Fellner, Fritz/Corradini, Doris A., Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 99). Böhlau, Wien 2006. 476 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Ursprung des rund 1000 Historiker umfassenden Lexikons geht auf die Studienzeit des in Salzburg von 1964 bis 1993 als Ordinarius für allgemeine Geschichte der Neuzeit wirkenden Verfassers zurück, der bereits bei der Ausarbeitung des Registers seiner Dissertation auch die Lebensdaten der verzeichneten Personen der Erfassung wert fand. Durch seine Lehrveranstaltungen verstärkte sich bei ihm die Erkenntnis, dass wissenschaftliches Werk und beruflicher Weg eines Gelehrten nicht nur von den persönlichen und institutionellen Einflüssen der Ausbildung, sondern ganz entscheidend auch von der nationalen Herkunft, dem sozialen Umfeld, der geographischen Position und den wirkenden politischen Umbrüchen bestimmt gewesen sind. Auf dieser Grundlage ließ er in mehreren Seminaren durch Studenten Kurzbiographien der bedeutenden österreichischen Historiker erarbeiten und die Wechselbeziehung von Lebenslauf und Forschungsleistung ermitteln.

 

In Zusammenhang mit seiner Untersuchung der Geschichte der Kommission für neuere Geschichte Österreichs erwuchs aus diesen Datensammlungen der Plan eines systematisch gestalteten Lexikons. Dieses sollte durch Erfassung des familiären Hintergrunds, der Ausbildung, des Berufsweges und der Bibliographie der wissenschaftlichen Leistungen für jede einbezogene Person das Skelett einer Gelehrtenbiographie bieten. In seiner Gesamtheit sollte es zugleich den Überblick über das Fach erleichtern.

 

Als zeitlichen Rahmen wählte der von seiner Assistentin unterstützte Verfasser das 20. Jahrhundert, weil erst ab etwa 1900 die Umsetzung der Tätigkeit des Historikers in klar erkennbare Berufsbahnen beginnt. Entscheidend war dabei der Eintritt in das Berufsleben bzw. die Beendigung der wissenschaftlichen Tätigkeit. Deswegen schließt das Lexikon insgesamt etwa die 140 Jahrgänge zwischen 1830 und 1970 ein, deren Angehörige im Laufe des 20. Jahrhunderts berufsmäßig mit der Geschichtswissenschaft verbunden waren.

 

Den geographischen Rahmen sollte das Staatsgebiet des heutigen Österreich bilden. Dementsprechend wurden alle zwischen 1900 und 2000 auf diesem Gebiet geborenen Historiker erfasst. Hinzu kamen alle außerhalb Österreichs geborenen, aber innerhalb der Grenzen des heutigen Österreich beruflich tätigen Geschichtswissenschaftler.

 

Sachliches Kriterium für die Aufnahme war in erster Linie eine Lehr- und Forschungstätigkeit als Dozent oder Professor an einer Universität. Dem gleichgestellt wurde eine Anstellung im wissenschaftlichen Dienst an Archiven oder Museen. Schließlich wurden auch sonstige Verfasser historischer Werke mit wissenschaftlichem Anspruch aufgenommen.

 

Insgesamt erfasst das Werk rund 1000 Persönlichkeiten. Von etwa 200 Historikern erhielten die Verfasser – vielleicht mit Grund - keine Angaben (z. B. Ebert, Faußner, Morsak). Einige wollten ausdrücklich nicht aufgenommen werden.

 

Dass der eine oder andere Historiker fehlt, ist bei einem Werk dieses Ausmaßes unvermeidlich. Vielleicht ist auch sonst die eine Lücke oder der andere Fehler geblieben. Insgesamt haben die beiden Bearbeiter aber eine eindrucksvolle Leistung vorgelegt, die für lange Zeit eine wertvolle Arbeitsgrundlage der österreichischen Geschichtswissenschaft bilden kann.

 

Innsbruck                                                                                                                              Gerhard Köbler