Guddat, Tanja, Ein europäischer Jurist des 19.
Jahrhunderts. Jean-Jacques G. Foelix und die rechtsvergleichende Methode im
(internationalen) Privatrecht (= Schriften zur europäischen Rechts- und
Verfassungsgeschichte 50). Duncker & Humblot, Berlin 2006. 455 S.
Besprochen von Werner Schubert.
Jean-Jacques Gaspar (Johann Jacob Casper) Foelix ist heute noch bekannt als Autor des Traité du droit internationale privé (Paris 1843, 2. Auflage 1847; auch ins Italienische und Spanische übersetzt), als Mitarbeiter der „Kritischen Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes“ (KZA) und als Begründer der Revue étrangère de législation et d’économie politique (Revue Foelix; mit wechselndem Titel von 1833 bis 1850) sowie als deren wichtigster Autor. Guddat befasst sich zunächst mit dem Leben von Foelix einschließlich eines Überblicks über seine Veröffentlichungen. Im zweiten Teil geht sie auf die Buchveröffentlichungen von Foelix von 1812, 1818 und 1828, im dritten Teil auf die Arbeiten von Foelix in den beiden genannten Zeitschriften ein. Der Schlussteil, der ein Drittel des Gesamtwerks umfasst, ist dem „Traité du droit internationale privé“ und einer internationalprivatrechtlichen Veröffentlichung von 1833 gewidmet. Geboren 1791 als Sohn eines kurtrierischen Beamten (zunächst Richter am Oberhof Koblenz, dann Amtmann in Oberstein, in der französischen Zeit Friedensrichter; 1819-1832 Richter am Kölner Appellationsgerichtshof) in Oberstein (ab 1798 zum Sardepartement gehörig), studierte er an der Koblenzer Rechtsschule von 1809-1813 Rechtswissenschaft. Nach Ableistung des französischen und preußischen Militärdienstes war Foelix zunächst Anwalt am Kreisgericht in Koblenz, von wo er spätestens 1826 nach Paris übersiedelte. Hier erlangte er 1829 die französische Staatsbürgerschaft und seine Zulassung als Avocat an der Cour d’appel in Paris. Über die persönlichen Lebensumstände von Foelix in Koblenz und in Paris sowie über seine Pariser Anwaltstätigkeit ist nur wenig bekannt.
Bevor sich Guddat mit den ersten Veröffentlichungen von Foelix befasst, geht sie auf die französische Zivilrechtswissenschaft vor und nach der Kodifikation ein (S. 93ff.) und weist in diesem Zusammenhang auf die Kritik an der Ecole de exégèse in der „Thémis“ hin. Anschließend geht sie in den von ihr näher analysierten Werken von Foelix dessen Quellennachweisen nach. In dessen erster Schrift (Dissertation von 1812 über die rentes foncières) entfallen die meisten Zitate auf den Code civil und den droit intermédiaire, während in seiner Schrift von 1828 (Traité de rentes foncières; zusammen mit Henrion) die Literaturzitate und die Judikatur eine wichtigere Rolle spielen. Der Traité von 1828 orientiert sich an den Bedürfnissen des französischen Publikums, während seine 1818 erschienene Abhandlung über „Weidgang und Weidgerechtigkeit nach der in den Rheinlanden bestehenden Gesetzgebung“ zeigt, dass Foelix zwar den Code civil als Ausgangspunkt wählt, jedoch auch die deutsche Rechtswissenschaft berücksichtigt, wie die Heranziehung gemeinrechtlicher Autoren beweist. Der 3. Teil ihres Werkes „Législation comparée, vergleichende Gesetzgebung und die historisch-vergleichende Methode in den Arbeiten von Foelix und Mittermaier“ (S. 132ff.) beruht auf der Auswertung der Arbeiten von Foelix in der KAZ und der Revue Foelix. Die „législation comparée“ sollte zur steten Verbesserung des bereits von Jourdan in der Thémis als unausgereift angesehenen Code civil dienen und zugleich mit Hilfe der Vergleichung der modernen Gesetzgebungen in Europa dazu führen, „das römische Recht als gemeinsame Grundlage durch einen „nouveau droit commun“ zu ersetzen, wie es bereits Jourdan vor allem für die Publizität der Hypothek herausgearbeitet hatte. In Deutschland beruhte die Rechtsvergleichung auf der Lehre von der Gesetzgebungswissenschaft, einem Zusammenspiel von Gesetzgebung, Rechtsvergleichung und Naturrecht, die neben der Historischen Rechtsschule bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in der deutschen Gesetzgebungspolitik eine nicht unwichtige Rolle spielte (S. 153ff.).
In einem weiteren Abschnitt arbeitet Guddat die historisch-rechtsvergleichend-praktische Methode Mittermaiers heraus (S. 164ff.), der historisch-komparativ einen Katalog von Forderungen aufstellte (von Guddat für die Zivilprozessordnung exemplifizirt), die kodifikatorische Idealvorstellungen verwirklichen sollten. Demgegenüber geht es Foelix in seinen Beiträgen in der KZA um die Verbesserung des französischen Rechts, das „Anfangs- und Endpunkt seiner Betrachtungen“ war. Auch seine französischen Beiträge in seiner „Revue“ sind geprägt von der französischen Perspektive, die sich auszeichnete durch eine „an die Existenz einer Kodifikation gekoppelte Fortschrittsgläubigkeit“ und ein „französisches Selbstbewusstsein“, das sich auf die Vorstellung gründete, „eine höhere Entwicklungsstufe als Deutschland erreicht zu haben“ (S. 410f.). Gleichwohl warb er um Verständnis für die deutsche Rechtskultur und behielt die rechtsvergleichende Sicht bei, die sich vor allem auf die französischrechtlichen Gebiete Deutschlands, Belgiens und Italiens bezieht. So behandelte er etwa das französische Hypotheken- und Zwangsversteigerungsrecht (letzteres im Hinblick auf die Novelle zum Code de procédure civile von 1841). Eine Verknüpfung der französischen und der deutschen Arbeitsweise findet sich dann in den internationalprivatrechtlichen Arbeiten von Foelix von 1833 und 1843; erstmals wird die Literatur häufiger zitiert als das Gesetz. Insbesondere greift er auf die gemeineuropäische Methode der communis opinio doctorum zurück. Mit Recht verzichtet Guddat, sich „auf die heikle Statutenregel und ihre nicht minder komplizierten variierenden Abgrenzungskriterien“ näher einzulassen (S. 332). Vielmehr geht es ihr um das grundlegende Ziel von Foelix in seinem Traité, nämlich um die Gleichbehandlung der Fremden durch die französische Rechtspraxis. Die immer wieder auch von Foelix’ behauptete Abhängigkeit seines Werkes von der internationalprivatrechtlichen Schrift von J. Story relativiert Guddat dahin, dass Foelix mit der Zulassung fremder Rechte von einem wichtigen Grundsatz des Amerikaners abweiche. Mit seinem Werk von 1843 hat Foelix den von Story geprägten Begriff des internationalen Privatrechts in die französische Rechtssprache eingeführt (S. 340ff.), desgleichen den aus der deutschen Rechtssprache stammenden Begriff der „autonomie de la volonté“.
Guddat bezeichnet bereits im Buchtitel Foelix als einen europäischen Juristen, was allein schon dadurch gerechtfertigt erscheint, dass dieser bei aller Wahrung seiner Ende der zwanziger Jahre angenommenen französischen Identität in seinen Publikationen französische und deutsche Methodik sowie die Erfahrungen beider Länder in der Gesetzgebung miteinander verband und dass er ferner ähnlich wie Mittermaier die universellen europäischen Werte wie Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Gerechtigkeit und Gemeinwohl seinen rechtspolitischen Beiträgen zugrunde gelegt hat. Der breite Raum, den Guddat dem Traité du droit internationale privé eingeräumt hat, bedingte, dass die Beiträge zur législation comparée insgesamt knapp behandelt sind. Die Vergleichobjekte auf deutscher Seite sind nicht immer detailliert benannt worden (vgl. S. 222 für das Notarrecht; S. 236ff. für das Zwangsversteigerungsrecht). Der eher zu ausführlich geratene Abschnitt über den Traité ist nicht völlig überzeugend gegliedert. So geht Guddat auf die zeitgenössische Kritik am Traité ein, bevor sie dessen Methodik und Inhalt beschrieben hat. Auch ist die Hinführung zum Inhalt des Traité (S. 273-311) recht breit, zumal Guddat auf eine Analyse der rechtsdogmatischen Einzelheiten der Schrift verzichtet hat. Mit ihrem Werk hat Guddat die heute nur schwer zugänglichen Hauptschriften und wichtige Zeitschriftenbeiträge von Foelix methodisch und weitgehend auch inhaltlich erschlossen, so dass mit dieser Werkbiografie ein weiterer wichtiger Baustein zur Geschichte des rheinisch-französischen Rechts sowie zur französisch-deutschen Rechtsvergleichung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorliegt.
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