Akten des Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Inventar des Bestands C3, bearb. v. Brunotte, Alexander/Weber, Raimund J., Band 6 S-T, Band 7 U-Z (=Veröffentlichungen der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg 46/6, 46/7 = Inventar der Akten des Reichskammergerichts 16/6-7). Kohlhammer, Stuttgart 2005. 908 S., 792 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.
Nach einigen Jahren Publikationspause konnte das Gesamtinventar der im Hauptstaatsarchiv Stuttgart überlieferten Kammergerichtsakten mit zwei stattlichen Bänden zuende geführt werden, so dass jetzt nur noch ein die Gesamtindices umfassender Band hinzukommen wird. Über das Gesamtprojekt der Erschließung der einschlägigen Stuttgarter Provenienzen konnte im 1993 erschienenen ersten Band der Reihe informiert werden, so dass darauf verwiesen werden kann (Rezension ZRG GA Bd. 113 [1996], 547). Die in den beiden vorliegenden Bänden erfassten über 1.500 Prozesse zu den Klägerbuchstaben S bis Z einschließlich der Extrajudizialsachen (aller Buchstaben) – von einem Gesamtbestand von etwa 5.200 Prozessen - werden von den beiden Bearbeitern wiederum in der gewohnten Zuverlässigkeit und Ausführlichkeit dargeboten und erschlossen.
Hinsichtlich des sechsten Bandes ist zu bemerken, dass hier an der Spitze der Kläger die Deutschmeister des Deutschen Ordens sowie die Familie der Truchsess von Waldburg stehen, und zwar mit 70 bzw. 80 Prozessen. Hier geht es einerseits um Streitigkeiten des Ordens mit der Reichsstadt Heilbronn, etwa um Schäden im Bauernkrieg, Wasserbauen am Neckar und um Weinhandel, andererseits um Nachbarstreitigkeiten der Truchsess mit der Grafschaft Friedberg-Scheer. Hervorzuheben sind ferner die zahlreichen Prozesse von Adeligen: Zu einem Drittel allein sind die Klagen der Herren von Schellenberg, meist Kißlegg im Allgäu betreffend, vertreten, zu einem knappen Drittel die Klagen der Familie Spetz von Zwiefalten, dazu diejenigen der Herren von Stein und der Herren von Stotzingen. Von rechtshistorischer Brisanz sind die Prozesse der Familie von Sternenfels um das landgräflich-hessische bzw. württembergische Kondominat Kürnbach, daneben diejnigen um das württembergische Siegel nach der Rückkehr des Herzogs Ulrichs aus dem Exil im Jahre 1534 und um die Frankfurter Lotterie aus der Zeit Herzog Karl Eugens aus dem Jahre 1768. Im siebten Band ist naturgemäß das Herzogtum Württemberg als der zahlenmäßig gewichtigste Kläger (140 Nachweise) betroffen. In weitem Abstand folgen das Bistum Württemberg mit 50 und die Reichsstadt Ulm mit 37 Klagen. Besonders erwähnt werden sollten hinsichtlich der erstgenannten Prozessgruppe die Prozesse mit dem Hofgericht Rottweil und dem Landgericht Schwaben – Prozesse, anhand derer sich die langsame Konstituierung der Landesherrschaft nachvollziehen lässt. Hinzu kommen die Streitigkeiten Herzog Christophs von Württemberg mit den Grafen von Salamanca-Ortenburg über die Erbfolge in den mömpelgardischen Herrschaften Héricourt, Chatelot und Clémont sowie mit der Markgrafschaft Baden um Rechte am Besigheimer Forst. Die Prozesse der Reichsstadt Ulm betreffen vor allem die Auseinandersetzungen mit den Grafen von Helfenstein um Forstrechte sowie Streitigkeiten mit den verschiedensten Adelsfamilien um Territorialhoheiten, auch in Auseinandersetzung mit dem Herzogtum Württemberg.
Der rechtshistorische Gehalt der beiden Bände ist in den sehr detaillierten Sachregistern wieder gut zu erfassen. Hier haben sich die Bearbeiter bemüht, auch Einzelbegriffe in allgemeineren Verweisstichpunkten zusammenzufassen. So können Streitigkeiten um Abgaben, „Allgemeines Bürgerliches Recht“, Appellationen, Arrest, Bestätigungen, Briefe, „Deutsches Recht“, Ehesachen, Eide, Erbsachen, Exekutionen, Gerichte, Gerichtsbarkeit, Güter, Injurien, Juden, Kaiserliche Rechte, Landfrieden, Lehen, Litiskontestationen, Mandate, Münzrechte, Nachbarrechte, notarielle Angelegenheiten, Obligationen, obrigkeitliche Rechte, Ordnungen, Pfandrechte, Privilegien, Rechtssprache, Reichsunmittelbarkeit, Religionssachen, Römisches Recht, Sachenrecht, Schadensersatz, Schuldrechte, Schuldverschreibungen, Strafsachen, Streitgegenstände aller Art (mit zahlreichen Unterstichworten), Testamente, Untertanenrechte, Urfehdeleistungen, Urkunden überhaupt, Vergleichsschlüsse, Verträge, Vogteirechte, Vormundschaften, Waldrechte, Weiderechte, Weinberge, Zehnten und Zinsrechte vorzüglich erfasst werden. Natürlich gibt es auch die Stichworte „Klagearten“ und „Prozessarten“, über die die rechtssystematische Einteilung der Kammergerichtsprozesse ermittelt werden kann.
Hilfreich wie bei allen anderen, auf den „Frankfurter Verzeichnungsgrundsätzen“ von 1978 beruhenden Inventarbänden sind auch die Register der Personen und Orte, der Vorinstanzen und Juristenfakultäten sowie der Prokuratoren. Sobald diese Spezialregister zusammen mit den entsprechenden Registern der anderen Kammergerichtsinventare digital zusammengeführt sein werden, wird eine vorzügliche rechtshistorische Arbeitsgrundlage vorhanden sein, die es ermöglicht, der allmählichen Professionalisierung und Funktionsänderung der Justizkörper des vormodernen Reichs ebenso wie des Prokuratorenstands durch Analyse des breit gefächerten Quellenmaterials nachzugehen.
Darmstadt J. Friedrich
Battenberg