Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, Reinhard. Mohr (Siebeck), Tübingen 2005. 289 S. Besprochen von Filippo Ranieri.

 

Der Band enthält die – teilweise wesentlich erweiterten – Referate, die bei der Sitzung der Zivilrechtlichen Sektion anlässlich der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsvergleichung im September 2003 in Dresden vorgelegt wurden. Das Thema der damaligen Zivilrechtlichen Sektion galt dem Bereicherungsrecht im europäischen Rechtsvergleich. (Siehe zwischenzeitlich zum selben Thema auch European Review of Private Law, vol. 14. Nr. 3, 2006. Special issue. Unjust Enrichment. Colloquium in Honour of Eltjo J. H. Schrage, 17-19 March 2005, Amsterdam). Die Entstehungsgeschichte dieses Bandes erklärt auch die Auswahl und die Ausrichtung der einzelnen Beiträge. Es handelt sich insgesamt um sieben Artikel unterschiedlicher Länge und Tiefe. Alle Autoren sind durchweg Spezialisten des Bereicherungsrechts und in der Vergangenheit bereits mit gewichtigen rechtsvergleichenden Beiträgen zu einzelnen Aspekten dieser Rechtsmaterie hervorgetreten. Zunächst seien hier die einzelnen Referate aufgelistet: Reinhard Zimmermann, „Bereicherungsrecht in Europa: Eine Einführung“ (S. 17-46); Christiane C. Wendehorst, „Die Leistungskondiktion und ihre Binnenstruktur in rechtsvergleichender Perspektive“ (S. 47-140); Thomas Krebs, „Eingriffskondiktion und Restitution for Wrongs im englischen Recht“ (S. 141-173); Jacques du Plessis, „Towards a Rational Structure of Liability for Unjustified Enrichment: Thoughts from Two Mixed Jurisdictions“ (S. 175-219); Hugo J. van Kooten, „The Structure of Liability for Unjustified Enrichment in Dutch Law, with References to German, French and Italian Law“ (S. 221-241); Mark P. Gergen, „Self-Interested Intervention in the Law of Unjust Enrichment“ (S. 243-264); Stephen Swann, „The Structure of Liability for Unjustified Enrichment: First Proposals of the Study Group on a European Civil Code” (S. 265-286). Der Band wird durch einen Diskussionsbericht Peter Hubers (S. 287-289) abgeschlossen, in dem relativ knapp die Erörterungen, die sich nach den jeweiligen Referaten anschlossen, zusammengefasst werden. Aus der Interessenperspektive der Leser dieser Zeitschrift gilt die Hauptfrage dieser Rezension der Rolle und dem Gewicht, welchen die jeweiligen Beiträge der rechtshistorischen Perspektive des Themas einräumen. Die Antwort ist, mit der gewichtigen Ausnahme des Einleitungsreferats von Reinhard Zimmermann, vollkommen negativ. Von allen Beiträgen ist dieser Beitrag in den Augen des Rezensenten, auch der am besten gelungene. Darin wird der im Titel angekündigte europäische Anspruch des ganzen Bandes auch wirklich eingelöst. Die Geschichte des Problems im kontinentalen Römischen Gemeinen Recht und im historischen Common Law stellt den Ausgangspunkt der Fragestellung des Herausgebers dar; darin eingeordnet werden die Entwicklungslinien und die Strukturen des kontinentalen und des englischen Bereicherungsrechts bis zu den heutigen Entwicklungen gezeichnet. Der Beitrag fasst auf etwa 30 Seiten meisterhaft die Problematik des Bereicherungsrechts in seinen europäischen vielfältigen Aspekten zusammen. Die übrigen Beiträge sind demgegenüber nicht immer und nur in unterschiedlicher Tiefe rechtsvergleichend angelegt. Der Beitrag von Thomas Krebs und ebenso derjenige von Jacques du Plessis sowie der letzte von Stephen Swann finden z. B. ihren wesentlichen Schwerpunkt im englischen Recht. Eine wirkliche rechtsvergleichende Ausrichtung bietet der niederländische Beitrag Hugo J. van Kootens, der zwar das niederländische Recht als Ausgangspunkt nimmt, aber zugleich wesentliche und reichhaltige Hinweise auf das deutsche, französische und italienische Recht liefert. Der besonders umfangreiche Beitrag von Christiane C. Wendehorst löst die europäischen Erwartungen des Lesers, wenigsten in den Augen des Rezensenten, auch nur zum Teil. Der Schwerpunkt ist hier im Wesentlichen auf das deutsche Recht zentriert. Die Dogmatik des deutschen Bereicherungsrechts liefert auch den Hintergrund der Darstellung. Hinweise auf andere, vor allem kontinentale, Rechtsordnungen bleiben meistens auf knappe Hinweise auf die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen beschränkt. Die historischen Zusammenhänge der Thematik bleiben auch hier leider voll ausgeblendet. Welchen Gewinn eine historische Betrachtung mancher Aspekte des Bereicherungsrechts leisten kann, zeigt etwa das Problem des Verhältnisses zwischen Leistungskondiktion und Vindikation bei der Rückabwicklung nichtiger Verträgen

 (hierzu den Beitrag von Wendehorst, S. 70ff.). Das Verhältnis der restitutorischen Anspruchsgrundlagen untereinander und deren Qualifikation sind in den kontinentalen Rechtsordnungen in der Tat recht uneinheitlich. Teilweise wird die Kondiktion nur als subsidiär zur dinglichen Vindikation angesehen, oder beide Ansprüche werden wahlweise in Betracht gezogen und insoweit vermengt, so etwa im französischen Recht (vgl. dazu F. Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, 2.Aufl., Köln-Wien 2003, S. 399-401). Die tieferen Gründe für diese unterschiedlichen Einordnungen, was aus dem Beitrag überhaupt nicht deutlich wird, liegen in der gemeinrechtlichen Praxis und in ihren verschiedenen territorialen Ausprägungen. Das französische Ancien Droit hatte bereits im 18. Jahrhundert – anders als der deutsche Usus modernus – die Verbindung zum römischen Aktionensystem verloren. Die unterschiedlichen römischen Ansprüche und deren Qualifikation wurden damals bereits als eine „subtilitas iuris romani“ angesehen und abwertend qualifiziert. Daraus erklärt sich nicht zuletzt die praktische Umwandlung der kausalen „traditio“ in das spätere Konsensualprinzip des heutigen französischen Rechts. Die dingliche Wirkung des Kaufvertrages lässt zugleich die unterschiedliche Funktion der Kondiktion und der Vindikation in der Kasuistik der römischen Quellen nicht mehr verstehen. Schon deshalb eignet sich die bereicherungsrechtliche Begrifflichkeit des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche noch tief von den Kategorien des Römischen Gemeinen Rechts geprägt ist, relativ schlecht zur Beschreibung und Einordnung der romanischen Rechtssysteme. Ob zugleich in einem künftigen europäischen Zivilrecht auf die Unterscheidung beider Anspruchsgrundlagen und insbesondere auf die dingliche Vindikation, nach dem Modell des englischen Common Law, verzichtet werden kann (so der Beitrag Stephen Swanns in seinem Bericht aus der Osnabrücker Study-Group on an European Civil Code Christian von Bars, insbesondere S. 268-269), bleibt allerdings mehr als fraglich. Dies würde wieder zu einer völligen unhistorischen Aktualisierung der Titulus- und Modus-Lehre führen (vorgeschlagen in der Tat, aus derselben Osnabrücker Arbeitsgruppe von F. Giglio, Condictio proprietaria und europäisches Bereicherungsrecht. Eine Untersuchung auf rechtshistorischer und rechtsvergleichender Basis mit besonderer Berücksichtigung des deutschen und italienischen Rechts, Berlin 2000; vgl. dazu meine kritische Stellungnahme in dieser Zeitschrift ZRG, Germ. Abt. 118 (2001), S. 871-877). Eine solche Rekonstruktion dieser zentralen Rechtsfiguren des europäischen kontinentalen Rechts kann nur aus einer bewussten Einbeziehung der historischen Grundlagen dieser Probleme gelingen. Das Programm, welches der Herausgeber in seiner mustergültigen Einführung in diesem Sinne skizziert hat, ist leider nicht von allen Referaten in gleichem Umfang eingelöst worden.

 

Saarbrücken                                                                                       Filippo Ranieri