Deutsche
Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Der Reichstag zu Regensburg 1546, bearb. v. Aulinger,
Rosemarie (= Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe 17). Oldenbourg, München
2005. 596 S.
Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Der Reichstag zu Augsburg 1550/51, bearb. von Eltz, Erwein, Teilband 1, Teilband 2 (= Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe 19). Oldenbourg, München 2005. 733, 739-1681 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.
Zuletzt konnten in dieser Zeitschrift hinsichtlich der Zeit Karls V. die Akteneditionen zu den Reichstagen zu Speyer von 1542 und zu Worms von 1545 rezensiert werden (ZRG GA 121 [2004] S. 734-737). Mit den jetzt zu besprechenden Bänden werden zwei wichtige, diesen Ereignissen nachfolgende Reichstage vorgestellt, mit denen wiederum bedeutende Wegscheiden der kaiserlichen Politik markiert werden. Mit dem Regensburger Reichstag begannen sich die Religionskonflikte im Reich zuzuspitzen, auch wenn noch nicht absehbar war, dass der Kaiser nach einem siegreich verlaufenden Feldzug im Schmalkaldischen Krieg schließlich die Oberhand behalten sollte. Mit dem Augsburger Reichstag von 1550/51 hatte Karl V. den Zenit seiner Macht bereits überschritten. Die Bearbeitung der Akten des zwischen diesem beiden Tagen liegenden „geharnischten Reichstag“ in Augsburg von 1547/48, der das machtpolitische Übergewicht des Kaisers gegenüber den Reichsständen verfassungsrechtlich festschrieb, ist ebenfalls abgeschlossen, und der dafür vorgesehene Band 18 der Jüngeren Reihe der Reichstagsakten befindet sich bereits im Druck.
Der in Band 17 behandelte Reichstag von 1546 war einer der kürzesten in der Epoche Karls V. Auf ihm sollte vorrangig über die noch offenen Fragen der Religion beraten werden. Doch war dieses Vorhaben nicht zu realisieren, weil das vorausgegangene Religionsgespräch zwischen Altgläubigen und Neugläubigen ohne Ergebnis geblieben war. Damit hatte der Reichstag für den Kaiser eigentlich nur noch die Funktion, durch seine Abhaltung Kräfte der Protestanten zu binden, um selbst Zeit für die Vorbereitung des Krieges gegen diese zu gewinnen. Die Hinhaltetaktik des Kaisers machte konstruktive Verhandlungen unmöglich, und ein Reichsabschied kam schließlich auch nicht als Ergebnis von Verhandlungen mit den Ständen, sondern durch einseitige kaiserliche Verfügung zustande. Die protestantischen Stände erkannten ihrerseits die drohende Gefahr rechtzeitig, auch wenn sie anfangs den Gerüchten über Kriegspläne des Kaisers und der altgläubigen Partei keinen Glauben schenken wollten. Doch nutzten sie weder ihre militärische Überlegenheit noch den zeitlichen Vorsprung und gaben somit dem Kaiser und seinen Verbündeten ausreichend Zeit, um ihre Kriegsrüstungen voran zu treiben.
Ganz anders lag die politische Situation in der Zeit des im 19. Band behandelten Augsburger Reichstags, des vorletzten aus der Regierungszeit Karls V. überhaupt. Der Kaiser hatte immer noch das machtpolitische Übergewicht im Reich, das er durch das „Augsburger Interim“ verfassungsrechtlich festgeschrieben hatte. Doch waren erste Anzeichen erkennbar, dass er seine Kräfte überreizt hatte, und so kam es zu ersten Erosionserscheinungen der kaiserlichen Autorität. Erkennbar wird dies etwa am Widerstand der protestantischen Städte Bremen und Magdeburg, aber auch an Umsetzungsdefiziten im Hinblick auf das Interim und die „Formula Reformationis“. Sehr aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Berichte des kaiserlichen Rats Lazarus Schwendi über seine Besuche bei den Kurfürsten zur Vorbereitung des Reichstags. Auch wenn der Augsburger Tag von 1550/51 verfassungsgeschichtlich nur als „Vollzugsreichstag“ gegenüber seinem Vorgängertag von 1547/48 einzustufen ist, kommt ihm doch eine besondere Rolle als „Übergangstag“ zu: Durch ihn wird deutlich, dass die nach dem gewonnenen Schmalkalder Krieg eingeschlagene Linie sich nicht durchhalten ließ.
Den Rechtshistoriker interessieren freilich weniger die politischen Umstände, die hinter den Verhandlungen standen, sondern mehr die Inhalte der Debatten und deren normative Ergebnisse. Es interessieren dabei zunächst die in Kap. 1 zu Band 17 zusammengestellten vorbereitenden Aktivitäten wie Ladungen und Korrespondenzen zwischen den Fürsten und mit dem Kaiser. Eine Instruktion der Schmalkaldischen Partei für ihre Gesandten zum Reichstag (Nr. 13) ist dabei rechtshistorisch ebenso interessant wie die Reichstagsordnung (Nr. 21). Fingerzeige zu den politischen Absichten der Stände bieten die in Kap. 2 dargebotenen Instruktionen der Reichsstände für ihre Gesandten, während die Voten auf dem Reichstag selbst in Kap 3 im Rahmen der Protokolle präsentiert werden. In den Kapiteln 4 und 5 werden die eigentlichen Reichstagsverhandlungen wiedergegeben, die sich in Propositionen und deren Beantwortung, in Anfragen, Werbungen und Vermittlungsschreiben niederschlagen. Weniger hochpolitisch sind die in Kap. 6 edierten Akten zu den auf dem Reichstag behandelten Supplikationen, etwa im Zusammenhang mit der Bestrafung des Mörders des Juan Diaz, mit Rang- und Sessionsstreitigkeiten sowie mit der Einführung neuer Zölle. Dem eigentlichen Reichsabschied vom 24. Juli 1546 (Nr. 109) kommt hingegen keine größere verfassungsgeschichtliche Bedeutung zu. Mehr anhangsweise werden dessen Edition Akten zur Verhängung der Reichsacht über Kursachsen und Hessen angefügt, mit denen schließlich der Schmalkaldische Krieg eingeleitet wurde. Der eigentliche Achtspruch von 1546 Juli 20 (Nr. 115) verdient hingegen wieder rechtshistorische Aufmerksamkeit, da er einen Entwicklungsschritt in Richtung auf die spätere reichshofrätliche Praxis der Reichsacht seit Ferdinand II. darstellt.
Eine dichtere Folge von rechtshistorisch wichtigen Quellen bietet der auf zwei Teilbände aufgegliederte 19. Band der Jüngeren Reihe der Reichstagsakten. Im ersten Kapitel sind hier nicht nur Akten vor Vorbereitung des Tags, wie Geleitbriefe, Korrespondenzen, Ausschreiben und Instruktionen, enthalten, sondern auch solche, mit denen von Seiten des Kaisers das Interim umgesetzt und abgesichert werden sollte. Die im zweiten Kapitel enthaltenen Protokolle beschränken sich vor allem auf das sehr umfängliche Kurfürstenratsprotokoll, das zugleich den größten Teil des ersten Teilbands einnimmt. Im zweiten Teilband (drittes Kapitel) werden die eigentlichen Hauptverhandlungen wiedergegeben, die Propositionen vor allem mit den Antworten, Dupliken u. a. Daneben finden sich Texte zu den Visitationen des Reichskammergerichts, darunter der Entwurf eines kaiserlichen Mandats zur Durchführung der Reichskammergerichtsordnung (Nr. 111). Weitere Verhandlungsgegenstände, die jeweils mit umfangreichen Quellen belegt werden, sind die Münzordnung (Entwurf Nr. 125), die Reichsanschläge, die Reichspoliceyordnung, die Türkenabwehr und die damit im Zusammenhang stehende Erhebung eines Gemeinen Pfennigs, dazu in einem gesonderten Kapitel die Maßnahmen zur Abwehr des Widerstands der Städte Bremen und Magdeburg. Kapitel fünf bietet unterschiedliche, im Zusammenhang mit den Reichstagsverhandlungen stehende Briefwechsel, namentlich der Gesandten an ihre Auftraggeber. Die Supplikationen (Kapitel sechs) bieten ebenfalls reichhaltiges Anschauungsmaterial über besondere Verhandlungsgegenstände, darunter auch zu Landfriedensfragen und zu den Juden, Letzteres vor allem durch den „Befehlhaber“ der Judenschaft im Reich, Josel von Rosheim, eingebracht. Die ergänzenden Varia des Kapitels sieben bringen reichhaltiges Quellenmaterial zu Konzilsfragen, zu Fragen des Lehnsrechts, der Kurfürstenwürde, zu Sessionsfragen und Fragen der Reichsstandschaft. Der Reichstagsabschied vom 14. Februar 1551 (Nr. 305) geht in seinen 109 Artikeln namentlich auf Fragen des Münzwesens und der Policeyordnung ein.
In beiden Bänden sind wieder erschöpfende Register der Personennamen und Ortsnamen enthalten. Sachbegriffe tauchen in der Regel nur als Unterstichworte auf, von Begriffen wie „Juden, Judenwucher“, „Johanniterorden“ oder ähnlichen Gesamtheiten mit geographischem bzw. personellem Bezug einmal abgesehen. Dies erschwert leider die Arbeit des Rechtshistorikers, zumal auch die edierten Texte, wenn sie mehrere Gegenstände ansprechen, nicht durch Kopfregesten erschließbar sind. Ganz misslich wird es, wenn man die Gegenstände etwa des Kurfürstenratsprotokolls ermitteln will: Hier müssen teilweise Hunderte von Seiten durchgeblättert werden, um Einschlägiges zu finden. Doch ist dieser Mangel in der Gesamtkonzeption der Reichstagsakten begründet, die ursprünglich mehr den politischen Historiker als den Rechts- und Verfassungshistoriker im Auge hatte. Das von den hier besprochenen Bänden erfasste rechtshistorische Quellenmaterial ist jedenfalls nahezu unerschöpflich und kann der rechtsgeschichtlichen Forschung nur dringend ans Herz gelegt werden.
Darmstadt J. Friedrich Battenberg