Grafen, Herzöge,
Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152), hg. v. Seibert,
Hubertus/Dendorfer, Jürgen (= Mittelalter-Forschungen 18). Thorbecke,
Ostfildern 2005. VIII, 440 S., 32 Abb. Besprochen von Alois Gerlich.
Der Zeit der Staufer gilt stets Aufmerksamkeit der deutschen und italienischen, mit gewissem Abstand auch der französischen Forschung, davon geben Publikationen in großer Zahl Zeugnis. Die Herausgeber des hier anzuzeigenden Werkes machen nun zutreffend darauf aufmerksam, dass allerdings das Interesse an der Frühzeit der Dynastie etwas zurücktrat im Vergleich mit dem Wirken Kaiser Friedrich Barbarossas und seiner Söhne. Diesem Mangel wollen die Verfasser der jetzt vorgelegten Studien entgegenwirken.
In den Forschungsstand und die offenen Fragen führt Hubertus Seibert ein (S. 1-39). Er geht den Schwankungen im Verhältnis des 1079 aus der schwäbischen Adelswelt zum Herzogtum aufgestiegenen Grafen Friedrich nach und macht darauf aufmerksam, dass er seine Erhebung im Rang als Anhänger Kaiser Heinrichs IV. im Investiturstreit erhielt. Dieser Akt ist zu würdigen in Anbetracht der Nachbarschaft so bedeutender Sippen wie der Welfen und Zähringer. Zum Gesamtbild gehört, dass die Staufer zwar mehrfach Grafenrechte übten, doch stets die Herzogswürde die Grundlage des Wirkens im Reich wie in den Landschaften bot. In Schwaben, im Elsaß und in Franken befanden sich die Ansätze eigener Besitz- und Machtstellungen. Man sollte sie nicht in ihrer Wertigkeit überschätzen. Das gilt auch dann als nach Kaiser Heinrichs V. Tod die von diesem als Erben bestimmten Neffen nach dem Saliererbe griffen und so die harten Auseinandersetzungen mit König Lothar IIII. provozierten. Erst durch die Koblenzer Königswahl Konrads III. 1138 fiel das salische Eigen an den dann neuen Herrscher. Der Verfasser weist auf die Bedeutung der in der Hauptzahl von damals an errichteten Burgen, der Eigenkirchen und der Kirchenvogteien als additiven Elementen des Herrschaftsaufbaus. Dass hier noch viele Einzeluntersuchungen notwendig sind, wird angemerkt. Auf die differenzierten Anliegen der Rechtsgeschichte im regionalen Rahmen muß geachtet werden.
Anschließend an Seiberts Ausführungen wendet sich Tobias Weller, Auf dem Weg zum ‚staufischen Haus’ (S. 41-63), der Abstammung und Verwandtschaft der Staufer zu, legt eine klare Übersicht über die frühe Adelswelt Schwabens vor mit dem Ergebnis, die Herkunft der Staufer sei nicht exakt zu ermitteln. Es folgt wie in Wellers anderweitigen Untersuchungen wiederum die Kritik an dem 1977 von Hansmartin Decker-Hauff erstellten Stammbaum. Doch da bleibt die Frage, wer sich an die schwierigen Richtigstellung wagt. - Heinz Krieg, Adel in Schwaben (S. 65-97), untersucht die Gegensätzlichkeit der Staufer zu den Zähringern. Während die Staufer in ihrem Herzogtum auf Schwaben reduziert wurden, wichen die Zähringer nach Burgund und in die heutige Nordschweiz aus, nahmen den Titel eines Rektors an, blieben aber stets Rivalen der Staufer. Im Rahmen seiner Darlegungen widmet Krieg Aufmerksamkeit auch Rudolf von Rheinfelden, den er zutreffend gegen die ältere überwiegend norddeutsche Historikerschaft ins rechte Licht setzt. Kriegs Überlegungen gehen aus von sachgerechter Interpretation der Tabula consanguinitatis des Wibald von Stablo von 1153, die entstanden ist anläßlich der Diskussion über den Stand der Frau für die zweite Heirat König Friedrich I. Barbarossas. Krieg ist wie den anderen Autoren in der Kritik an Otto von Freising zuzustimmen, der sich mit seiner Voreingenommenheit gegen die Zähringer den Blick auf die Realität verstellte. - Daniel Ziemann, Die Staufer – ein elsässisches Adelsgeschlecht? (S. 99-133) bringt Überlegungen zur Streulage des Besitzes in Schwaben und im Elsaß mit dem Ergebnis, man könne nicht aus solchen Befunden Kenntnis über die Herkunft der Staufer gewinnen. - Auch die archäologischen Studien Mathias Henschs über Baukonzeption, Wohnkultur und Herrschaftsrepräsentation im Burgenbau in Nordbayern (S. 135-178) mit besonderer Berücksichtigung der Ausgrabungen in Nürnberg, Sulzbach, Vohburg und Thurndorf bieten wertvolle fachspezifische Erkenntnisse, nichts jedoch über die Frage der Herkunft der Staufer.
Über Einzelbefunde hinaus führt Gerhard Lubisch, Territorien-, Kloster- und Bistumspolitik in einer Gesellschaft im Wandel (S. 179-211), in der Stellung bezogen wird zu Meinungen hinsichtlich des frühen Herrschaftsaufbaus. Klar wird darauf hingewiesen, dass die Dürftigkeit der Quellen über Besitz in Schwaben und Franken keine Ansätze bietet. Besser steht es im Elsaß mit dem Schwerpunkt Schlettstadt, dazu dem Heiligen Wald und den Klostervogteien, die – wohl infolge der Komplexität der Rechtsverhältnisse und der Schreibkultur in den geistlichen Institutionen – bessere Überlieferungen aufweisen und Methoden fassen lassen: Über Eigengründungen und Beteiligungen an anderen Gründungen, schließlich auch mit Usurpationen und die Verdrängung konkurrierender Ansprüche wurde der Herrschaftsaufbau verfolgt. Beim schwäbischen Kloster Lorch spielte die Ministerialität ein große Rolle. Absichten des Zugriffs auf die Bistümer Speyer, Worms und Würzburg führten nicht nur zu Konflikten mit König Lothar III., sondern auch schon mit Kaiser Heinrich V. Bereits damals nahmen die Staufer Bürgergemeinden als Partner in einer Verhaltensweise, die man ihnen erst seit dem Aufstieg zum Königtum unterstellte in Verkennung sozialgeschichtlicher Entwicklungen. Von Lubisch wird der oft leichthin gebrauchte Begriff ‚Territorialpolitik’ mit Recht nur in seiner bedingten Anwendbarkeit gesehen: Der Aufstieg der Staufer hat nichts mit regelrechter Territorialpolitik zu tun, er war vielmehr ein Werk politischen Handelns, der Ausnutzung lokaler Konstellationen im Verbund mit einzelnen Parteiungen vor Ort. Entsprechend schmal war daher auch die ‚Hausmachtbasis’ der staufischen Brüder als Erben nach Kaiser Heinrichs V. Tod (S. 211). – In Probleme der frühen staufischen Reichspolitik führt Jürgen Dendorfer, Fides milites? Die Staufer und Kaiser Heinrich V. (S. 213-265) ein. Seine Erwägungen sind geleitet von starkem Mißtrauen gegenüber den Aussagen Ottos von Freising. Die Forschung weiterführend ist seine Analyse der Zeugenlisten in den Urkunden des Herrschers, wobei im Mittelspunkt der Schwabenherzog Friedrich II. steht. Dieser ist nachweisbar nur am Oberrhein von Basel bis Mainz. Seine intensivste Herrschernähe ist zwischen 1112 und 1118 belegbar, also gerade in der Konstellation, in der sich die Großen unter Führung des Mainzer Erzbischofs Adalbert I. von Mainz vom Kronträger abwandten. Er fügt sich ein in die Gruppe der Fürsten, die den Kaiser zum Ausgleich mit dem Papst drängten, dies besonders während der Würzburger Verhandlungen des Jahres 1121 zur Vorbereitung des Ausgleichs, der zum Wormser Konkordat führte. Dann aber wandte er sich von Heinrich V. ab, wohl wegen gegensätzlicher Positionen im Blick auf Bistum und Stadt Worms. Die Studie ist ein wertvoller Beitrag zum Problem der Unterschiedlichkeit von Zielsetzungen auf den Ebenen des Reiches und des Strebens nach raumbezogener Machtfrage, sie ist zudem wegweisend nicht zuletzt für eine künftige Biographie des Mainzer Erzbischofs und führt hin zur Bewertung des Verhaltens des Schwabenherzogs im Wahlgeschehen von 1125.
Zum mit der Wahl von 1138 eintretenden Wandel des Gesichtsfeldes führt Knut Görich, Wahrung des honor. Ein Grundsatz im politischen Handeln König Konrads III. (S. 267-297). Den eigentlich universal gültigen Ehrbegriff wandte der staufische König argumentativ und sehr bewußt an bei wichtigen Anlässen, wie den Begegnungen mit dem König von Frankreich und dem Kaiser von Byzanz, gebrauchte ihn aber ebenso in anderen Beratungen und im Zeremoniell beim Besuch von Städten. Der Verfasser stellt heraus, dass ‚Ehre’ nicht nur ein innerer Moralwert war, sondern seinen äußeren Wert erhielt als Bezugspunkt öffentlich wahrnehmbaren und symbolischen Verhaltens, das der Herrscher übte und das ihm geschuldet war (vgl. S. 294). – In gewisser Hinsicht entspricht dem die Studie Jan Keupps, Interaktion als Investitution (S. 299-321). Ausgewertet werden die Zeugenlisten als Beleg für das jeweilige vom Verfasser so genannte ‚Sozialkapital’, über das ein Kronträger bei seinen einzelnen Aktionen verfügte und das eine nutzbare Basis für politische Handlungen darstellte, auch Zeugnis für sein persönliches Ansehen war. – Diesem Themenkreis schließt sich an Werner Hechberger, Konrad III. Königliche Politik und ‚staufische Familieninteressen’? (S. 323-340). Hervorzuheben ist die eindrucksvolle Würdigung der Lehrmeinungen über den Wandel von Familienbewusstsein seit der Merowingerzeit. Ernüchternd ist der Befund, man könne bei den Staufern von einer sippenbezogenen Memoria nicht sprechen, ein Hausbewußtsein ist für die Nachkommen des Herzogs Friedrich I., des eigentlichen Aufsteigers im Rang nicht nachzuweisen. Individualisierend geht Hechberger soweit, man könne von Familienpolitik nicht reden, denn ein jeder Angehörige der Folgegeneration sei in ein Netzwerk unterschiedlicher Beziehungen und persönlicher Interessen eingebunden. Man darf anfügen, dass sich das Spätmittelalter davon dann fundamental unterschied mit seinen Erbteilungen und Erbverträgen und den in ihrer Art sich inhaltlich verdichtenden Heiratsabkommen. Ein Vergleich mit Tobias Wellers Buch über die Heiratspolitik des deutschen Hochadels (2004) mit seinen Beiträgen über die Staufer liegt nahe.
Zum weiten Feld stauferzeitlich gerichteter Forschungsanliegen gehört weiterhin die Studie von Sebastian Scholz, Die Wiener Reichskrone. Eine Krone aus der Zeit Konrads III.? (S. 341-362), ein wahrlich dornenreiches Problem, dem sich nach langer Kontroverszeit wieder Mechtild Schulze-Dörrlam 1991 zuwandte, ohne die Einhelligkeit von Gelehrtenmeinungen zu erreichen. Scholz nimmt aufgrund des Schriftbildes auf den Platten der Krone eine Entstehung frühestens für die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts an, näher hin die Jahrzehnte zwischen Heinrich IV. und Konrad III. Für den Bügel ist als Auftraggeber Konrad III. unstreitig. Sind damit aber alle Fragen gelöst? Immerhin kamen für die Plattengestaltung in jener Zeitspanne zwei Salier und Lothar III. auf den Thron, was kann man denen zutrauen?. – Lars Hageneier, Die frühen Staufer bei Otto von Freising oder Wie sind die Gesta Friderici entstanden ? (S. 363-396) stellt einen Wertungsvergleich zwischen den Gesta und der Cronica des Otto von Freising an, besonders hinsichtlich der Redaktionstechnik, und spricht sich gegen eine Entstehung der Gesta aus einem Guß, wie dies Hechberger (Vgl. dort S. 367) annimmt, aus. – Einen quellenkundlichen Beitrag bringt Monika Winterlin, Zur Darstellung Heinrichs V. und Lothars III. in der deutschen Kaiserchronik des 12. Jahrhunderts (S. 397-408). Sie arbeitet für jeden Herrscher die Anwendung einer einheitlichen Handlungsschematik heraus, man könnte fast an einen Motivrain denken. Für den Chronisten bestand eine starke Anbindung auch an orale Traditionen, während für die Hinwendung zum frühen Mittelalter eher Berichte in schriftlichen Quellen in Anschlag zu bringen sind (vgl. S. 398f.), die Schilderung des Geschehens ist meist beschränkt auf das Handeln weniger Personen und auf wenige Ereignisse. – Claudia Zey, Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152) bietet (S. 409-423) eine Zusammenfassung, die allerdings im Kern lediglich eine verkürzte Wiedergabe der Ergebnisse der einzelnen Studien ist. Man darf nach dem Zweck solcher Wiederholung fragen. Denn jeder der an diesem Werk Beteiligten hat Ziel und Ergebnisse seiner profunden Studien für den Leser deutlich gemacht, die Verfasserin flicht dazu an manchen Stellen eigene Beobachtungen und Wertungen ein, bestätigt aber eigentlich nur die zuvor dargebrachten Inhalte.
Wiesbaden Alois Gerlich