Laufs, Adolf, Rechtsentwicklungen in Deutschland (= de
Gruyter Lehrbuch), 6. Aufl. De Gruyter, Berlin 2006. XXVI, 546 S. Besprochen
von Gerhard Köbler.
Adolf Laufs hat die germanistische Abteilung dieser Zeitschrift von Band 95 (1978) bis Band 117 (2000) betreut. Diese ehrenvolle wie aufwendige Tätigkeit ist ihm auf Grund seiner besonderen Leistungen anvertraut worden. Zu ihnen gehört auch das Lehrbuch mit dem neuartigen Titel Rechtsentwicklungen in Deutschland, das der Verfasser 1973 in erster, 1978 in zweiter, 1984 in dritter, 1991 in vierter, 1996 in fünfter und 2006 in sechster Auflage vorgelegt hat.
Dieser große Erfolg beruht wohl zum Teil auf dem neuartigen didaktischen Zuschnitt des Werkes, im Übrigen aber auf der sorgfältigen Verarbeitung der erfreulicherweise noch immer zunehmenden Zahl neuer rechtsgeschichtlicher Untersuchungen, die Adolf Laufs in ziemlich regelmäßigen Abständen sehr zuverlässig in seine neben vielen anderen Aufgaben zu bewältigende Rechtsgeschichte aufgenommen hat. In ihr legt er ein eindrucksvolles Zeugnis über die Entwicklung des Faches während mehr als 30 Jahren ab. Sie betrifft nicht nur diese Zeit selbst, sondern auch das Verhältnis der Gegenwart zu ihr und zu früheren Zeiten.
Adolf Laufs hat sich in seiner Dissertation mit der Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil am oberen Neckar befasst, in deren Gebiet zwar eine römische Stadt liegt, die aber 771 als Königshof genannt wird und erst im vierzehnten Jahrhundert zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet wird. Seine bekannte Habilitationsschrift ist dem schwäbischen Kreis gewidmet, der erst mit der Einteilung des Heiligen römischen Reiches in Kreise an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit zur Entstehung gelangt. Auch seine weiteren rechtsgeschichtlichen Arbeiten über die Reichskammergerichtsordnung von 1555, den jüngsten Reichsabschied von 1654, Recht und Gericht in der Paulskirche oder Eduard Lasker zeigen sein besonderes Interesse an der mit dem Hochmittelalter beginnenden deutschen Rechtsgeschichte.
Dementsprechend setzen seine Rechtsentwicklungen von Anfang an mit Eike von Repgows im frühen 13. Jahrhundert verfassten Sachsenspiegel ein, der auffälligerweise nicht von der Stadt als der Stätte vieler Modernisierungen ausgeht und dennoch viele Seiten mittelalterlichen Rechtsdenkens besonders überzeugend verkörpert. Dem folgt aber gleich danach seit der dritten Auflage das wohl schon seit dem 11. und 12. Jahrhundert in Ansätzen erkennbare Stadtrecht, in dem die Freiheit erste moderne Konturen erhält. Mit der Stadt und ihren Möglichkeiten, wenn auch zunächst außerhalb des deutschen Landes, verbunden ist auch die Rezeption des römischen Rechts, die in jedem Fall einen weiten Rückgriff auf das klassische Altertum verlangt, aber im Spätmittelalter über vorwiegend italienische, dann aber auch französische (Montpellier) und später spanische Legisten und Kanonisten die Anfänge des deutschen Juristenstandes noch im Mittelalter bewirkt.
Bereits mit dem vierten Kapitel erreicht Adolf Laufs den Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit, der sich in Reformen und Reformationen, aber auch erfolglosen gewaltsamen, Schwaben intensiv betreffenden Änderungsversuchen äußert. Die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 und der Westfälische Friede von 1648 sind dabei die wichtigsten öffentlichrechtlichen Rechtsquellen des Heiligen römischen Reiches. Im Privatrecht bewirken Naturrechtsidee und breitere Aufklärungsbewegung die großen partikularen Kodifikationen Preußens von 1794 und Österreichs von 1811, die deutlich den zwischenzeitlich erfolgten Untergang des Reiches widerspiegeln.
Das siebte Kapitel ist dem Deutschen Bund gewidmet. Die Grundlage für diesen von den Fürsten gewünschten Staatenbund unter der Führung Österreichs geben die Deutsche Bundesakte von 1815 und die Wiener Schlussakte von 1820. Historische Rechtschule und Pandektenwissenschaft lehnen zwar die Kodifikation ab, bereiten aber doch die Rechtsvereinheitlichung durch große Nationalgesetze im anschließenden Deutschen Reich nach dem Vorbild Frankreichs vor.
Besondere Bedeutung misst Adolf Laufs dem Jahr 1848 zu. Eindringlich schildert er die Vorspiele der Göttinger Sieben und des Hambacher Festes und das nationale Ringen um Freiheit, Einheit und Recht in der Frankfurter Paulskirche. Umfassend geht er zugleich auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen ein.
Nach diesem besonderen Brennpunkt wird der chronologische Ablauf wieder aufgenommen. Das Deutsche Reich Otto von Bismarcks erhält einen besonderen Akzent durch das Bürgerliche Gesetzbuch. Die versuchte Demokratie der Weimarer Republik wird durch eine umfassende Darlegung der Verfassung und der Fortschritte des Arbeitsrechts und Sozialrechts veranschaulicht.
Zu Recht sind vierzig Seiten der nationalsozialistischen Rechtsverwüstung gewidmet. Ganz anschaulich und ausführlich wird die Perversion des Rechts im Dritten Reich dargestellt. Der Widerstand gegen Adolf Hitler war zwar kein wirklicher Erfolg, macht aber doch beispielhaft deutlich, dass auch im Unrecht manchem die Verteidigung des Rechtes mehr bedeutet als das eigene Leben.
Bereits seit der dritten Auflage ist die eigene Zeitgeschichte in der Form der Rechtsentwicklungen im Zeichen des Grundgesetzes aufgenommen. Seit der fünften Auflage ist dies um das Recht und Unrecht der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ergänzt. Die sechste Auflage blickt nunmehr auch auf europäisches Erbe und Integration und damit auf die bisherigen europäischen Traditionen und den seit dem Ende des zweiten Weltkriegs mehr und mehr ausgreifenden europäischen Zusammenschluss zurück.
Zudem hat Adolf Laufs sein in klarer, eindringlicher Sprache gehaltenes, an alle Rechtsstudentinnen und Rechtsstudenten mit dem Ziel der Erfahrung der historischen Grundlagen des Rechts jedenfalls in den Grundzügen gerichtetes Buch gänzlich überarbeitet, wiederum vielfach ergänzt und erweitert. Die Literaturnachweise sind auf den Stand des Herbstes 2005 gebracht, so dass sogar noch Beiträge der dem Verfasser in Anerkennung und Dankbarkeit für sein selbstloses Wirken zum 70. Geburtstag gewidmeten Festschrift aufgenommen werden konnten. Eine glänzende Einführung und ein zuverlässiges, das zweite verdienstvolle Arbeitsgebiet des Verfassers freilich bei Beschränkung auf die Grundzüge der Rechtsentwicklungen in Deutschland notwendigerweise aussparendes Register runden das vorzügliche, gewichtige Werk, dem hoffentlich anhaltender weiterer Erfolg beschieden ist, eindrucksvoll ab.
Innsbruck Gerhard Köbler