Das
Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte
(843-1806), hg. v. Herbers, Klaus/Neuhaus, Helmut. Böhlau, Köln 2005.
VII, 343 S., zahlr. Ill. Besprochen von Arno Buschmann.
Mit diesem reich
bebilderten Band wird erstmals in dieser Form die Geschichte des Heiligen
Römischen Reiches von den Anfängen bis zu seinem Ende am 6. August des Jahres
1806 unter Verwendung der neuesten Forschungsergebnisse und eines ausgewählten
Bildmaterials zusammenhängend dargestellt.
Lange Zeit war
das Heilige Römische Reich als solches kein spezifischer Gegenstand
historischer Forschung und historiographischer Darstellung. Seine Geschichte
wurde stets als Bestandteil einer deutschen Geschichte angesehen, deren Anfänge
in die Zeit der germanischen Völker zurückverlegt und deren Ende in den
deutschen Staaten der Gegenwart bzw. nach deren Wiedervereinigung in der
jetzigen Bundesrepublik gesehen wurde. Daß das Heilige Römische Reich ein
eigenständiges historisches Gebilde war, das einer eigenen historischen
Forschung und historiographischen Darstellung bedurfte, wurde geflissentlich
übersehen, ganz zu schweigen von dem abschätzigen, von der nationalstaatlichen
Grundeinstellung des 19. Jahrhunderts geprägten historiographischen Beurteilung
durch Geschichtswissenschaft und Geschichtsschreibung. Erst seit der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat sich hier ein allmählicher Wandel der
Auffassung angebahnt und zur einer vorsichtigen Revision der überlieferten
Beurteilung geführt, auch wenn dies nur langsam in das allgemeine Bewußtsein
eingedrungen ist. Inzwischen kann als
gesicherte Erkenntnis angesehen werden, daß das Heilige Römische Reich als Herrschaftsorganisation,
Friedens- und Rechtsverband eine weit größere Rolle in den tausend Jahren
seines Bestehens gespielt hat als dies früheren Historiker- und
Rechtshistorikergenerationen, die allesamt dem Traum von einem militärischen
Kommandostaat als Maßstab für die Beurteilung aller historische Gemeinwesen
verfallen waren, bewußt war. Umso aktueller erscheint diese Rolle des Heiligem
Römischen Reiches manchen Zeitgenossen, die sich bisher mit der Geschichte und
den geschichtlichen Formen politischer Organisationen nicht oder nur peripher beschäftigt
haben, und zwar so sehr, daß sich das Heilige Römische Reich einigen von ihnen
geradezu als Vorbild für politische Lösungen der Gegenwart empfiehlt. Anders
ist das große Medienecho, das die 200jährige Wiederkehr des Endes des Heiligen
Römischen Reiches gefunden hat, und sind die Deutungen, die in diesem
Zusammenhang verlautbart wurden, wohl nicht zu erklären.
In diesem
Kontext eines revidierten Bildes vom Heiligen Römischen Reich ist auch das
vorliegende Werk zu sehen, das dessen Geschichte nicht nur in lebendiger und
anschaulicher Weise darstellt, sondern darüber hinaus die Darstellung mit
Bildmaterial von Orten und Landschaften versieht, die jedermann gleichsam vor
Augen stehen, wenn nicht gar als Zeugnisse der Vergangenheit gleichsam ins Auge
springen. Landschaften mit Burgen, Schlössern, Kirchen und Klöstern, Städte mit
historischen Stadtmauern oder Mauerresten, historischen Rathäusern,
Marktplätzen und Häuser mit historischen Fassaden vermitteln auch dem der
Beschäftigung mit der Geschichte fern stehenden Zeitgenossen ein unmittelbares
Erlebnis der Geschichte, dem jedoch oft genug die Einbettung in den
Gesamtzusammenhang des Geschehens fehlt. Diese Einbettung anschaulich zu machen
und die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches namentlich unter Einbeziehung
von Bildern der Schauplätze des Geschehens vor Augen zu stellen, war die
Absicht der Verfasser, deren Realisierung ihnen eindrucksvoll gelungen ist.
Vieles von dem, was in den historischen Darstellungen, soweit sie sich
überhaupt mit der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches als solcher
beschäftigen, bisher gefehlt hat, vor allem der konkrete Bezug zu den Orten,
Landschaften und schriftlichen Zeugnissen der Überlieferung, ist hier
verwirklicht. Das gilt auch für die zahlreichen rechtserheblichen Orte und
Schauplätze, auf die hier hingewiesen wird, wobei hier freilich die
rechtshistorischen Erläuterungen oftmals etwas sparsam geraten sind.
Wünschenswert wäre auch gewesen, wenn die Zahl der farbigen Abbildungen hätte
erhöht werden können. Wahrscheinlich spielten hier ökonomische Erwägungen eine
Rolle, um den Preis des Buches nicht über ein bestimmtes Limit steigen zu
lassen.
Fazit: Nicht nur
von der Konzeption, sondern auch von der Ausstattung her ein gelungenes Buch,
das dem Historiker wie dem Rechtshistoriker eine anregende Lektüre bietet und
darüber hinaus jedem Geschichtsinteressierten in anschaulicher Weise jene
Information liefert, die im 19. Jahrhundert mit den sog. „Illustrierten
Geschichtsdarstellungen“ - hier freilich mit nationalistischem oder gar
chauvinistischen Hintergrund - vermittelt wurde und die trotz des uns Heutigen
problematisch erscheinenden Hintergrundes in nicht geringem Maße zur
Verbreitung von historischer Kenntnis und zur Ausbildung eines historischen
Bewußtseins wesentlich beigetragen hat.
Salzburg Arno
Buschmann