Carmichael, Calum, Ideas and the Man: Remembering David Daube (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 177). Klostermann, Frankfurt am Main 2004. VIII, 173 S., incl. 3 S. Abb. Besprochen von Hans Peter Benöhr.

 

 

Zur Ergänzung des Hinweises auf den bedeutsamen Sammelband über deutsche Juristen in England[1] ist es geboten, auf das ebenfalls 2004 erschienene Buch von Calum Carmichael über David Daube aufmerksam zu machen. Von der Bedeutung, Menge und Vielfalt seiner Publikationen[2] zeugt die Serie der teilweise schon zu Daubes Lebzeiten von Carmichael herausgegebenen „Collected Works“: „Talmudic Law[3]“, „New Testament Judaism[4]“, „Biblical Law and Literature[5]“, „Ethics[6]“ und das von D. Simon und D. Cohen herausgegebene Roman Law“[7]. Die Bereiche überschneiden sich, die Aufsätze greifen meistens in mehrere Bereiche hinein. Es ist nicht der Zweck unserer Worte, David Daube nochmals vorzustellen[8]. Einzigartig dürfte die mehrfache Verbindung von „New Testament“ und „Judaism“ sein, mit der er bei Christen wie Juden Befremden auslöste.

 

Zweitens äußert sich Daube in seinen Schriften über seinen jüdischen Glauben und über die Geschehnisse seiner Zeit. Obwohl seine Wissenschaftsgebiete Jahrtausende vom Tagesgeschehen entfernt zu sein scheinen, sind doch Nationalsozialismus und Antisemitismus, Verfolgung und Völkermord immer präsent[9]. Es ist  unvergessen, dass Daube, dem 1933 nach dem Abschluss seiner Dissertation die Promotion verweigert worden war, in dem ersten Nach-Nazi-Band der Savigny-Zeitschrift einen berühmten Artikel publiziert hat[10]. Weitere Reflexionen und Handlungen überliefert Carmichael. Gewiss kann die Fragen zu Zeitgeschehen und Religion jeder nur für seine eigene Person beantworten, Daubes Antworten können also nicht repräsentativ für alle Emigranten gegeben und genommen werden. Aber ich halte es für wichtig, dass hier überhaupt jemand über diese Dinge spricht. In dem genannten Sammelband über die deutschen entwurzelten Rechtsgelehrten in England dringt kaum etwas über diese Probleme nach außen. Wir wissen fast nichts darüber, wie die anderen als „Juden“ verfolgten Juristen über das Judentum und die Verfolger dachten.

 

Schließlich ist die Art und Weise von Carmichaels Büchlein über Daube bemerkenswert. Daube wird uns durch Schrift und Wort und viele kleine Handlungen lebendig, stets unter respektvoller Wahrung der Privatsphäre. Carmichael schreibt „not a biography, a chronological narration of an extraordinary scholar's career“. Sondern Carmichael will den „spirit of enlightment“, den Daube verbreitete, weitergeben. Hierzu stehen Carmichael gewissermaßen die schriftliche und die mündliche Überlieferung zur Verfügung, nämlich Daubes Werke, die Carmichael selbst herausgegeben hat, und die Gespräche mit und über Daube. „In the early 1990s I began to take notes after conversations with Daube ... out of a sense that he wanted me to remember certain details of his life“. Eckermann! Hinzu kommt ein tiefes menschliches Gefühl des Schülers für den Lehrer.

 

Wissenschaftsbericht, Zeitgeschehen und Lebensbeschreibung, Taten, Schriften und Denken, unverdiente Anfeindungen und wohlverdiente Ehrungen[11] - all' diese Elemente gehören zu der üblichen Biographie eines Rechtsgelehrten und sind auch hier vorhanden. Der Zauber des vorgelegten Büchlein aber geht aus von Carmichaels persönlicher Anteilnahme und von Daubes „spirit of enlightment“.

 

Berlin                                                                                                         Hans-Peter Benöhr



[1]Jurists Uprooted, German-speaking Émigré Lawyers in Twentieth-century Britain, ed. by Jack Beatson and Reinhard Zimmermann,  2004. Dort Alan Rodger, David Daube (1909 – 1999), 233 – 248.

[2]Nicht wenige Beiträge (keineswegs nur juristische im konventionell-engen Sinn) in dem von Dieter Simon herausgegebenen Rechtshistorischen Journal, der letzte über "Judas" (RJ 13, 1994, 307 - 330).

[3]Collected Works of David Daube, Vol. 1, Talmudic Law, Edited by Calum M. Carmichael, A Robbins Collection Publication, University of California at Berkeley, 1992.

[4]New Testament Judaism, Collected Works of David Daube, Vol. 2, Edited by Calum Carmichael, The Robbins Collection, Berkeley, 2000.

[5]Biblical Law and Literature, Collected Works of  David Daube, Vol. 3, Edited by Calum Carmichael, Berkeley, 2003.

[6]Ethics, Collected Works of David Daube, Edited by Calum Carmichael,  Berkeley, i. Vorb.

[7]David Daube, Collected Studies in Roman Law, herausgegeben von David Cohen und Dieter Simon (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 54), 2 Halbbände, Frankfurt a. M. 1991.

[8]Alan Rodger, David Daube (1909 – 1999), SZ (Rom.) 118 (2001), XIV – LII. - Eine besondere Daube-Website: http://www.law.berkeley.edu/library/daube. Dort auch Bibliographien.

[9]Berühmt: Collaboration with Tyranny in Rabbinic Law, Oxford 1965, jetzt in: New Testament Judaism, 63 – 135.

[10]David Daube, Did Macedo murder his father, SZ (Rom.) 65 (1947), 261 – 311, mit der Antwort in dem ersten Satz: "It is to be feared that he did"; jetzt in den Collected Studies in Roman Law, 1. Halbbd., 193 - 233.

[11]Z. B. Daube Noster, edited by Alan Watson, Edinburgh and London 1974.