Lundmark, Lennart, Samernas skatteland i Norr- och Västerbotten under 300 år
(= Institutet för rättshistorisk forskning, Serien III, Rättshistoriska
Skrifter 8). Rönnells Antikvariat AB, Stockholm 2006. VII, 207 S. Besprochen
von Dieter Strauch.
Der
Titel des Werkes lautet übersetzt „Das Schatzland der Samen in Norr- und
Västerbotten während 300 Jahren“. Der Verfasser hat sich bereits in seiner
Doktorarbeit von 1982 und anderen Abhandlungen[1]
ausführlich mit der Geschichte der Samen in Nordschweden befasst. Mit der
gegenwärtigen Arbeit legt er eine quellenmäßige Geschichte der Samen in Norr-
und Västerbotten in den letzten 300 Jahren vor. Er hat damit ein Thema aufgegriffen,
das den schwedischen Staat und die schwedischen Behörden seit dem 17. Jahrhundert
beschäftigte, die Frage nämlich, welche Rechte die Samen an den von ihnen mit
ihren Rentierherden genutzten Regionen in Västerbotten und Norrbotten – also in
Nordschweden – haben.
Västerbotten
ist die Region nördlich von Umeå bis südlich von Piteå und Norrbotten der
Landesteil nördlich von Piteå und Luleå bis zur Grenze zu Finnland im Norden
und Osten und zu Norwegen im Westen, wobei diese Landesgrenzen in der dortigen
Einöde die Züge der Samen nicht aufhielten, wenn auch bald gesetzliche
Beschränkungen geschaffen wurden. In Norrbotten liegen auch die Erzgruben von
Gällivare und Kiruna. Nach den überlieferten Quellen waren die Samen in
Siedlungsverbänden organisiert. Ihre Organisation heißt heute meist
Siida-Gesellschaft. Sie nutzte die Lebensmöglichkeiten eines bestimmten
Gebietes und lebte von der Jagd, Fischerei, dem Sammeln von Pflanzen und Beeren
und trieb Handel mit Pelzen und Stockfisch. Jede Familie hatte damals nur
wenige zahme Rentiere. Während des Jahres wanderten sie ihren wechselnden
Nahrungsquellen nach. Im Mittwinter sammelte sich jeder Siedlungsverband an
einem bestimmten Ort. Für das Ende des 16. und das 17. Jahrhunderts wird für
die Lulemark Sjokksjokk genannt. 1605 bestimmte die Regierung Jokkmokk (rund
160 km nordwestlich von Luleå) in Norrbotten als Wintersammelplatz, wo nicht
nur Gericht gehalten, sondern auch Handel getrieben wurde.
Es gab
zwei Arten von Samen: Bei den Waldsamen (skogssamerna)
hatte jede Samenfamilie oder jeder Geschlechtsverband gewöhnlich nur einen
Weidebezirk (lappskattelandet,
Lappenschatzland) von bis zu einer
Quadratmeile inne, den sie sommers und winters nutzten. Zur Winterszeit ließen sie
ihre Herden aber auch in Küstennähe weiden. Die Bergsamen (fjällsamerna) hatten einen Weidebezirk nur für die Sommer-,
Frühlings- und Herbstweide der Rentiere. Wurde er im Winter unbenutzbar,
mieteten sie sich gewöhnlich bei den Waldsamen in deren Regionen ein oder
nutzten Weiden außerhalb von Lappmarken (Schwedisch- und Finnisch-Lappland).
Allerdings hatten die Lappensiedlungen (lappbyanar)
auch eine Allmende, wo die Weide frei für alle war.
Welche
Familie oder welcher Geschlechtsverband welche Gebiete nutzen durfte, entschied
zunächst das Siedlungsgericht (byarätten).
Es richtete außerdem nach Gewohnheitsrecht (bekannt aus dem Grenzvertrag
zwischen Schweden und Norwegen von 1751), über Rechtsfragen des täglichen
Lebens: verlorene Rentiere, Schuldforderungen, Körperverletzungen und
Erbrechtsfragen. Dieses „Lappenrecht“ hat sich in den schwedischen Gesetzessammlungen
bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erhalten.
Bereits
in der Mitte des 16. Jahrhunderts wies die Krone ihre Lappenvögte an, den Samen
bei dieser Rechtsprechung zu „helfen“. Das führte zu eigener Rechtsprechung dieser
Vögte, die im Hardengericht (häradsrätten)
als Rechtsprecher (lagmenn) amtierten
und ihre daraus gezogenen Bußeinnahmen in den Rechenschaftsberichten
auflisteten. Bis etwa 1800 wurde das Schatzland im Zusammenwirken zwischen den
Siedlungsgerichten und dem Hardengericht an die Samen ausgegeben. Später
erteilte das Hardengericht den Samen
das Recht, einen Weidebezirk zu nutzen, durch sog. schriftliche Einräumung oder
Besitzverleihung (inrymning). Auch
diente es mit samischen Beisitzern bald als zweite Instanz für das Siedlungsgericht.
Angewendet wurde samisches Gewohnheitsrecht, das jedoch in gewisser Konkurrenz
zu König Kristoffers Landslag von
1442 stand, wobei das Gewohnheitsrecht eine relativ starke Stellung hatte. Es
gibt in den Urteilsbüchern viele Hinweise, dass das Nutzungsrecht vererbt
werden konnte. Doch konnte sich das Siedlungsgericht bzw. das Hardengericht
über das Erbrecht hinwegsetzen und nach Gewohnheitsrecht die Landverteilung
ändern – etwa um es teilweise einem anderen Samen zu überweisen, der mehr Platz
für seine Rentiere brauchte.
Das
den Samen gewährte Nutzungsrecht wurde im Laufe der Zeit zunehmend beschnitten.
Im 16. Jahrhundert und bis 1673 war es zwar unstreitig, dass es sich beim lappskatteland um Schatzland (und nicht
um Kronland) handelte. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts teilten sich jedoch
die Ansichten: Während das Hardengericht das Land weiterhin als Schatzland behandelte,
sahen die Kronvögte zunehmend dieses Land als Kronland. Hier tat sich vor allem
der Kronvogt Graan hervor, der die Ansicht vertrat, alles Land sei ursprünglich
Kronland, wer auf Schatzland zu sitzen behaupte, solle eine Kaufurkunde
vorweisen. In diesem Zusammenhang versuchte man eine Grundsteuer einzuführen,
brauchte dafür aber ein Grundstückskataster. Dessen Erstellung scheiterte an
mannigfachen Schwierigkeiten – unter anderem an den Kosten, die in keinem
Verhältnis zum Steueraufkommen standen –, so dass man schließlich jede
Samensiedlung als einheitlichen Steuerschuldner ansah, deren Amtmann die
Steuern auf die einzelnen Samen verteilte. In der Folge gab es zwar eine
Steuerrolle, die aber kein Grundbuch war (obwohl sie so genannt wurde).
Das
Schatzland stand immer im Gegensatz zum Kronland (kronojord, Staatsland).
Damit ist der große Streit berührt, der jahrhundertelang zwischen den Gerichten
und der Verwaltung über die Rechtsnatur der Weidebezirke und den Rechten der
Samen an ihren Weidegründen tobte. Nur wenn die Samen das von ihnen genutzte
Land als Schatzland (skatteland)
besaßen, konnten sie darüber frei verfügen. Welches Recht sie an dem ihnen
eingeräumten Land hatten, ist lange streitig gewesen. Bis 1789 war es – wegen
der bestehenden Einschränkungen – kein Eigentum im Sinne des schwedischen
Eigentumsbegriffs, sondern es war nichts anderes als ein umfangreiches
Nutzungsrecht. Nach Meinung der Krone sollte dieses Land so gebraucht werden,
dass es ihr den größtmöglichen Nutzen brachte. Wenn der Nutzungsberechtigte
drei Jahre lang keine Steuern zahlte, wurde das Land skattevrak (ein Steuerwrack): Der Steuerschuldner verlor sein
Nutzungsrecht, das Land wurde zunächst seinen Verwandten angeboten; wollten die
es nicht übernehmen, so wurde es zum kronohemman,
d. h. zum Staatseigentum, ohne dass der Schuldner Ersatz für eingesetzte Arbeit
erhielt. Die Lage spitzte sich weiter zu, weil die Krone Neuansiedlungen
förderte und nun die Interessen der Samen (denen auch Jagd und Fischerei zustanden)
denen der Neubauern entgegenstanden. Während die Hardengerichte zugunsten der
Samen entschieden, stellten sich der Landeshauptmann und die Kronvögte auf die
Seite der Neubauern, was gegen Ende des 18. Jahrhunderts dazu führte, dass die
Hardengerichte den Provinzregierungen unterstellt wurden und ihren Einfluss
verloren: Die Regierung nahm ihnen das Recht der Besitzeinweisung, übte es
selber aus und handhabte es willkürlich, indem sie das Erbrecht abschaffte oder
die Verleihung des Landes unter den Vorbehalt stellte, die Samen hätten zu
weichen, wenn es besser genutzt werden konnte als zur Rentierwirtschaft.
Das
19. Jahrhundert bewegte vor allem drei Fragen: Die Krone wollte allgemein das
private Land vom Kronland sondern – ein Prozess der von 1873 bis in die 1920er
Jahre dauerte. Man befasste sich auch damit, eine Kulturlandgrenze festzulegen
und den Samen nur die nördlich davon gelegenen Gegenden zuzugestehen. Diese
Maßnahme war erst 1890 abgeschlossen. Schließlich musste man den Samen
Winterweiden zuweisen, da verfügbares Waldland durch die vielen Neubauern
erheblich dezimiert war. Hinzu kam, dass die Erzgrube in Gällivare zu Beginn
des 19. Jahrhunderts einen Weg zur Küste brauchte, der das Schatzland der Samen
durchschnitt.
Auch
die Wissenschaft diskutierte die Frage, ob das Samenland skatte oder krono sei.
Lange Zeit war maßgebend Åke Holmbäcks Schrift[2]
(übersetzt): „Über das Institut der
Weidebezirke und seine geschichtliche Entwicklung“ von 1922. Er meinte, aus der
Waldordnung von 1683 ergebe sich, dass die Weidebezirke Staatsland (krono) seien. Holmbäcks Schrift ist
inzwischen überholt durch das Werk des finnischen Forschers Kaisa Korpijaakko-Labba [3], der
zum entgegengesetzten Ergebnis kommt: Es handele sich um Schatzland (skatte), an dem die jeweilige
Samenfamilie das alleinige Nutzungsrecht habe und das zudem vererbt, verkauft,
verpfändet und vermietet werden konnte. Die Hardengerichte stützten diese
Auffassung, indem sie die Grenzen der Weidebezirke notierten und
Rechtsgeschäfte über das Nutzungsrecht als rechtsgültig behandelten. Die
Waldordnung von 1683 habe nur für Gebiete jenseits des genutzten und
abgegrenzten Grundeigentums gegolten. Auch der Verfasser neigt der Auffassung
Korpijaakko-Labbas zu.
Langsam
brach sich im schwedischen Staat allerdings die Erkenntnis Bahn, dass man die
Wälder und das natürliche Recht der Samen auf ihre Rentierwirtschaft bewahren
solle. Das drückte sich in einigen Schreiben der Regierung aus, die bei der
Festlegung der Kulturlandgrenze von
Renweideland (renbetesland) statt von
Lappenschatzland sprachen. Die Renweidegesetze (renbeteslagarna) von 1898, 1928 und 1971 gingen von einer festen Kulturlandgrenze
aus und erlaubten den Lappen die Renweide nördlich dieser Grenze. Die
Bezirksregierung hatte jedoch seit 1897 keine Besitzeinweisungen mehr
vorgenommen, deshalb veralteten die Steuerlisten und 1920 stellte man fest,
dass die Hälfte der darin stehenden Samen entweder gestorben war oder die
Rentierwirtschaft aufgegeben hatte. Deshalb wurde 1928 die Lappensteuer (lappskatten) abgeschafft und das
Lappenschatzland (lappskattelandet)
verschwand allmählich aus den öffentlichen Unterlagen. Sein endgültiges
Verschwinden hatte mehrere Gründe: Erstens behandelten die Bezirksregierungen
es als Kronland und die Samen wie eine Art Pächter ohne Verfügungsrecht.
Zweitens wurde es durch Neusiedler immer mehr eingeschränkt, wobei zu
beobachten ist, dass viele Samen selbst als Neusiedler auftraten, indem sie zu
Ackerbau übergingen und daneben nur noch wenige Rentiere hielten. Drittens
verödeten viele Schatzlande, weil der Inhaber starb oder wegzog, und viertens
überlebte sich die Einteilung in Schatzlande, weil sich im 20. Jahrhundert die
Rentierwirtschaft änderte: Die Samen betrieben sie zunehmend nicht mehr
intensiv (mit Melken der Kühe), sondern extensivierten sie bei wachsenden
Herden. Das führte dazu, dass sich die Großherden nicht mehr von den kleineren
trennen ließen und die alten Schatzlande für die Weide der Großherden nicht
mehr ausreichten. Deshalb wollte man die Größe der Herden auf 800 Tiere
begrenzen. Das entsprechende Gesetz von 1944 erwies sich jedoch als
wirkungslos, weil es die Samen verstanden, ihre Tiere so auf die Familienmitglieder
zu verteilen, dass diese Zahl nicht überschritten wurde. Da sich die extensive
Rentierwirtschaft im 20. Jahrhundert allgemein durchgesetzt hatte, war die
Einteilung der nordschwedischen Landschaften in Schatzlande obsolet geworden.
Der
Verfasser hat eine kenntnisreiche und farbige Studie über die Entwicklung des samischen
Rechts vorgelegt, die nicht nur die Interessen der Samen und des Staates aufzeigt,
sondern auch die Schwierigkeiten, die sich ergaben, die Lebensbedingungen eines
Nomadenvolkes in einer abgelegenen und zunächst weitgehend unzugänglichen
Gegend zu verstehen und angemessen zu regeln. Er hätte noch ein übriges tun und
seinem Inhaltsverzeichnis die vorhandenen Zwischentitel einfügen sollen, die
sich manchmal ohne ersichtlichen Grund doppelt finden (S. 23f; 109f), um dem
Leser die Orientierung zu erleichtern.
Köln
am Rhein Dieter
Strauch
[1] Lennart
Lundmark, Uppbörd, utarmning, utveckling. Det samiska fångstsamhällets
övergång till rennomadism i Lule lappmark, Lund 1982; derselbe, „Lappen
är ombytlig, ostadig och obekväm“. Svenska statens samepolitik i rasismens
tidevarv, Umeå 2002.
[2] Åke Holmbäck, Om lappskattelandsinstitutet och dess historiska utveckling, in: SOU (Statens Offentliga Utredningar) 1922: 10.
[3] Kaisa Korpijaakko-Labba, Om Samernas rättsliga ställning i Sverige-Finland, Helsingfors 1994.