Dohna, Jesko Graf zu, Die jüdischen Konten der fürstlich Castell’schen Credit-Cassen und des Bankhauses Karl Meyer KG (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Neujahrsblätter 45). Kommissionsverlag Degener & Co./Fürstlich Castell’sche Kanzlei Archiv, Neustadt an der Aisch/Castell, 2005. 144 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zur Unternehmensgeschichte der Castell-Bank gehören auch die Zeit des Nationalsozialismus und das Verhalten der Bank gegenüber ihren jüdischen Kunden. Dem Fürsten von Castell ist die Stellung zur Geschichte seiner Familie und seiner Unternehmen während des Nationalsozialismus ein Herzensanliegen. Deswegen widmet die fürstlich Castell’sche Bank, Credit-Casse das Buch dem Fürsten zum 80. Geburtstag am 13. August 2005.
Dieser vorgesetzten Widmung folgen Überlegungen Albrecht Fürst zu Castell-Castells zu Erinnern und Gedenken. Sie gelten dem Vater, der SA-Reitergruppenführer von Franken war und nach daraus folgender Unterstellung seiner Güter unter Treuhandschaft am 8. Mai 1945 noch am 10. Mai gefallen ist, und dem 1944 gefallenen Bruder, mit dem den Fürsten 1939 der Wunsch geeint hatte, dass der Krieg hoffentlich nicht zu Ende gehe, ohne dass sie dabei gewesen wären. Sie bringen darüber hinaus auch zum Ausdruck, dass es nach dem Kriegsende mehr als 40 Jahre gedauert habe, bis die grausamen Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, unter dem er im Jungvolk als Trommler durch sein Dorf marschiert sei und die Geländespiele und Aufmärsche in der Hitlerjugend begeistert mitgemacht habe, in der Form der Vernichtung des jüdischen Volkes ihn nach einem Besuch Auschwitzs persönlich berührt und bewegt hätten.
Die Veränderung seiner nicht ablehnenden, aber distanziert zurückhaltenden Einstellung dem Judentum gegenüber habe Zeit gebraucht. Als nach dem Krieg bekannt geworden sei, was in den Konzentrationslagern geschehen sei, habe er sich vorgenommen, Begegnungen mit überlebenden Juden zu suchen und mögliche Hilfe anzubieten. Erst sei es eine rationale Entscheidung gewesen, nach Jahren habe die Bekehrung im Kopf auch das Fühlen und Empfinden verändert und zur Liebe zu Israel geführt, in dessen Judentum die Wurzeln seines christlichen Glaubens lägen.
Dieser persönlichen Einführung folgt die Darstellung der gräflich Castell’schen Credit-Cassen im 18. und 19. Jahrhundert, die mit der Feststellung beginnt, dass es in Franken und besonders in Unterfranken die höchste Dichte an jüdischen Gemeinden in Deutschland überhaupt gegeben habe. Zu den ersten Kunden der gräflich castell-remling’schen Landes-Credit-Casse habe der hochgräflich-castell-vormundschaftliche Schutzjude Leser (Jud) aus Burghaslach gehört, der am 15. Juni 1774 mit seiner Frau Schönlein 100 Gulden rheinischer Währung Hypothekenkredit aufgenommen habe, der am 18. Februar 1889 zurückgezahlt worden sei. Der erste Kunde der nach mehreren Missernten von dem gräflich castellschen Regierungsdirektor Friedrich Adolph von Zwanziger (1745-1800) angeregten Landescreditcasse sei Wilhelm Andreas Köhler aus Nürnberg gewesen, der am 1. Februar 1774 2000 Gulden zu 5 Prozent Zinsen auf ein halbes Jahr angelegt habe, der erste Kreditnehmer der Bauer Alexander Stier aus Castell, der 825 Gulden zu 5,5 Prozent aufgenommen habe.
Die im ersten Geschäftsjahr bei 7300 Gulden Einlagen und etwa 7000 Gulden Ausgaben einen Gewinn von zehn Gulden, acht Kreuzern und drei ein Achtel Pfennigen aufweisende Bank erreichte infolge des Umzugs Zwanzigers nach Nürnberg nach zwanzig Geschäftsjahren bereits ein Geschäftsvolumen von etwa 1,1 Millionen Gulden. Trotz der Mediatisierung Castells in Bayern im September 1806 durfte die Credit-Casse als Stiftung fortgeführt werden. Um die Beschränkung der Kredite auf das Gebiet der alten Grafschaft zu vermeiden, wurde 1857 mit königlicher Bewilligung eine neue Credit-Casse gegründet.
In der Inflation stieg der Papiermarkeinlagenbestand der alten Casse auf 723230720966585 Mark, der Einlagenbestand der neuen Casse auf 78176788324200 Mark, die im Verhältnis von einer Billion Papiermark zu einer Goldmark abgewertet, von den Fürsten im November 1927 freiwillig aber um 12,5 Prozent aufgewertet wurden. Zum 1. Januar 1942 ging die alte Credit-Casse in der neuen Credit-Casse auf. Von den 163 bekannten jüdischen Kunden der Credit-Cassen und des 1936/1937 übernommenen Bankhauses Karl Meyer sind mindestens 68 in nationalsozialistischer Zeit umgekommen oder ermordet worden und 52 emigriert.
Die Untersuchung bemüht sich dabei um die möglichst ausführliche Schilderung einzelner Abläufe und fügt zahlreiche Abbildungen von Dokumenten und Bildern sowie eine Datentafel der Betroffenen in den Text ein. Knapp stellt sie die meist bescheidene Wiedergutmachung und Entschädigung nach 1945 dar. In wenigen Sätzen wird der Hauptgegenstand zusammengefasst.
Danach fügten sich die castell’schen Credit-Cassen 1933 in das politische und wirtschaftliche System ein. Gegenüber ihren jüdischen Kunden hat sie sich die Bank sachlich und im Rahmen der gesetzlich geforderten Maßnahmen verhalten, der Partei und den Devisenstellen jederzeit Auskunft erteilt und die antijüdischen Maßnahmen genau durchgeführt, in einigen Fällen auch wenig Einfühlungsvermögen gezeigt. Eine den verfolgten Juden freundlich zugewandte Haltung war bei der politischen Einstellung der Inhaber und Geschäftsleiter nicht zu erwarten, wenn auch in keinem Fall eine aggressive Arisierung oder eine persönliche Bereicherung durch Inhaber oder leitende Angestellte ermittelt werden konnte.
Insgesamt bietet das vom Leiter des fürstlich castell’schen Archivs in Castell verfasste, auf recht steifem Papier ohne Register gedruckte und Fußnoten nur am Textende versammelnde Werk zwar keine vollkommene Unternehmensgeschichte der betroffenen Bank. Es stellt aber doch eine Vielzahl von Daten zusammen, die sonst nur schwer greifbar wären. Bemerkenswert ist das persönliche Bestreben, die Verstorbenen und Ermordeten zu ehren, deren Namen auf keinem Grabstein stehen.
Innsbruck Gerhard Köbler