freilich nur
Spezialkennern der regionalen Geschichte des 18. Jahrhunderts etwas sagen.
Drittens
endlich, und hauptsächlich, werden wieder einmal Patriotische Phantasien
geboten - allerdings nicht wie gewöhnlich in Mösers redigierter Fassung der
Ausgabe von 1774-1786, sondern nach den in verschiedenen Intelligenzblättern
erschienenen Erstfassungen, und zwar in zeitlicher Reihenfolge. Auch von diesen
Stücken werden manche nur noch Fachleuten zugänglich sein, etwa die „Gedanken
über den westphälischen Leibeigenthum“ S. 108ff.) oder die Überlegungen zur
Markenteilung (S. 260ff.) - Gegenstände, die seinerzeit alle Gebildeten beschäftigten.
Andererseits hat „Das Glück der Bettler“ (S. 181ff.) in einer der bekanntesten
Anthologien des 20. Jahrhunderts Aufnahme gefunden; vgl. Glotz,
Peter/Langenbucher, Wolfgang R., Versäumte Lektionen. Entwurf eines
Lesebuchs, Gütersloh 1965, S. 229ff. Und zielt nicht der Brief „Keine Beförderung
nach Verdiensten. An einen Officier“ (S. 242ff.) geradezu auf die aktuellen
Pläne zur Reform des Beamtenrechts? „Wo Menschen herrschen und Menschen dienen,
ist Geburt und Alter, oder das Dienstalter, immer noch die sicherste und am
wenigsten beleidigende Regel zu Beförderungen“ (S. 245).
Einige
dieser Betrachtungen sollten allerdings zur Pflichtlektüre gebildeter Juristen
gehören, etwa die „Gedanken über den jetzigen Hang zu allgemeinen Gesetzen und
Verordnungen (S. 245ff.), oder noch besser das „Schreiben eines alten
Rechtsgelehrten über das so genannte Allegiren“ (S. 344ff.). Der Beitrag „Von
dem wichtigen Unterschiede des würklichen und des förmlichen Rechts“ (S. 340ff.)
ist ohnehin von unverminderter Aktualität.
Der
abschließende knappe Essay informiert vorzüglich über Mösers berufliche
Karriere und literarische Entwicklung. Erwünscht ist auch die abschließende
kommentierte Bibliographie. Alles in allem also ein empfehlenswertes Buch!
Freiburg im Breisgau Karl
Kroeschell