WesenerHartmannerbfolgeregelunf20060926 Nr. 11473 ZRG GA 124 (2007) 49

 

 

Hartmann, Philip, Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte. Eine Darstellung der historischen Entwicklung des Rechts der vertraglichen Erbfolgeregelung am Beispiel des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794 und des Erbrechtsentwurfs von Gottfried Schmitt (= Schriften zur Rechtsgeschichte 123). Duncker & Humblot, Berlin 2005. 411 S. Besprochen von Gunter Wesener.

 

Das römische Recht lehnte Erbverträge als pacta contra bonos mores ab, da hierdurch die libertas testamenti faciendi ausgeschlossen würde. Zu Recht nimmt die herrschende Lehre (Georg Beseler, A. Heusler, G. Kugelmann, R. Hübner und H. Planitz) an, dass auch die deutschrechtlichen Vergabungen des Mittelalters (donationes post obitum) keine Erbverträge waren. Gegenstand dieser Erbverträge war nicht die Erbeinsetzung, sondern ein Eigentumserwerb unter Lebenden. Die Vergabungen des Mittelalters enthielten erb- und sachenrechtliche Elemente, wobei aber Letztere überwogen[1]. Wichtige Fälle von deutschrechtlichen Erbverträgen im Spätmittelalter und in der Neuzeit waren hingegen die Erbverbrüderungen (Konfraternitäten) im hohen Adel, die verfassungsrechtlich eine große Rolle spielten, die Ganerbschaften im Adel, die Erbeinsetzungsverträge zwischen Ehegatten, der Erbverzicht der Töchter im Herrenstand  und Adel sowie die sogenannten Einkindschaften (unio prolium) im Bürgertum, wodurch bei Wiederverheiratung die Kinder aus mehreren Ehen erbrechtlich gleichgestellt wurden[2].

 

Ihre begrifflich und dogmatische Ausprägung haben die Erbverträge, wie vor allem Giulio Vismara in wertvollen Untersuchungen gezeigt hat, durch die italienischen Kommentatoren im Mittelalter erfahren. Durch diese kam es zu einer Gliederung und Differenzierung. Bartolus (ad Dig. 45,1,61 n. 7) unterscheidet vier Arten von pacta successoria: 1) pactum pro iure successionis acquirendo (= pactum successorium acquisitivum), 2) pactum pro iure successionis amittendo seu perdendo (pactum de non succedendo = pactum successorium renuntiativum), 3) pactum pro iure successionis servando (= pactum successorium conservativum) und 4) pactum de eo, quod acquireretur per successionem, certo modo disponendo (= pactum de successione tertii = pactum successorium dispositivum). Eine entsprechende Vierteilung der pacta successoria findet sich auch bei Baldus (ad Cod. 2,3,30 n. 10-11; Consilia I, 437 n. 1)[3]. An der ablehnenden Haltung des römischen Rechts wurde hinsichtlich akquisitiver Erbverträge festgehalten. Ein Erbverzicht (pactum de non succedendo) war nach kanonischem Recht gültig, wenn er durch Eid bekräftigt wurde; diese Auffassung wurde zum ius commune. Auch ein Erberhaltungsvertrag (pactum successorium conservativum) war nach der opinio communis gültig. Ein pactum über die Erbschaft eines noch lebenden Dritten (pactum de successione tertii) wurde entsprechend Cod. 2,3,30,3f. (a. 531) für wirksam angesehen, wenn der Dritte (de cuius) zustimmte und diese Zustimmung bis zu seinem Tode nicht widerrief. Die spätmittelalterliche communis opinio über pacta successoria findet sich etwa im Repertorium Juris (entstanden zwischen 1471 und 1481; Ed. Venetiis 1570) des Johannes Bertachinus aus Fermo (1448–etwa 1500)[4].

 

Im deutschen Usus modernus pandectarum (Usus modernus iuris Romani in foro Germanico), der zunächst weitgehend auf den Lehren der italienischen Kommentatoren (Konsiliatoren) basierte, wurden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bestimmte Arten von akquisitiven Erbverträgen auf deutschrechtlicher Grundlage (universalis Germaniae consuetudo) anerkannt[5]. Eine generelle Anerkennung von Erbverträgen findet sich bei Leyser, Justus Henning Böhmer und Heineccius. Schließlich hat die Naturrechtslehre Erbverträge zufolge der unbeschränkten Verfügungsbefugnis des Eigentümers grundsätzlich und allgemein anerkannt (Christian Wolff, Institutiones juris naturae et gentium, Halle 1750, § 942). Diese Auffassung hat ihren Niederschlag in mehreren naturrechtlichen Privatrechtskodifikationen gefunden.

 

Die von Gottfried Schiemann betreute Tübinger Dissertation Philip Hartmanns behandelt ein scharf abgegrenztes Thema, die historische Entwicklung des Erbvertrages am Beispiel des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (Codex MBC), des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR) und des Erbrechtsentwurfs des BGB von Gottfried Schmitt. Die dem entsprechend in drei Teile gegliederte Untersuchung behandelt jeweils den Erbvertrag im engeren Sinne (Erbeinsetzungsvertrag), den partikulären Erbvertrag bzw. Vermächtnisvertrag, den erbrechtlichen Verpflichtungsvertrag und den Erbverzichtsvertrag.

 

Teil 1 (S. 23–121) behandelt die Regelung im Codex MBC. Dieser unterscheidet (III 11 § 1) zunächst zwischen affirmativen und negativen Erbverträgen, wobei erstere dem gemeinen Recht entsprechend die pacta acquisitiva, conservativa und dispositiva umfassen; negative Erbverträge sind die pacta renunciativa. Ferner unterscheidet der Codex MBC zwischen pactum universale und pactum particulare und schließlich zwischen pactum simplex und pactum mixtum, je nachdem, ob es per Actum inter Vivos vel ultimae Voluntatis errichtet wurde (§ 1 n. 8)[6]. Die pacta successoria mixta bedürfen der Requisita ultimae Voluntatis generalia und stellen wechselseitig angeordnete Testamente dar (Verfasser S. 30). Eingehend werden die Wirkungen eines Erbvertrages (S. 53ff.), das Verhältnis der Erbvertrages zum Pflichtteilsrecht (S. 62f.), Verfügungen zugunsten Dritter (S. 63f.), Aufhebung des Erbvertrages und Lösung aus der erbvertraglichen Bindung (S. 64ff.) behandelt. Mehrere Paragraphen widmet der Codex MBC (III 11 §§ 2–9) den „Erbschaftsverzichten“, insbesondere auch dem Verzicht von Töchtern „Edelmanns-Freyheits fähiger Personen“ (§ 8)[7]. Die juristische Konstruktion des Erbverzichts wird vom Verfasser (S. 76ff.) sorgfältig analysiert, ebenso der Wirkungsbereich des Erbverzichts (S. 90ff.). Der Codex MBC §§ 3 und 4 unterscheidet zwischen uneingeschränktem und eingeschränktem Erbverzicht (renunciatio indefinita und definita).

 

In einer „zusammenfassenden Würdigung“ (S. 114ff.) hebt der Verfasser hervor, dass das gesamte affirmative Erbvertragsrecht des Codex MBC geprägt sei durch die Einteilung der Erbverträge in bindende pacta successoria simplicia und frei widerrufliche pacta successoria mixta. Der Codex betrachtet den Erbverzicht als Unterart des allgemeinen Erbvertrags und behandelt ihn in einem gemeinsamen Kapitel mit dem affirmativen Erbvertrag. Die vorliegende Untersuchung bestätigt die Auffassung, dass der naturrechtliche Einfluss auf den Codex MBC relativ gering war. Das Erbvertragsrecht des Codex beruht im Wesentlichen auf den Grundsätzen des Usus modernus (S. 119). Zu Recht betont der Verfasser (S. 121) „die konservative Haltung Kreittmayrs bei der Abfassung des Codex“.

 

Teil 2 (S. 122–239) hat das Erbvertragsrecht des Allgemeinen Landrechts für Preußen zum Gegenstand. Der Aufbau entspricht grundsätzlich dem Teil 1. Nach einer instruktiven Einführung in die Entstehungsgeschichte des ALR, wobei auf die Rolle und Bedeutung des Hallenser Universitätsdirektors Ernst Ferdinand Klein (1743–1810) für die Redaktion hingewiesen wird (S. 124f.), wird auf den Erbvertrag (S. 128ff.), die allgemeine Zulässigkeit desselben, die Arten der Erbverträge und deren Geltungsgrund eingegangen. Im Gegensatz zum Codex MBC finden sich im ALR nicht mehr die lateinischen, gemeinrechtlichen Bezeichnungen und auch nicht die gemeinrechtlichen Unterscheidungen. Der Ausdruck „Erbvertrag“ wird einerseits als Oberbegriff für alle Arten von vertraglichen Verfügungen von Todes wegen verwendet, andererseits bezeichnet er den akquisitiven Erbvertrag, den Erbeinsetzungsvertrag (I 12 §§ 617ff.). Das ALR kennt nur den bindenden, nicht frei widerruflichen Erbeinsetzungsvertrag. Die Einteilung in pacta successoria simplicia und mixta ist dem ALR fremd (S. 131f., 233). Für den Erbvertrag des ALR sind aber vor allem die Regeln des Testamentsrechts von Bedeutung; für den Abschluss eines Erbvertrages sind Testierfähigkeit und Testamentsform erforderlich (S. 143ff.). Der Verfasser (S. 370) spricht von der „Harmonisierung des Erbeinsetzungsvertrages mit dem Testamentsrecht“.

 

Teil 3 (S. 240‑370) analysiert die Erbvertragsregelung im Erbrechtsentwurf Gottfried Schmitts für das BGB. Erörtert wird die Berücksichtigung des Codex MBC und des ALR im Entwurf Schmitts im Allgemeinen (S. 255ff.). Schmitt gibt in der Einleitung der Begründung seines Erbrechtsentwurfs auch Rechenschaft über die von ihm zur Interpretation der herangezogenen Rechtsquellen verwendete Sekundärliteratur (Verfasser S. 258). Wie schon der Codex MBC und das ALR erkennt auch der Entwurf von Schmitt den Erbeinsetzungsvertrag unbeschränkt an (S. 263). Auch Schmitt gründet dessen Zulassung „auf eine bestehende deutsche Rechtsüberzeugung“ (S. 265), auf eine allgemeine deutsche Rechtstradition. Eingehend behandelt der Verfasser (S. 268ff.) die von Schmitt herangezogenen Argumente für die Aufnahme des Erbeinsetzungsvertrages als allgemeines, unbeschränktes Institut. Auch in diesem Teil der Untersuchung werden wieder juristische Konstruktion (S. 279ff.), Voraussetzungen für die Eingehung (S. 282ff.), Inhalt (S. 286ff.) und Wirkungen des Erbeinsetzungsvertrages (S. 289ff.) erörtert. Behandelt werden ferner der Vermächtnisvertrag (S. 328ff.), der erbrechtliche Verpflichtungsvertrag (pactum de contrahendo) (S. 333ff.) sowie der Erbverzichtsvertrag (S. 337ff.). Anders als der Codex MBC und das ALR regelt der Entwurf Schmitts Erbeinsetzungsvertrag und Erbverzicht nicht in einem gemeinsamen Abschnitt. Der „vertragsmäßige Erbverzicht“ findet sich im Abschnitt über die „Berufung aus dem Gesetze“ nach dem Pflichtteilsrecht.

 

„Zusammenfassende Würdigung und Gesamtergebnis“ (S. 360ff.) beschließen den Teil 3. Von zahlreichen Autoren wurde Schmitts Erbrechtsentwurf, jedenfalls in rechtshistorischer Sicht, sehr positiv bewertet (360f.). Gottfried Schmitt war ein begabter Jurist und hervorragender Rechtspraktiker, der sich zwar nicht durch besondere Originalität auszeichnete, von dem aber „eine klare, durchdachte Analyse des bestehenden Rechtszustandes erwartet werden durfte“[8]. Der Verfasser (S. 363ff., 369f.) zeigt, dass der Erbrechtsentwurf Schmitts in weit stärkerem Maße dem ALR folgt als dem Codex MBC. Wie schon im ALR findet sich auch im Entwurf Schmitts eine starke Annäherung der vertraglichen Erbfolgeregelung an das Testamentsrecht.

 

Die vorliegende Untersuchung Philip Hartmanns, die sich durch beeindruckende Klarheit, Genauigkeit der Darstellung und vorzügliche Literaturkenntnisse auszeichnet, stellt einen beachtlichen Beitrag zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte dar.

 

Graz                                                                                                   Gunter Wesener



[1] W. Sellert, Art. Erbvertrag, in: HRG I Sp. 981ff.

[2] Vgl. G. Wesener, Zur Lehre vom Erbvertrag im deutschen usus modernus pandectarum und im Naturrecht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte. K. Kroeschell zum 60. Geburtstag (Frankfurt am Main 1987) 607ff., insbes. 608f.

[3] Wesener, Erbvertrag (o. Anm. 2) 609f.; Verfasser 27f.

[4] Wesener, Erbvertrag (o. Anm. 2) 610f.

[5] Dazu Wesener, Erbvertrag (o. Anm. 2) 614ff.

[6] Vgl. Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici (München 1768, Nachdruck München 1990) III Cap. XI § 1.

[7] Zur Erbfolge der Frauen im Herrenstand und Adel sowie zum Erbverzicht nach österreichischem Recht G. Wesener, Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit der Rezeption (Graz – Köln 1957) 84ff.

[8] H.-G. Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht (Berlin 1970) 9; vgl. Verfasser 363.